OGH 9Os120/86

OGH9Os120/863.12.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Dezember 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kiss als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Agathe G*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 22.Mai 1986, GZ 12 a Vr 379/86-11, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, der Angeklagten und des Verteidigers Dr. Kosch zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die 28-jährige Postbeamtin Agathe G*** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil sie am 12.Feber 1986

in Theresienfeld als Leiterin des dortigen Postamts mit dem Vorsatz, den Staat zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht hat, daß sie 20.524,90 S aus der Amtskasse entnahm und zur Bezahlung privater Schulden verwendete. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen ist beim Postamt Theresienfeld, als dessen Amtsleiterin die Angeklagte tätig ist, nur eine einzige Amtskasse vorhanden, über welche die Angeklagte den gesamten Geldverkehr dieses Postamts abwickelte, somit sowohl die Einzahlungen für die Postsparkasse als auch die Gebarung mit den Geldern der Wertzeichenkasse, also mit Briefmarken, Gebühren für Telegramme, für Telefongespräche und dergleichen. Aus dieser Kasse, in welcher sich zur Tatzeit "zumindest nicht nur Gelder der Österreichischen Postsparkasse" befanden (S 47), entnahm die Angeklagte am 12.Feber 1986 einen Betrag von 20.524,90 S und verwendete ihn zur Bezahlung privater Schulden, was sie durch manipulierte Eintragungen in den Geschäftsunterlagen zu verschleiern suchte (S 45, 46). Anläßlich einer routinemäßigen internen Kontrolle durch den Erhebungsdienst der Postverwaltung am 14.Feber 1986 wurde die Verfehlung aufgedeckt, worauf die Angeklagte am 17.Feber 1986 den Schaden zur Gänze gutmachte. Die Anzeige seitens der zuständigen Post- und Telegraphendirektion wurde nicht, wie in den Urteilsgründen aktenwidrig dargestellt, noch am 14.Feber 1986 erstattet, sondern erst mit einem am 13.März 1986 bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt eingelangten Schreiben vom 27. Feber 1986 (S 5).

Die Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer "wahlweise" auf die Z 9 lit b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der indes keine Berechtigung zukommt. Mit dem Argument, daß nach ihrer Verantwortung (S 41 oben) - wenngleich vom Erstgericht nicht festgestellt - zur Tatzeit insgesamt 80.000 bis 90.000 S in der Kasse verwahrt wurden, worunter sich nach den Urteilskonstatierungen, wenngleich ohne betragsmäßige Feststellung, teils Gelder der Österreichischen Postsparkasse befunden haben, deren Verwaltung in den privatwirtschaftlichen Tätigkeitsbereich der Post fällt, teils aber auch Gelder, über welche die Post in Erfüllung hoheitsrechtlicher Aufgaben disponiert, wobei jedoch durch die Deponierung aller dieser Bargeldbeträge in einer einzigen Kasse eine Vermengung ununterscheidbarer Sachen im Sinn der §§ 370, 371 ABGB eingetreten sei, vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, daß ihr Mißbrauch der Amtsgewalt deshalb nicht angelastet werden könne, weil nicht feststehe, ob sich unter dem widerrechtlich entnommenen Bargeld überhaupt solches befunden habe, über welches die Post im Rahmen der Hoheitsverwaltung verfügt, oder ob es sich dabei nicht etwa zur Gänze (bloß) um Gelder aus der Besorgung der Geschäfte der Österreichischen Postsparkasse gehandelt habe, zumal sie sich nur einen relativ geringen Teil des Kasseninhalts zugeeignet hat.

Rechtliche Beurteilung

Damit ist sie jedoch nicht im Recht.

Nach den - von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogenen - Feststellungen des Schöffengerichtes wurde über die einzige beim Postamt Theresienfeld vorhandene Amtskasse, aus welcher die Beschwerdeführerin zu privaten Zwecken Geld entnahm, die gesamte Geldgebarung dieses Postamts, dessen Leiterin sie ist, abgewickelt, somit nicht nur das von der Post namens der Österreichischen Postsparkasse getätigte Geldverkehrsgeschäft, sondern auch der Geldverkehr der Post (im Sinn der §§ 13 PostG, 255 ff PostO) einschließlich der Gebarung mit sämtlichen Postgebühren (S 44, 45). In letzterer Beziehung liegt aber, was die Beschwerde selbst einräumt, eine postspezifische, hoheitsrechtliche Tätigkeit vor (vgl ÖJZ-LSK 1981/111; ÖJZ-LSK 1983/113; EvBl 1984/74;

9 Os 193/85 ua), wobei die Beschwerdeführerin insoweit die bezüglichen Gelder nicht bloß zu verwahren, sondern zu verwalten hatte, indem sie entsprechende Verfügungen hierüber treffen mußte. Feststeht weiters, daß sich zur Tatzeit in der Amtskasse des Postamts Theresienfeld nicht nur Gelder befunden haben, die von der Post (lediglich) namens der Postsparkasse verwahrt werden, folglich (wenngleich in nicht festgestellter Höhe) auch solche, über welche die Post postspezifisch hoheitsrechtlich zu verfügen hat (vgl hiezu RZ 1975/56). Nachdem aber durch die Führung einer einzigen Amtskasse für das (an sich) verschiedenen Verwaltungsbereichen zuzuordnende Bargeld eine Vermengung ununterscheidbarer Sachen (§§ 370, 371 ABGB) eingetreten ist (welche in zivilrechtlicher Hinsicht die Eigentumsklage in Ansehung bestimmter Bargeldstücke ausschließt), kann sich - entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin - die Frage nach einer Zuordnung des von der Angeklagten entnommenen Geldbetrages zu einem bestimmten "Teil" des Gesamtinhaltes der Kasse gar nicht stellen; entstand doch durch die Vermenung des nicht näher gekennzeichneten Bargeldes zweierlei Herkunft eine einheitliche, nur mehr wertmäßig bestimmte und bestimmbare Gesamtmenge von Bargeld, von welcher jeder Teil - je nach dem Vermengungsverhältnis größere oder kleinere - Wertanteile beider Mengenbereiche enthält. Da für das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt Wertgrenzen nicht von Belang sind, sich nach den Urteilskonstatierungen zur Tatzeit jedenfalls auch Amtsgelder (im eingangs dargelegten Sinn) befunden haben, hat die Beschwerdeführerin jedenfalls insoweit dieses Verbrechen zu verantworten. Da das Gesetz in bezug auf § 302 Abs. 1 StGB strafaufhebende tätige Reue nicht vorsieht, kommt dem Umstand, daß die Angeklagte (rechtzeitig) den Schaden gutgemacht hat, keine rechtliche Bedeutung zu.

Dem Schuldspruch haftet daher der reklamierte Rechtsirrtum nicht an, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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