European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00082.18A.0927.000
Spruch:
Die Revision wegen Nichtigkeit wird verworfen.
Im Übrigen wird der Revision Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen, die im Umfang der teilweisen (unbekämpften) Abweisung des Klagebegehrens unberührt bleiben, werden im Übrigen aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Klägerin ist seit 12. 5. 2014 bei der Beklagten als Grafikerin beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis ist der Kollektivvertrag für die Angestellten im Metallgewerbe anzuwenden (kurz: KollV). Seit Beginn des Dienstverhältnisses ist die Klägerin in die Verwendungsgruppe III, ursprünglich nach 12 Verwendungs-gruppenjahren, zuletzt nach 15 Verwendungsgruppenjahren, eingestuft.
Die Klägerin weist zusammengefasst folgenden Ausbildungs- und Berufsverlauf auf:
1994 legte die Klägerin die Abschlussprüfung der Fachschule für Grafik & Design der HTL in Linz ab, 1997 die Reife- und Diplomprüfung der genannten HTL – Aufbaulehrgang für Grafik-Design.
In ihrem ersten Dienstverhältnis von 1. 8. 1998 bis 31. 3. 1999 war die Klägerin als Grafikerin allein für das Layout, also Scans und den Umbruch sowie das Layout sämtlicher im Verlag ihrer Dienstgeberin publizierten Zeitungstitel zuständig.
Ab April 1999 war die Klägerin für etwa ein Jahr bei einer Marketing-Werbeagentur völlig selbstständig als Werbegrafikerin im Online- und Printbereich tätig.
Von April 2000 bis Juni 2009 arbeitete die Klägerin wiederum als Werbegrafikerin bei einer Werbeagentur. Ihr Tätigkeitsbereich umfasste den Kundenkontakt, den Entwurf und die Reinausführung von unterschiedlichen Projekten wie Flugblätter, Plakate, Prospekte, Inserate, Broschüren, Zeitschriften, Verpackungen und das Screen-Design von Websites, hauptsächlich für den Lebensmittelhandel. Die Klägerin arbeitete am Computer mit Office Programmen sowie mit Grafikprogrammen, deren (ausgezeichnete) Kenntnis sie im Laufe der Zeit erwarb. Die Klägerin trat mit Kunden in Kontakt, um deren Wünsche zu erheben, erarbeitete Entwürfe, übermittelte diese an den Kunden und passte sie entsprechend den Kundenwünschen an. Zum Teil überarbeitete sie für neue Produkte, wie etwa Verpackungen oder Inserate sowie Zeitschriften oder Plakate bereits bestehende grafische Arbeiten, zum Teil stellte sie vollständig neue grafische Werke her. Auch in diesem Dienstverhältnis war die Klägerin völlig selbständig tätig. Nur gelegentlich fanden Kontrollen durch Vorgesetzte der Klägerin statt. Die Klägerin hatte im Rahmen ihrer (kreativen) Tätigkeit aber keinen unmittelbaren vorgesetzten Grafiker. Verträge mit Kunden schloss die Klägerin nicht ab; die Kunden hatten bereits entsprechende Rahmenverträge mit ihrem Dienstgeber.
Ab September 2009 war die Klägerin für etwa zwei Monate wiederum in einer Marketing- und Werbeagentur als Werbegrafikerin beschäftigt. Die Klägerin arbeitete als einzige Grafikerin ebenso selbstständig wie in den bisher beschriebenen Dienstverhältnissen.
Von November 2009 bis Dezember 2010 war die Klägerin als Werbegrafikerin einer Werbeagentur für die Gestaltung und Umsetzung sämtlicher Drucksorten für Lebensmittelmärkte sowie für Eigenflugblätter selbständiger Kaufleute zuständig und unterstützte Kollegen, die in anderen Bereichen für andere Lebensmittelmärkte tätig waren. Auch hier arbeitete die Klägerin selbstständig, bekam keine allgemeinen Weisungen oder Richtlinien vorgegeben, sondern stimmte ihre Arbeit mit den Kundenwünschen ab und unterlag nur gelegentlichen Kontrollen durch übergeordnete Mitarbeiter. Bei der grafischen kreativen Gestaltung hatte die Klägerin jedoch, wie auch bei allen ihren bisherigen Dienstverhältnissen, freie Hand.
Von Februar 2011 bis April 2012 war die Klägerin in einem Handelsunternehmen als Assistentin der Marketingabteilung beschäftigt. Ihr Aufgabenbereich umfasste die Bereiche Wartung und Pflege des Internetauftritts des Unternehmens, die Organisation und die Abwicklung der viermal jährlich erscheinenden Kundenzeitung (grafische Gestaltung und Akquierierung von Inseraten), die Gestaltung sämtlicher Drucksorten, wie Verkaufsunterlagen (Aktionen, Kataloge, Broschüren), Veranstaltungseinladungen, Geschäftsberichte, Leitbilder, ferner die Organisation und die Abwicklung des Bildungsforums dieses Unternehmens, die Erstellung von PR‑Beiträgen, die individuelle grafische Gestaltung von Werbemitteln für Kunden, die Mitgestaltung von Messen und Veranstaltungen sowie die Zuarbeit in Form von Statistiken und Präsentationen für Geschäftsführer und Vertriebsleiter. Auch hier arbeitete die Klägerin selbstständig, es gab keinen der Klägerin vorgesetzten Grafiker.
Vom 1. 10. 2012 bis 31. 3. 2014 war die Klägerin in einem Sozialunternehmen als Werbegrafikerin, Designerin und Reinzeichnerin beschäftigt. Ihr Aufgabenbereich umfasste die Unterstützung und Zusammenarbeit mit der Artdirektion, die eigenständige Layout-Adaption, die eigenständige Reinzeichnung von Dokumenten sowie die eigenverantwortliche Herstellung der Druckvorstufe. Wie bei den anderen Dienstverhältnissen verrichtete die Klägerin auch hier ihre Aufgaben selbständig, ohne generelle Weisungen und Richtlinien. Allerdings fand hier eine Kontrolle der Tätigkeit der Klägerin durch die „Artdirektion“ statt.
Die Klägerin hatte in keinem Dienstverhältnis Mitarbeiter zu führen, zu unterweisen oder zu beaufsichtigen. Ihre jeweiligen Aufgaben konnte sie mit ihren schulischen Kenntnissen nach einer gewissen Anlernzeit ausüben.
Im Zuge ihrer schriftlichen Bewerbung legte sie der Beklagten alle relevanten Dienstzeugnisse über die oben genannten Dienstverhältnisse vor. Im Vorstellungsgespräch wurden mit der Beklagten ihre bisherigen Arbeitstätigkeiten nur in groben Zügen besprochen. Über die allfällige Einstufung der Klägerin bei der Beklagten wurde nicht gesprochen. Die Klägerin hätte auch gar nicht angeben können, wie sie bisher eingestuft gewesen war, weil zum damaligen Zeitpunkt für Werbeagenturen kein gültiger Kollektivvertrag bestand. Im schriftlichen Dienstvertrag wurde das Bruttomonatsgehalt mit 2.700 EUR, 14 x jährlich sowie die Einstufung in der Verwendungsgruppe III nach 12 Verwendungsgruppenjahren des hier anzuwendenden Kollektivvertrags festgelegt.
Die Klägerin begehrt mit ihrer vorliegenden Klage 9.054,58 EUR brutto sA an Differenz zwischen dem von ihr in der Zeit von 1. 7. 2016 bis 30. 9. 2017 bezogenen und dem ihr nach der Verwendungsgruppe IV des KollV nach 12, bzw ab Mai 2017 nach 15 Verwendungsgruppenjahren tatsächlich zustehenden Entgelt. Sie habe bei der Beklagten schwierige Arbeiten selbständig ausgeführt, wozu besondere Fachkenntnisse und praktische Erfahrungen erforderlich gewesen seien. Da sie vor Beginn ihres Dienstverhältnisses bei der Beklagten bereits mehr als 12 Jahre als Grafikerin einschlägige Tätigkeiten im Sinne der Verwendungsgruppe IV des KollV ausgeübt habe, seien gemäß § 17 Abs 8 KollV ihre Vordienstzeiten im Höchstausmaß von 12 Jahren als Verwendungsgruppenjahre anzurechnen. Ihre Vertretung habe ihre Ansprüche Ende 2016 schriftlich gegenüber der Beklagten geltend gemacht.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte Klagsabweisung. Die erfolgte Einstufung der Klägerin in die Verwendungsgruppe III des KollV entspreche ihrer tatsächlich ausgeübten Tätigkeit. Diese Einstufung habe die Klägerin durch Unterfertigung des Dienstvertrags auch anerkannt. Da die Klägerin ihre Forderungen erstmals am 26. 7. 2017 schriftlich geltend gemacht habe, seien Ansprüche der Klägerin vor Jänner 2017 nach § 20 Z 1 KollV verfallen. Hinsichtlich der Vordienstzeiten treffe die Klägerin die Beweislast.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Da das Mindestgrundgehalt in der Verwendungsgruppe IV des KollV nach 4 Verwendungs-gruppenjahren (die Klägerin sei im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung bei der Beklagten etwas weniger als 4 Jahre beschäftigt gewesen) sowohl 2016 als auch 2017 noch unter dem tatsächlich von der Klägerin bezogenen Gehalt gelegen sei, könne ein Klagszuspruch nur dann erfolgen, wenn die Klägerin bei der Beklagten in der Verwendungsgruppe IV des KollV einzustufen sei und zudem mindestens 8 Verwendungsgruppenjahre aus früheren Dienstverhältnissen der Klägerin anzurechnen seien. Aus prozessökonomischen Überlegungen werde daher zunächst geprüft, ob entsprechende Vordienstzeiten der Klägerin anzurechnen seien. Diese Frage sei aber zu verneinen. Die Klägerin habe zwar im Rahmen ihrer früheren Dienstverhältnisse Tätigkeiten verrichtet, die eine Einstufung in die Verwendungsgruppe IV des KollV rechtfertigen würden, sie habe aber diese Zeiten entgegen § 17 Abs 8 KollV der Beklagten bei Beginn ihrer Beschäftigung nicht (ausreichend) bekanntgegeben, insbesondere nicht, dass ihre Vordienstzeiten bei früheren Dienstgebern entsprechend der Verwendungsgruppe IV zu bewerten seien.
Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin teilweise Folge und dem Klagebegehren mit 5.821,92 EUR brutto samt 8,58 % Zinsen seit 1. 10. 2017 statt. Das Mehrbegehren von 3.232,66 EUR brutto (ohne Zinsen) wies es ab. Der Kollektivvertrag für die Angestellten im Metallgewerbe verlange für die Anrechnung von Vordienstzeiten vom Dienstnehmer nicht, eine Einstufung seiner Tätigkeiten bei den Vordienstgebern nach dem Verwendungsgruppenschema vorzunehmen. Die Klägerin habe durch ihre Angaben zu den Vordienstzeiten und die Vorlage der Dienstzeugnisse den Anrechnungs- und Einstufungserfordernissen des KollV ausreichend Rechnung getragen. Die Vordienstzeiten der Klägerin seien einschlägige Tätigkeiten der Verwendungsgruppe IV des KollV, weil es sich um schwierige Arbeiten gehandelt habe, die die Klägerin selbständig ausgeführt habe und für die entsprechend qualifizierte Vorkenntnisse erforderlich gewesen seien. Da sowohl die Vordiensttätigkeiten der Klägerin als auch ihre nunmehrige Tätigkeit die Tätigkeitsmerkmale der Verwendungsgruppe IV des KollV aufwiesen, wäre die Klägerin von der Beklagten richtig in die Verwendungsgruppe IV des KollV einzustufen gewesen. Da die Klägerin ihre Ansprüche jedoch erstmals schriftlich am 26. 7. 2017 gegenüber der Beklagten geltend gemacht habe, seien Ansprüche, die sich auf die Zeit vor dem 1. 1. 2017 beziehen, gemäß § 20 Abs 1 KollV verfallen. Die Klägerin habe daher aufgrund der unrichtigen Einstufung in die Verwendungsgruppe III statt Verwendungsgruppe IV Anspruch auf die der Höhe nach unstrittige Gehaltsdifferenz von 5.821,92 EUR.
Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil Fragen, die über den Einzelfall hinausgingen, nicht zu beantworten gewesen seien.
Gegen den klagsstattgebenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Berufungsurteil im Umfang des Klagszuspruchs als nichtig aufzuheben, in eventu dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt und die Zurückverweisung der Rechtssache im angefochtenen Umfang an das Berufungsgericht, in eventu an das Erstgericht, begehrt.
Mit ihrer – vom Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben; in eventu sei mit Aufhebung und Zurückverweisung an das Erstgericht vorzugehen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist entgegen dem– den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil die Entscheidungen der Vorinstanzen ergänzungsbedürftig sind. Die Revision ist dementsprechend im Sinn des subsidiär gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
I. Der von der Beklagten geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt nur dann vor, wenn die Fassung des angefochtenen Urteils so mangelhaft ist, dass dessen Überprüfung nicht vorgenommen werden kann oder das Urteil mit sich selbst im Widerspruch steht oder für die Entscheidung überhaupt keine Gründe angegeben sind (RIS‑Justiz RS0042133 [T12]). Dies ist hier nicht der Fall. Der Revisionswerberin ist aber dahin zuzustimmen, dass das Berufungsgericht ohne (ausreichende) Sachverhaltsgrundlage in seiner rechtlichen Beurteilung davon ausgegangen ist, dass (auch) die nunmehrige Tätigkeit der Klägerin bei der Beklagten der Verwendungsgruppe IV des KollV zuzuordnen wäre. Aus diesem Grund ist letztlich, wie in Punkt 6. dargelegt, mit einer teilweisen Aufhebung der Vorentscheidungen vorzugehen.
II.1. Der Kollektivvertrag für die Angestellten im Metallgewerbe beschreibt die Tätigkeitsmerkmale der Verwendungsgruppen I bis VI im Wesentlichen wie folgt:
Verwendungsgruppe I: Angestellte, die schematische oder mechanische Arbeiten verrichten, die als einfache Hilfsarbeiten zu werten sind.
Verwendungsgruppe II: Angestellte, die einfache, nicht schematische oder mechanische Arbeiten nach gegebenen Richtlinien und genauer Arbeitsanweisung verrichten, für die in der Regel eine kurze Einarbeitungszeit erforderlich ist. Auch während der Einarbeitungszeit ist die Einreihung in die vorstehende Gruppe durchzuführen.
Verwendungsgruppe III: Angestellte, die nach allgemeinen Richtlinien und Weisungen technische oder kaufmännische Arbeiten im Rahmen des ihnen erteilten Auftrags selbstständig erledigen.
Verwendungsgruppe IV: Angestellte, die schwierige Arbeiten verantwortlich selbstständig ausführen, wozu besondere Fachkenntnisse und praktische Erfahrungen erforderlich sind. Ferner Angestellte, die regelmäßig und dauernd mit der Führung, Unterweisung und Beaufsichtigung von Angestelltengruppen (zwei bis fünf Angestellte, worunter sich Angestellte der Verwendungsgruppe III befinden müssen) beauftragt sind. Angestellte, die als Meister beschäftigt werden und überwiegend mit der selbständigen Führung, Unterweisung und Beaufsichtigung von Arbeitergruppen (zwei oder mehr Arbeiter) beauftragt sind und die die Voraussetzungen der Einstufung in die Meistergruppe nicht erfüllen.
Verwendungsgruppe V: Angestellte, die Arbeiten erledigen, die besonders verantwortungsvoll sind, selbstständig ausgeführt werden müssen, wozu umfangreiche überdurchschnittliche Berufskenntnisse und mehrjährige praktische Erfahrungen erforderlich sind. Ferner Angestellte, die regelmäßig und dauernd mit der verantwortlichen Führung, Unterweisung und Beaufsichtigung von größeren Angestelltengruppen (über fünf Angestellte, von denen entweder einer der Verwendungsgruppe IV oder mehrere der Verwendungsgruppe III angehören müssen) beauftragt sind.
Verwendungsgruppe VI: Angestellte mit umfassenden Kenntnissen und Erfahrungen in leitenden, das Unternehmen in ihrem Wirkungsbereich entscheidend beeinflussenden Stellungen. Ferner Angestellte mit verantwortungsreicher und schöpferischer Arbeit.
2. Technische Angestellte der Verwendungs-gruppe III sind nach dem KollV beispielsweise Techniker mit besonderen Fachkenntnissen während der branchenspezifischen Einarbeitungszeit, technische Zeichner (CAD) im Sinne obiger Tätigkeitsmerkmale sowie Techniker im Sinne obiger Tätigkeitsmerkmale.
Hingegen sind technische Angestellte der Verwendungsgruppe IV nach dem KollV beispielsweise Konstrukteure mit CAD, Techniker im Sinne obiger Tätigkeitsmerkmale, technische Einkäufer, selbstständige Arbeitsvorbereiter, selbständige Ablauf-(Termin-)Planer, selbständige Materialprüfer mit einschlägigen besonderen Fachkenntnissen und praktischer Erfahrung, selbständige Vor- und Nachkalkulanten, Entwicklungstechniker sowie Sicherheitsfachkräfte.
3. Die bei den Verwendungsgruppen angeführten Tätigkeitsbezeichnungen gelten nur als Beispiel für gleichwertige Tätigkeiten (§ 17 Abs 1 1. HS KollV). Alle Angestellten werden nach der Art ihrer vorwiegend ausgeübten Tätigkeit in die Verwendungsgruppen I bis VI eingereiht (§ 17 Abs 3 Satz 1 KollV). Die Einreihung in die Verwendungsgruppen wird von der Firmenleitung vorgenommen. Falls in dem betreffenden Betrieb ein Angestellter als Betriebsrat gewählt erscheint, ist die Einreihung unter seiner Mitwirkung vorzunehmen. Die Einreihung in die Verwendungsgruppen, die Anzahl der angerechneten Verwendungsgruppenjahre und die Höhe des Gehalts sowie alle weiterhin eintretenden Veränderungen sind dem Angestellten mittels Dienstzettel bekannt zu geben (§ 17 Abs 4 KollV). Innerhalb einer Verwendungsgruppe ist das dem Angestellten gebührende monatliche Mindestgrundgehalt durch die Zahl der anrechenbaren Verwendungsgruppenjahre bestimmt. Als Verwendungsgruppenjahre gelten jene Zeiten, die ein Dienstnehmer in einer bestimmten Verwendungsgruppe bzw vor Wirksamkeitsbeginn dieses Kollektivvertrags mit der einer bestimmten Verwendungsgruppe entsprechenden Tätigkeit als Angestellter verbracht hat. Für die Anrechnung von Verwendungsgruppenjahren ist es ohne Bedeutung, ob diese bei einem oder verschiedenen Dienstgebern verbracht wurden. Verwendungsgruppenjahre, die ein Angestellter aus früheren Dienstverhältnissen bei anderen Dienstgebern nachweist, werden jedoch bei der Einreihung in eine bestimmte Verwendungsgruppe nur im Höchstausmaß von 12 Verwendungsgruppenjahren angerechnet. Voraussetzung für die Anrechnung ist jedoch, dass der Angestellte diese Zeiten der Firmenleitung schon beim Eintritt bekannt gibt und tunlichst sofort, spätestens aber innerhalb von 2 Monaten, durch entsprechende Zeugnisse oder sonstige Arbeitspapiere nachweist. Die fristgerechte Vorlage der Zeugnisse ist dem Angestellten auf dem in Abs 4 vorgesehenen Dienstzettel zu bescheinigen. Wird ein solcher nicht ausgestellt, so tritt die Präklusivfrist nicht ein (§ 17 Abs 8 KollV).
2.1. Die Pflicht des Arbeitnehmers zur Bekanntgabe (allenfalls) anrechenbarer Vordienstzeiten ist ihrem Wesen nach eine im Kollektivvertrag positivierte vorvertragliche Aufklärungspflicht, die aus der Rücksichtnahme auf die Interessen des potentiellen Vertragspartners entspringt (RIS‑Justiz RS0065016). Dieser Pflicht ist die Klägerin dadurch nachgekommen, dass sie bereits im Zuge ihrer schriftlichen Bewerbung der Beklagten alle relevanten Dienstzeugnisse über ihre Dienstverhältnisse bei anderen Dienstgebern vorgelegt und im Vorstellungsgespräch mit der Beklagten ihre bisherigen Arbeitstätigkeiten in groben Zügen auch besprochen hat. Da die Beklagte in der Folge mit der Klägerin einen Dienstvertrag abschloss, ohne darauf hinzuweisen, dass die Anrechnung der im Bewerbungsschreiben beziehungsweise beim Vorstellungsgespräch erwähnten Vordienstzeiten noch eines zusätzlichen Nachweises durch entsprechende Zeugnisse oder Arbeitspapiere bedürfte, durfte die Klägerin davon ausgehen, dass ihre Vordienstzeiten bei der von der Beklagten vorzunehmenden Einstufung auch entsprechend berücksichtigt werden (RIS‑Justiz RS0065016 [T7, T8]). Die Verletzung dieser Aufklärungs- bzw Fürsorgepflicht durch die Beklagte führt zum Nichteintritt der in § 17 Abs 8 KollV normierten Präklusivfrist (vgl RIS‑Justiz RS0065016 [T6]). Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten setzt die Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der vom Dienstgeber vorzunehmenden Einstufung nach dem hier anzuwendenden KollV nicht voraus, dass der Dienstnehmer vom Dienstgeber die Anrechnung seiner Vordienstzeiten bei der Begründung des Dienstverhältnisses ausdrücklich verlangt.
2.2. Das Argument der Beklagten, die Klägerin habe ihre Einstufung in die Verwendungsgruppe III des KollV durch Unterfertigung des schriftlichen Dienstvertrags anerkannt, scheitert schon am zwingenden Charakter der Einstufungsvorschriften des Kollektivvertrags (§ 3 ArbVG; 9 ObA 3/11y; RIS‑Justiz RS0034061).
3. Der in der Revision erhobene Einwand, jegliche Ansprüche der Klägerin aus einem allfälligen Einstufungsfehler der Beklagten seien zur Gänze nach § 20 Abs 1 KollV verfallen bzw verjährt, weil schon der „Anspruch auf Berichtigung der Einstufung“ verjährt sei, verstößt gegen das Neuerungsverbot des § 504 ZPO. Auf diesen Einwand ist daher nicht weiter einzugehen.
4. Zwischen den Parteien ist nicht weiter strittig, dass ein Klagszuspruch nur dann erfolgen kann, wenn die Klägerin bei der Beklagten in der Verwendungsgruppe IV des KollV einzustufen ist und zudem mindestens 8 Verwendungsgruppenjahre aus früheren Dienstverhältnissen der Klägerin anzurechnen sind.
5.1. Die früheren Tätigkeiten der Klägerin unterfallen nur dann der Verwendungsgruppe IV des KollV, wenn die Klägerin – im Unterschied zur Verwendungsgruppe III – schwierige Arbeiten verantwortlich selbständig ausgeführt hat, wozu besondere Fachkenntnisse und praktische Erfahrungen erforderlich waren. Die Schwierigkeit der hier vorzunehmenden Einstufung der Klägerin liegt vor allem darin, dass die von der Klägerin in ihren früheren Dienstverhältnissen ausgeübte Tätigkeit als (Werbe‑)Grafikerin dem gegenständlichen Kollektivvertrag für die Angestellten im Metallgewerbe grundsätzlich fremd ist.
5.2. Richtig ist zwar, dass nicht jede kreative Tätigkeit schwierig sein muss. Wesentlich ist hier aber, dass die Klägerin nicht nur bereits bestehende grafische Arbeiten den jeweiligen Anforderungen angepasst, sondern (zumindest zum Teil) vollständig neue grafische Werke hergestellt hat. Dass diese Tätigkeit als schwierige Arbeit iSd KollV anzusehen ist, wird auch selbst von der Revisionswerberin nicht stichhaltig in Zweifel gezogen. Nur weil die Beherrschung bestimmter Arbeiten im Regelfall von einem Grafiker erwartet werden kann, bedeutet dies noch nicht, dass diese Arbeiten nicht als schwierig angesehen werden können.
Die Klägerin hatte bei ihrer kreativen Tätigkeit im Wesentlichen freie Hand und übte sie auch völlig selbständig aus. Da die Klägerin in ihrer Arbeit keinen unmittelbar vorgesetzten Grafiker hatte, trug sie auch selbst die Verantwortung dafür. Sie hat ihre Tätigkeit gerade nicht bloß nach allgemeinen Richtlinien und Weisungen (Verwendungsgruppe III KollV) verrichtet. Gelegentliche Kontrollen durch Vorgesetzte sprechen nicht gegen eine (eigen‑)verantwortliche Tätigkeit.
5.3. Die Klägerin hat durch ihre mehrere Jahre dauernde Ausbildung und ihren facheinschlägigen Berufsabschluss zweifellos auch besondere Fachkenntnisse und praktische Erfahrungen erworben, die sie dazu befähigten, bereits zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn völlig selbständig als Grafikerin zu arbeiten. Eine gewisse Anlernzeit ist jedem neuen Dienstverhältnis immanent.
5.4. Auch ein „Blick über den Kollektivertrags-Rand“ (vgl 9 ObA 81/13x; RIS‑Justiz RS0008828 [T41]) bestätigt die Richtigkeit dieser Einstufung. Nach dem– fachspezifischen – Kollektivvertrag für Angestellte in Betrieben der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation Wien sind Werbegrafiker beispielsweise als technische Angestellte der Verwendungsgruppe IV genannt, die die Tätigkeitsmerkmale wortgleich mit jener der Verwendungsgruppe IV des Kollektivvertrags für die Angestellten im Metallgewerbe beschreibt. Das unterschiedliche Gehaltsniveau dieser Kollektivverträge ist nicht der spezifischen Tätigkeit, sondern den Besonderheiten der unterschiedlichen Branchen geschuldet.
5.5. Zusammengefasst hat die Klägerin zum Zeitpunkt des Beginns ihrer Beschäftigung bei der Beklagten Vordienstzeiten in einem Ausmaß von jedenfalls mindestens 8 Jahren als Angestellte bei anderen Dienstgebern aufgewiesen, deren Tätigkeitsmerkmale jenen der Verwendungsgruppe IV des hier anzuwendenden Kollektivvertrags für die Angestellten im Metallgewerbe entsprechen.
6. Dennoch ist die Sache noch nicht entscheidungsreif. Der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts, (auch)die nunmehrige Tätigkeit der Klägerin bei der Beklagten würde die Tätigkeitsmerkmale der Verwendungsgruppe IV des Kollektivvertrags für die Angestellten im Metallgewerbe aufweisen, liegt nämlich – wie auch die Revisionsbeantwortung der Klägerin erkennt – kein vom Erstgericht festgestellter Sachverhalt zugrunde. (Nur) In dieser Hinsicht erweist sich das Verfahren daher als ergänzungsbedürftig.
In Stattgebung der Revision der Beklagten waren die Entscheidungen der Vorinstanzen daher aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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