OGH 9ObS21/93

OGH9ObS21/9322.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Eberhard Piso und Martin Pohnitzer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr.Franz W*****, Rechtsanwalt *****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Ing.Klaus H*****, Angestellter, ***** wider die beklagte Partei Arbeitsamt Versicherungsdienste Tirol, Innsbruck, Schöpfstraße 5, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen S 1,550.000,- sA und Feststellung (Streitwert S 1,400.000,-), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4.Mai 1993, GZ 5 Rs 23/93-57, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 21.Dezember 1992, GZ 47 Cgs 1019/92t-52, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Im übrigen hat das Berufungsgericht die Frage, ob dem Begehren des Masseverwalters im Konkurs des Dienstnehmers auf Insolvenz-Ausfallgeld für Ansprüche auf weitere Kündigungsentschädigung die Ausschlußbestimmungen des § 1 Abs 6 Z 2 und 3 IESG entgegenstehen, zutreffend bejaht. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers, daß kein Zusammenhang zwischen seinem neuen Dienstvertrag und seiner Organstellung bestehe und daß ihm die Kündigungsentschädigung schon deshalb gebühre, weil sie Zeiten betreffe, in denen der Dienstnehmer nicht mehr Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin gewesen sei, entgegenzuhalten:

Gemäß § 1 Abs 6 Z 2 und 3 IESG haben sowohl Mitglieder des Organs einer juristischen Person, das zur Vertretung der juristischen Person berufen ist, als auch Gesellschafter, denen ein beherrschender Einfluß auf die Gesellschaft zusteht, keinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld. Zu diesem Personenkreis gehören auch die Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH. Während § 1 Abs 6 Z 3 IESG einen beherrschenden Einfluß auf die Gesellschaft voraussetzt, stellt Z 2 leg cit nur auf die Organmitgliedschaft und nicht auf die rechtliche und faktische Einflußmöglichkeit des Organs ab. Mit der pauschalen Herausnahme dieser Gruppe ist klargestellt, daß es dabei auf ihre allfällige Arbeitnehmerschaft nicht ankommt. Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 9935 ausgesprochen hat, ist der pauschale Ausschluß dieser Personengruppe aus dem Anwendungsbereich des IESG sachlich gerechtfertigt. Diese Personen können nämlich auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens typischerweise verstärkt und unmittelbar Einfluß nehmen und sich auch - anders als die gewöhnlichen Arbeitnehmer - rechtzeitig einen umfassenden Einblick in maßgebliche Verhältnisse der Gesellschaft verschaffen. Damit trifft das Organmitglied typischerweise auch eine Verantwortung für die Insolvenz des Unternehmens (vgl. EBzRV 446 BlgNR 15.GP 5 zum damaligen § 1 Abs 5 Z 2 IESG; Schima, Zur Insolvenzentgeltsicherung von Organmitgliederansprüchen, ZAS 1989, 37 ff; 9 Ob S 12/90 - Anrechnung von 20 Jahren Vordienstzeiten und außerordentliche Kündigungsfrist von 24 Monaten; 9 Ob S 1/91; 9 Ob S 16/91 - Anwartschaftzeiten für die Abfertigung; 9 Ob S 22/92 - Anrechnung von Vordienstzeiten in einem anderen Unternehmen, ua).

Bei der Prüfung, in welchem Umfang Insolvenz-Ausfallgeld zu leisten ist, sind aber nicht nur die effektiven Zeiten der Organmitgliedschaft außer Betracht zu lassen, sondern auch jene Ansprüche, die in der Zeit der Organmitgliedschaft erwachsen sind. Darauf, ob der Anspruchswerber im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch vertretungsbefugtes Organ war, kommt es nicht an (vgl Schwarz-Holler-Holzer, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz, 64 f; Holzer in Runggaldier-Steindl, Handbuch zur betrieblichen Altersversorgung 305 f; VwGHSlg 11.602 A - Pension). Gerade wegen der bei einer Gesellschaft mbH relativ einfach zu handhabenden Mißbrauchsmöglichkeiten ist für den Fall, daß ein Organmitglied abberufen und noch für kurze Zeit als Angestellter beschäftigt wird, die insolvenzentgeltsicherungsrechtliche Fortwirkung der Organtätigkeit zu berücksichtigen. Wird ein Organmitglied abberufen, bleibt dessen bisheriger Anstellungsvertrag aber mangels Koppelung mit der Abberufung noch aufrecht, kann nicht von einer relevanten Neubegründung eines Angestelltenverhältnisses mit einer von der bisherigen Tätigkeit abgrenzbaren Arbeitsleistung gesprochen werden (vgl Schima aaO 43 f, FN 60). Diese Erwägungen treffen im vorliegenden Fall zu.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war Ing.Klaus H***** seit der Gründung der nachmaligen Gemeinschuldnerin, der Schizentrum *****

Gesellschaft mbH am 17.3.1983 Gesellschafter mit einer Stammeinlage von 25 %. Da Beschlüsse dieser Gesellschaft in einer Vielzahl von wesentlichen Angelegenheiten der Unternehmensführung vertraglich einer Stimmenmehrheit von 80 % bedurften (vgl Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht 350 ff), kam ihm eine Sperrminorität und sohin ein beherrschender Einfluß im Sinne des § 1 Abs 6 Z 3 IESG zu (SZ 62/182 = ZAS 1991/14 [Rechberger]; EvBl 1992/104). Am 25.4.1984 wurde Ing.H***** zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Mit Dienstvertrag vom 20.3.1986 wurde er überdies als Prokurist und Betriebsleiter angestellt und ihm ein monatliches Nettogehalt von S 35.000,- zugesichert. Dieses Vertragsverhältnis sollte für die Dauer von 10 Jahren unkündbar sein, so daß eine Kündigung frühestens am 1.4.1996 ausgesprochen werden konnte. Nicht einmal drei Monate später, nämlich am 11.6.1986 wurde über das Vermögen des Ing.H***** das Konkursverfahren eröffnet. Mit Schreiben vom 26.8.1986 wurde er entlassen, wobei die Berechtigung der Entlassung bisher ungeprüft geblieben ist. Am 29.10.1986 stellte die Tiroler Gebietskrankenkasse einen Konkursantrag gegen seine ehemalige Dienstgeberin, der am 20.1.1987 mangels Vermögens gemäß § 72 Abs 3 KO abgewiesen wurde.

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers erfolgte die dienstvertragliche Besserstellung des nachmaligen Gemeinschuldners noch zu einer Zeit, als dieser noch Geschäftsführer und Gesellschafter im Sinne des § 1 Abs 6 Z 2 und 3 IESG gewesen ist. Der Gesellschafterbeschluß über seine Abberufung kam nämlich erst am 5.5.1986 zustande (§ 34 GmbHG); der Abtretungsvertrag über seine Stammeinlage wurde ebenfalls erst am 5.5.1986 notariell abgeschlossen (ins Firmenbuch eingetragen am 22.5.1986). Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob der Gemeinschuldner noch als Geschäftsführer der in § 69 Abs 2 und 3 iVm §§ 66 und 67 KO normierten Verpflichtung hätte nachkommen müssen oder ob seine dienstvertragliche Besserstellung und die Vorgänge um seine Abberufung bzw. Abtretung der Stammeinlage anfechtbar wären. Dazu fehlt es an Feststellungen. Wie die Vorinstanzen richtig erkannten, besteht aber ein so enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen der dienstvertraglichen Besserstellung des Gemeinschuldners und der nachfolgenden Insolvenz der Gesellschaft - nach den Feststellungen bestanden 1986 bereits finanzielle Schwierigkeiten -, daß insbesondere die Zusage einer 10-jährigen Unkündbarkeit unter die persönliche Bereichsausnahme des § 1 Abs 6 IESG fällt. Hinsichtlich der erst am 12.10.1988 geltend gemachten Ansprüche auf Zuerkennung eines weiteren Insolvenz-Ausfallsgeldes für Ansprüche auf Kündigungsentschädigung bis 31.3.1996 ist daher eine insolvenzentgeltsicherungsrechtliche Fortwirkung der Gesellschafter- und Organstätigkeit anzunehmen, die eine Zuerkennung der zusätzlichen Kündigungsentschädigung ausschließt. Eine andere Betrachtungsweise würde angesichts der Vielfalt möglicher Vertragsgestaltungen beträchtliche Mißbrauchsmöglichkeiten eröffnen.

Die Kostenentscheidung ist in § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG begründet. Der Revisionswerber machte Gründe, die einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, nicht einmal geltend.

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