Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem (das Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den § 15, 269 Abs 1 StGB betreffenden) freisprechenden Teil und demgemäß auch in den Strafaussprüchen (einschließlich der davon abhängigen Aussprüche nach § 38 und 43 StGB) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfange der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Sabine A, Karoline B und Gabriele C die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die am 3.August 1962 geborene Sabine A, die am 3. Juli 1962 geborene Karoline B und die am 22. April 1961 geborene Gabriele C der Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 und 4 StGB und der schweren Sachbeschädigung nach § 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB schuldig erkannt, weil sie (inhaltlich des Urteilsspruches) am 1. Juli 1978 in Wien A./ dadurch, daß sie den Erzieherinnen Rosemarie D und Eva E (nach vorheriger Verabredung) auflauerten und der ersteren mit einem Feuerlöschgerät mitten ins Gesicht spritzten, eben diese vorsätzlich am Körper verletzten, was eine Augenentzündung zur Folge hatte; und B./ hiedurch gleichzeitig in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) das Feuerlöschgerät (Marke 'Primus Minimax') unbrauchbar machten, indem sie dessen Inhalt durch Versprühen entleerten, wobei die Sachbeschädigung an einer Sache begangen wurde, die der Verhütung oder Bekämpfung von Katastrophen dient.
Von der weiteren Anklage, durch die zu A./ bezeichneten Handlungen außerdem gemeinsam versucht zu haben, Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, und zwar dem Verwehren der Flucht aus einem Heim zu hindern, und hiedurch (auch) das Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den § 15, 269 Abs 1 StGB begangen zu haben, wurden die drei Angeklagten gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Nach den (hier kurz zusammengefaßt wiedergegebenen) Urteilsfeststellungen waren die drei Angeklagten zuletzt als Zöglinge im Heim der Stadt Wien in der Rochusgasse untergebracht. Sie beschlossen, von dort auszubrechen, und lauerten deshalb nach vorheriger Verabredung am 1.Juli 1978 gegen 20 Uhr auf einem Gang des Heimes, hinter einem Pfeiler versteckt, den Erzieherinnen Rosemarie D und Eva E auf, die sich auf dem Rückweg von einem Stockwerk ins andere befanden, nachdem sie (wegen eines von dort kommenden Lärms) auf der Straße Nachschau gehalten hatten. Als die beiden Beamtinnen an den Mädchen vorbeigingen, spritzte Gabriele C der Erzieherin Rosemarie D den Inhalt eines Feuerlöschgerätes, das die Angeklagten zu diesem Zweck an sich genommen hatten, mitten ins Gesicht; Rosemarie D erlitt hiedurch eine Augenentzündung. Der Tatplan der Angeklagten ging dahin, die Erzieherinnen mittels des Feuerlöschers wehrlos zu machen, ihnen die Schlüssel abzunehmen und dann aus dem Heim zu flüchten. Falls die Attacke mit dem Feuerlöscher für eine überwältigung nicht ausgereicht hätte, sollte die Angeklagte Karoline B die Erzieherinnen mit ihren Holzpantoffeln niederschlagen. Da Rosemarie D und Eva E jedoch sofort nach dem ersten Angriff hilferufend davonliefen (und die Polizei verständigten), konnten die Angeklagten ihr Vorhaben nicht vollenden.
Das auf Grund dieser Feststellungen erflossene, eingangs erwähnte Urteil bekämpft die Staatsanwaltschaft ziffernmäßig unter Anrufung der Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO (der Sache nach) lediglich in seinem freisprechenden Teil.
Rechtliche Beurteilung
Die (sachlich auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte) Nichtigkeitsbeschwerde ist berechtigt.
Das Erstgericht vertritt die Auffassung, es mangle schon an der äußeren Tatseite des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt, weil sich die beiden angegriffenen Beamtinnen zwar im Dienst befunden, aber keine konkrete Amtshandlung vorgenommen hätten und eine solche nach den äußeren Umständen auch nicht unmittelbar bevorgestanden sei. Da der Vorsatz der drei Angeklagten auf die Körperverletzung der im Dienst befindlichen Erzieherinnen gerichtet gewesen sei - die sie allerdings (auch) wehrlos machen und denen sie (zwecks Flucht) die Schlüssel abnehmen wollten - liege darüber hinaus auch die innere Tatseite nicht vor.
Gegen diese Argumentation wendet die Beschwerdeführerin zutreffend ein, daß es zu den charakteristischen Aufgaben von Heimerziehern gehört, die ihnen anvertrauten Zöglinge zu beaufsichtigen und (sofern es sich um geschlossene Anstalten handelt) auch deren allfällige Flucht zu verhindern. Solche Erzieher sind mithin - wovon übrigens auch das Erstgericht im angefochtenen Urteil ausgeht (vgl S 169) - gegenüber den Zöglingen mit Befehls- und Zwangsgewalt ausgestattet.
Diese üben sie aber entgegen der vom Erstgericht zum Ausdruck gebrachten Ansicht während der gesamten Zeit aus, in der sie sich zwecks Beaufsichtigung der Zöglinge im Dienst befinden. Sie nehmen demnach - ähnlich einem Justizwachmann, dem die Bewachung eines Häftlings obliegt (vgl 9 Os 44/78) - durch alle Dienstverrichtungen im Rahmen dieser Beaufsichtigungstätigkeit - also auch durch damit verbundene rein faktische Dienstleistungen, die zwar für sich allein nicht den Schutz des § 269 Abs 1
StGB genießen würden, die sich aber solcherart als ein Teil einer Amtshandlung darstellen (vgl Leukauf-Steininger, Kommentar 1094, 1095; Mayerhofer-Rieder, Das österreichische Strafrecht, Erster Teil, StGB, Anmerkung 2 zu § 269 StGB) - Amtshandlungen vor. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß der festgestellte, von den drei Angeklagten auf die beiden im Rahmen ihres Dienstes gerade auf einem Kontrollgang befindlichen Erzieherinnen unternommene gewaltsame Angriff, der - womit auch den subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 269 Abs 1 StGB entsprochen wäre - die Herbeiführung der Widerstandsunfähigkeit der Beamtinnen, die anschließende Abnahme der Schlüssel und sodann letztlich die Flucht aus dem Heim bezweckte, sehr wohl als tatbildlich im Sinne der § 15, 269 Abs 1 StGB bezeichnet werden müßte, falls die Täterinnen auf Grund einer - wenn auch nur vorläufigen (zB auf § 35 Abs 2 JWG gestützten) - behördlichen Anordnung in dem erwähnten Heim der Stadt Wien angehalten worden sein sollten.
Denn nur in diesem Fall könnte davon gesprochen werden, daß die Beamtinnen - was im Urteil lediglich allgemein angenommen wird (vgl S 169) - auch konkret gegenüber den Angeklagten die Berechtigung besaßen, Befehls- und Zwangsgewalt auszuüben. Zu dieser Frage mangelt es jedoch, worauf die Beschwerdeführerin (gleichfalls) mit Recht hinweist, im angefochtenen Urteil an jeglichen Feststellungen, obgleich - mag dies auch nach Lage des Falles bei den Angeklagten nicht sehr wahrscheinlich sein -
eine Heimunterbringung auch auf freiwilliger Basis Platz greifen kann. In einem so gelagerten Fall wäre allerdings die begonnene Ausführung des als erwiesen angenommenen - jedoch nicht voll verwirklichten - Tatplans der Angeklagten, demzufolge durch Einsatz eines (Schaum-) Feuerlöschgerätes gegen die Erzieherinnen das Geschehenlassen der Wegnahme der (Heim-)Schlüssel erzwungen werden sollte, gemäß § 262, 267 StPO auf ihre Tatbestandsmäßigkeit (auch) nach § 15, 105 StGB zu prüfen gewesen, zumal betäubende oder auf ähnliche Weise die Freiheit der Willensbildung beeinträchtigende Mittel ebenfalls als Gewalt im Sinne des § 105 Abs 1 StGB in Betracht kommen (vgl Kienapfel, Besonderer Teil, I, RN 777, und 785; ÖJZ-LSK 1978/59).
Da mithin eine Entscheidung in der Sache selbst durch den Obersten Gerichtshof noch nicht erfolgen konnte, war in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang mit Rückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht vorzugehen, das zu beachten haben wird, daß durch die teilweise Urteilsaufhebung auch der Beschluß auf Bestellung einer Bewährungshelferin für Gabriele C (ON 42) seine Grundlage verloren hat.
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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