Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst wie folgt zu Recht erkannt:
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 47.958,16 brutto samt 8,5 % Zinsen seit 30. 1. 1999 binnen 14 Tagen zu zahlen.
Die beklagte Partei ist ferner schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen folgende Prozesskosten zu ersetzen:
erste Instanz S 23.191,20
(darin enthalten S 3.104,20 Umsatzsteuer
und S 4.566 Barauslagen)
zweite Instanz S 8.566,96
(darin enthalten S 986,16 Umsatzsteuer und
S 2.650 Barauslagen)
dritte Instanz S 4.058,88
(darin enthalten S 676,48 Umsatzsteuer).
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 7. 10. 1991 bis 26. 11. 1992, vom 30. 3. 1993 bis 23. 11. 1993, vom 14. 3. 1994 bis 29. 11. 1995 und vom 13. 2. 1996 bis 21. 12. 1996 bei der V***** Malerei- und Bau GesmbH als Hilfsarbeiter (Hilfsmaler) beschäftigt. Geschäftsführer waren Franz V***** und dessen Bruder, der Beklagte. Entscheidungsbefugt im Innenverhältnis war Franz V*****. Der Beklagte erfüllte für einen Teil der Arbeiter Cheffunktion, indem er in den letzten Jahren Partieführer und -leiter der "Malergruppe" war. Franz V***** war für die Isolierarbeiten zuständig. Beschäftigt waren Maler und Hilfsarbeiter, von denen manche durchgehend ohne Unterbrechungen in der Wintersaison und manche mit Unterbrechungen durch die Wintersaison, allerdings mit der Zusage, im Frühjahr des nächsten Jahres wieder je nach Bedarf beschäftigt zu werden, tätig waren. Bei allen seinen Unterbrechungen wurde zwischen dem Kläger und Franz V***** oder auch mit dem Beklagten vereinbart, dass er im nächsten Frühjahr wieder zu arbeiten beginnen könne, wenn Arbeit für ihn da sei. Es handelte sich immer um eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse des Klägers wegen Arbeitsmangels im Winter, wobei dem Kläger jeweils eine Beschäftigungsbestätigung samt Wiedereinstellungszusage ausgehändigt wurde. Er wurde immer endabgerechnet und erhielt das aliquote Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Eine Abfertigung wurde nicht bezahlt. Ein Dienstzeugnis erhielt er ebenfalls nicht. In der Wintersaison bezog der Kläger Arbeitslosenunterstützung.
Im Winter 1996 wurde der Kläger per 30. 11. 1996 von der GesmbH gekündigt. Franz V***** rechnete damit, dass der Kläger im Frühjahr wieder ein Arbeitsverhältnis mit der GesmbH eingehen würde. Er hätte ein solches auch im Frühjahr 1997 wieder begründen können. Anfang 1997 machte sich der Beklagte selbständig und übernahm am 1. 2. 1997 sieben bei seinem Bruder beschäftigte Maler mit allen Rechten und Pflichten in seinen Betrieb. Der neue Betrieb war nunmehr für die Malerarbeiten zuständig, während die GesmbH weiter die Isolierarbeiten erledigte. Der Kläger war in der Zeit der Firmenneugründung durch den Beklagten nicht in Österreich. Er wurde vom Beklagten nicht übernommen. Im Frühjahr 1997 kam er zum Beklagten und fragte nach Arbeit. Da er noch nicht gebraucht wurde, musste er noch warten. Schließlich wurde der Kläger verständigt, dass er am 10. 3. 1997 beim Beklagten zu arbeiten beginnen könne. Er erhielt bei seiner Einstellung einen Dienstzettel, auf dem als Arbeitgeber der Beklagte aufschien. Beim Beklagten war er bis 29. 1. 1999 durchgehend beschäftigt.
Der Kläger begehrt den im Spruch angeführten, der Höhe nach insgesamt unstrittigen Betrag als Abfertigung in der Höhe von zwei Monatsentgelten für das mit diversen Unterbrechungen bis zum 29. 1. 1999 bestandene Arbeitsverhältnis. Der Malerbetrieb sei aus der GesmbH ausgelagert worden. Durch die Übernahme dieses Betriebsteils durch den Beklagten seien die Vordienstzeiten infolge des Betriebsüberganges und der Anwendbarkeit des AVRAG anzurechnen. Die Zusammenrechnung ergebe sich auch daraus, dass lediglich eine Karenzierung und keine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses vorgelegen sei.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil zur beklagten Partei erst mit 10. 3. 1997 ein neues Arbeitsverhältnis begründet worden sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Die saisonale Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers sei nicht als Karenzierung anzusehen. Mache ein Arbeitnehmer von der ihm durch eine Wiedereinstellungszusage eingeräumten Option auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages nicht Gebrauch, gingen zwar die aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entspringenden Ansprüche nicht verloren (§ 9 Abs 7 AlVG), doch seien nur jene Ansprüche gewahrt, die zur Zeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits bestanden haben. Der Kläger hätte bei seinem bisherigen Arbeitgeber im Frühjahr 1997 wieder zu arbeiten beginnen können, habe jedoch sein Optionsrecht zum Wiederantritt nicht wahrgenommen. Er habe daher sein Arbeitsverhältnis zur GesmbH mit 30. 11. 1996 beendet. Beim Beklagten sei er erstmals am 10. 3. 1997 eingetreten. Die Übernahme anderer Arbeitnehmer durch den Beklagten bei der Betriebsneugründung sei ohne Bedeutung, weil diese schon jahrelang ständig beschäftigt gewesen seien und sich dadurch wesentlich vom Kläger unterschieden hätten. Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Arbeitsrechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Das Berufungsgericht teilte die Meinung des Erstgerichtes, dass saisonale Beendigungen der Arbeitsverhältnisse des Klägers vorgelegen seien. Zur Prüfung eines Abfertigungsansprüches sei zunächst das Vorliegen eines Betriebsüberganges im Sinne des § 3 AVRAG zu untersuchen. Sollte der Beklagte Übernehmer eines Unternehmensteiles der GesmbH sein und sohin ein Betriebsübergang im Sinne des AVRAG vorliegen, dann sei zu prüfen, welche Gründe für die Kündigung des Klägers, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Umgestaltung des Unternehmens liege, maßgeblich waren. Wenn die Beendigung in einem objektiven Zusammenhang aus Anlass des Betriebsübergangs vorgenommen worden sei, sei sie als Umgehungsgeschäft unwirksam und der Beklagte sei in die Rechte und Pflichten des bisher bestandenen Arbeitsverhältnisses eingetreten. Selbst wenn keine Vertragsübernahme vorliege, sei die Haftungsbestimmung des § 6 AVRAG zu beachten, wonach eine Haftung gemäß § 1409 ABGB für den Fall vorliege, als das Arbeitsverhältnis nicht auf den Erwerber übergegangen sei. Solche Arbeitsverhältnisse unterlägen nicht dem Schutzzweck der Betriebsübergangsrichtlinie, sodass lediglich eine Haftung nach § 1409 ABGB in Betracht zu ziehen sei.
Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und dem Antrag, in Stattgebung des Rekurses die erstinstanzliche Entscheidung wieder herzustellen.
Der Kläger stellt den Antrag, den Rekurs der beklagten Partei zurückzuweisen; hilfsweise ihm keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist - wenngleich nicht in dem von der beklagten Partei angestrebten Sinn - berechtigt.
Der Kläger behauptete die Übernahme des ausgelagerten Betriebsteiles Malerei durch den Beklagten samt wesentlicher Teile des dort schon bisher eingesetzten Personals und überdies ausdrücklich eine Betriebsübernahme im Sinne des AVRAG. Damit hat er den gegen den Beklagten geltend gemachten Abfertigungsanspruch hinlänglich deutlich auch auf die Bestimmungen des AVRAG gestützt (SZ 71/100). Ob er dabei bestimmte Gesetzesstellen anführte, ist nicht entscheidend. Die Subsumtion unter eine bestimmte mit einem Betriebsübergang im Zusammenhang stehende Rechtsnorm ist erst im Rahmen der rechtlichen Beurteilung vorzunehmen.
Ein Betriebsteilübergang liegt vor, wenn eine "wirtschaftliche Einheit" ihre Identität bewahrt hat. Dementsprechend kann bereits eine Funktion mit organisatorischer Einheit, also ein organisierter Aufgabenbereich bzw -ausschnitt aus dem Kreis der Tätigkeiten eines Unternehmens taugliches Objekt eines Übergangs sein (vgl Holzer/Reissner, AVRAG 78 ff). Soweit hier der abgegrenzte Betriebsteil "Malerarbeiten" zur Gänze samt dem wesentlichen Teil der dazu gehörigen Maler aus der V***** Malerei- und Bau GesmbH ausgeschieden wurde und in der GesmbH nur mehr Isolierarbeiten verrichtet werden, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass ein Betriebsteilübergang iSd AVRAG an den Bruder des Geschäftsführers erfolgt ist.
Das Berufungsgericht hat im Sinne der ständigen Judikatur die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers durch die GesmbH im Zusammenhang mit der schriftlichen Wiedereinstellungszusage und der Endabrechnung zutreffend als Unterbrechung (= Beendigung) und nicht als bloße Karenzierung des Arbeitsverhältnisses angesehen. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes handelte es sich jeweils um saisonale Beendigungen des Arbeitsverhältnisses wegen Arbeitsmangels. Damit erübrigt sich aber auch jene Überlegung, dass prima facie die zeitliche Nähe der Kündigung zur Umgestaltung des Unternehmens und einem beabsichtigten Betriebsübergang für die Nichtigkeit der Kündigung spricht (RIS-Justiz RS0108456; SZ 70/171). Die Unwirksamkeit einer Kündigung im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang ergibt sich nämlich nur dann, wenn damit die zwingenden Bestimmungen des AVRAG unterlaufen werden sollen; das heißt, die Kündigung nur wegen des Betriebsüberganges erfolgt. Bei Kündigungen, die betriebsbedingt oder verhaltensbedingt sind, bildet hingegen ein Betriebsübergang nicht das ausschlaggebende Motiv, sodass sie nicht nichtig sind (DRdA 1998/39 [Reissner]; ecolex 1999, 188). Im vorliegenden Fall scheidet schon nach der bisherigen Praxis und den entsprechenden Feststellungen eine durch den Betriebsteilübergang motivierte Kündigung aus. Derartiges wurde vom Kläger auch gar nicht behauptet.
Es ist daher zu prüfen, inwieweit die Wiedereinstellungszusage vor dem outsourcing als einseitige Verpflichtung des Arbeitgebers iSd §§ 3 ff AVRAG auf den Beklagten übergegangen ist. Dabei ist davon auszugehen, dass der Beklagte, der schon bisher und vorher "Cheffunktion" hinsichtlich der Maler innehatte, die bisherige Unterbrechungspraxis mit Wiedereinstellungsvereinbarung bzw -zusage kannte, zumal er nach den Feststellungen selbst solche Vereinbarungen mit dem Kläger und anderen Arbeitnehmern getroffen hatte. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass sich der Kläger nach der saisonalen Unterbrechung ausschließlich an den Beklagten zu wenden hatte - er wurde verständigt, dass er am 10. 3. 1997 beim Beklagten mit der Arbeit beginnen könne (S 143) - , um wie zuvor wieder weiterarbeiten zu können. Die Zugehörigkeit des Klägers zum ausgelagerten Malerbetrieb ist somit offensichtlich.
Festzuhalten ist, dass es hier nicht um eine Frage der üblichen Haftung für "Altschulden" aus nicht übergegangenen Arbeitsverhältnissen geht, sondern darum, inwieweit der Beklagte als Betriebsübernehmer verpflichtet war, die abgegebene Wiedereinstellungszusage zuzuhalten. Gemäß § 6 Abs 1 AVRAG haften für Verpflichtungen aus einem Arbeitsverhältnis zum Veräußerer, die vor dem Zeitpunkt des Überganges begründet wurden, der Veräußerer und der Erwerber zur ungeteilten Hand. Der Begriff "Verpflichtungen aus einem Arbeitsverhältnis" umfasst schon nach seinem Wortlaut nicht nur Geldansprüche (vgl Holzer/Reissner aaO 160). Geht man aber davon aus, dass der Beklagte an die - ihm überdies bekannte - Wiedereinstellungszusage gebunden war, stellt sich die Wiedereinstellung des Klägers durch den Beklagten insoferne lediglich als Verwirklichung der weiter verbindlichen Zusage und als Weiterbeschäftigung durch einen im Rechtssinn identen Arbeitgeber dar.
Der Einwand des Beklagten, er habe mit dem Kläger doch ein "neues Arbeitsverhältnis" begründet, übersieht, dass nach jeder Unterbrechung mit Wiedereinstellungsvereinbarung oder -zusage ein "neues Arbeitsverhältnis" begründet werden muss, was aber an der Identität des Arbeitgebers und dem Entstehen dienstzeitabhängiger Ansprüche nichts ändert. Daraus folgt, dass alle vom Kläger bei der GesmbH und beim Beklagten zurückgelegten Arbeitszeiten als Einheit anzusehen sind, sodass sein der Höhe nach nicht bestrittener (S. 33) Anspruch auf Abfertigung gegen den Beklagten zu Recht besteht.
Der Oberste Gerichtshof kann daher gemäß dem auch in Arbeitsrechtssachen anwendbaren § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO über einen Rekurs gegen einen Beschluss des Berufungsgerichtes nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO durch Urteil in der Sache selbst erkennen, wenn die Sache zur Entscheidung reif ist, wobei diese Entscheidung auch zum Nachteil des Rekurswerbers ausfallen kann (9 ObA 160/99s mwN).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Was die mit Beschluss des Erstgerichtes vom 25. 8. 1999 bestimmten Kosten des Gerichtsdolmetsch von S 4.250 betrifft, konnte dem Antrag der klagenden Partei auf Kostenersatz nicht entsprochen werden, weil dieser Beschluss mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 11. 1. 2000 (15 Ra 128/99g-26) ersatzlos aufgehoben wurde. Ein neuerlicher Antrag auf Ergänzung der Kostenentscheidung aufgrund des Beschlusses vom 19. 1. 2000 (ON 28) liegt nicht vor.
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