OGH 9ObA86/21v

OGH9ObA86/21v2.9.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und Hon.‑Prof. Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Klaus Oblasser (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Harald Kohlruss (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J***** E*****, vertreten durch Dr. Martin Wuelz, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Herbert L. Partl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung des aufrechten Bestands eines Dienstverhältnisses (Revisionsinteresse), in eventu Aufhebung einer Kündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Juni 2021, GZ 13 Ra 20/21w‑36, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:009OBA00086.21V.0902.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Zwischen der gemäß § 105 Abs 1 ArbVG erforderlichen Verständigung des Betriebsrats durch den Betriebsinhaber einerseits und der Kündigungserklärung andererseits muss ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang bestehen. Ein solcher Zusammenhang wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn es sich um einen einzigen Kündigungsfall handelt und wenn die Kündigung zum ehest zulässigen Termin oder innerhalb einer Frist von wenigen Wochen ausgesprochen wird (RS0051425, zuletzt 9 ObA 30/18d). Es entspricht auch der Rechtsprechung, dass der Fall, dass eine Kündigung wegen Rechtsunwirksamkeit der ersten Kündigung wiederholt wird, als typischer Fall für so einen Zusammenhang anzusehen ist und dass eine „unwirksame Kündigung nicht die Verständigung konsumiert“ (8 ObA 233/01z mwN). Ob zwischen einer bestimmten Verständigung von einer beabsichtigten Maßnahme und einer in der Folge konkret getroffenen Maßnahme ein Zusammenhang besteht, ob sich also eine bestimmte Verständigung tatsächlich auf eine bestimmte Maßnahme bezogen hat, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (RS0051425 [T11]). Ein solcher Zusammenhang wurde hier vom Berufungsgericht vertretbar bejaht:

[2] Der Betriebsratsvorsitzende erteilte am 17. 6. 2019 die Zustimmung zur Kündigung der Klägerin. Am 27. 6. 2019 sprach die Geschäftsleitung der Beklagten die Kündigung der Klägerin per 15. 8. 2019 aus. Diese erklärte, am 24. 6. 2019 einen Spontan‑Abortus erlitten zu haben und legte in der Folge ein ärztliches Attest vor. Am 28. 6. 2019 teilte die Geschäftsleitung dem Betriebsratsvorsitzenden mit, dass die Kündigung nicht wirksam geworden sei und nach Ablauf der Frist wiederum ausgesprochen werde. Gegenüber der Klägerin gab die Geschäftsleitung schriftlich die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung bekannt und ließ sich dies am 3. 7. 2019 von ihr bestätigen. Mit Schreiben vom 24. 7. 2019 sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin die Kündigung per 15. 9. 2019 aus. Zu dieser holte sie keine neue Erklärung vom Betriebsrat ein.

[3] In ihrer außerordentlichen Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass durch die zwischen der Beklagten und ihr geschlossene Aufhebungsvereinbarung über die erste Kündigung auch die Zustimmung des Betriebsrats ihre Wirksamkeit verloren habe. Ungeachtet dessen, dass eine unwirksame Kündigung (§ 10 Abs 1a MSchG) nicht aufzuheben ist, bietet der Sachverhalt für die Annahme einer solchen „Vereinbarung“ über eine einvernehmliche „Rücknahme der Kündigung“ mit der von der Klägerin favorisierten Reichweite keine Anhaltspunkte, hatte die Beklagte doch nur – von der Klägerin bestätigt – mitgeteilt, dass die Kündigung unwirksam war. Von etwas anderem konnte auch der Betriebsratsvorsitzende nicht ausgehen. Eine Durchbrechung des sachlichen oder zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Verständigung des Betriebsrats und der nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist neuerlich ausgesprochenen Kündigung ist hier daraus nicht abzuleiten.

[4] Die außerordentliche Revision der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

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