OGH 9ObA95/22v

OGH9ObA95/22v28.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende,die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauerund Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin Lotz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Karin Koller (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G* S*, geboren am *, vertreten durch Dr. Günter Schmid, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei S*, ZVR *, vertreten durch Zauner Schachermayr Koller & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen 3.312,24 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 3.035,04 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. Juli 2022, GZ 12 Ra 28/22g‑15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00095.22V.0928.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Ein Vergleich (§ 1380 ABGB) ist die unter beiderseitigem Nachgeben einverständliche neue Festlegung strittiger oder zweifelhafter Rechte (RS0032681). Ein Recht ist dann strittig oder zweifelhaft, wenn die Parteien sich nicht darüber einigen können oder sich nicht im Klaren sind, ob oder in welchem Umfang es entstanden ist oder noch besteht (RS0032654 [T2]). Der Zweck eines Vergleichs liegt vor allem in der Bereinigung einer zweifelhaften Rechtslage und damit in der Vermeidung oder Beilegung von Rechtsstreitigkeiten (9 ObA 87/20i Rz 12). Eine aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffene abschließende Regelung über die gegenseitigen Ansprüche ist dann als Vergleich anzusehen, wenn die Vereinbarung auch zumindest noch ungewisse Rechte umfasste (RS0028337 [T4]).

[2] Die Begründung der angefochtenen Entscheidung entspricht diesen in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen.

[3] Die Klägerin erklärte sich in der Auflösungsvereinbarung zwar einverstanden, dass mit der Dienstfreistellung alle offenen Urlaubsansprüche, Zeitguthaben und sonstigen Freistellungsansprüche, gleichgültig aus welchem Rechtsgrund, abgegolten sein sollten, strittig waren diese Ansprüche zwischen den Parteien aber nicht. Die nunmehr klagsgegenständlichen und der Klägerin auch zugesprochenen Entgeltdifferenzen waren bei Abschluss der Auflösungsvereinbarung kein Thema zwischen den Parteien. Erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfuhr die Klägerin durch Beratung ihrer Interessenvertretung über die Unrichtigkeit der von der Beklagten vorgenommenen Gehaltsabrechnung. Die Argumentation der Beklagten in ihrer außerordentlichen Revision, das Berufungsgericht habe sich mit seiner Entscheidung in Widerspruch zur Judikatur des Obersten Gerichtshofs zum Generalvergleich iSd § 1389 ABGB (RS0032589) gesetzt, begründet daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Die Frage des Verzichts der Klägerin auf die ihr zustehenden Entgeltdifferenzen stellt sich mangels Vorbringens der Beklagten nicht.

[4] 2. Die geltend gemachteMangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[5] Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.

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