Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage vom 15. 6. 2004, die vom Beklagten ihr gegenüber am 25. 5. 2004 ausgesprochene „Kündigung" für rechtsunwirksam zu erklären. Dazu brachte die Klägerin vor, dass sie am 17. 5. 2004 vom Beklagten als Sachbearbeiterin eingestellt worden sei, wobei ein Probemonat vereinbart worden sei. Am 19. 5. 2004 habe sie der Seniorchef sexuell belästigt, indem er ihr während der Arbeit auf das Gesäß gegriffen habe. Sie habe den Beklagten mit den Worten „Herr W*****!" ermahnt. Bei diesem Vorfall sei jedoch auch der Sohn des Beklagten anwesend gewesen, dem der Vorfall zutiefst unangenehm gewesen sei. Es sei deshalb eine Woche später, am 25. 5. 2004, zur „Kündigung" durch den Juniorchef gekommen. Die Klägerin sei berechtigt, diese „Kündigung" als „Motivkündigung wegen sexueller Belästigung" anzufechten.
Gleichzeitig begehrte die Klägerin die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Anfechtungsfrist, weil sie durch eine Krankheit an der rechtzeitigen Klageeinbringung gehindert worden sei.
Das Erstgericht bewilligte der Klägerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Dienstverhältnis sei innerhalb der Probezeit durch den Beklagten aufgelöst worden, somit liege keine Kündigung vor. Der Beklagte habe die Klägerin nicht sexuell belästigt. Somit könnten weder eine Reaktion der Klägerin noch die Wahrnehmung durch Dritte der Grund für die Auflösung des Dienstverhältnisses in der Probezeit gewesen sein. Vielmehr habe es ein Gespräch zwischen der Klägerin, dem Seniorchef und dessen Sohn gegeben, bei welchem die Klägerin darauf hingewiesen worden sei, dass sie nicht über die erforderlichen EDV-Kenntnisse verfüge. Der Beklagte habe die Klägerin bei diesem Gespräch nicht am Gesäß, sondern freundschaftlich am Unterarm berührt, ohne dass irgendeine Absicht sexueller Belästigung dahinter gestanden sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Durchführung eines Beweisverfahrens ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass das Wesen der Probezeit in einer unbeschränkten, absoluten Lösungsfreiheit bestehe. Eine Einschränkung dieser Auflösungsmöglichkeit durch einen besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz wäre mit dieser Zielsetzung unvereinbar. Die Möglichkeit einer Entlassungs- bzw Kündigungsanfechtung nach § 2a Abs 8 GlBG (aF) komme daher bei der Auflösung eines Probedienstverhältnisses nicht in Betracht.
Das Berufungsgericht teilte zwar die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, wonach § 2a Abs 8 GlBG (aF) nicht anwendbar sei, doch könne auch die Beendigung eines Probedienstverhältnisses im Sinne des § 879 ABGB sittenwidrig und daher nichtig sein. Das Vorbringen der Klägerin, dass das Dienstverhältnis wegen der Zurückweisung einer sexuellen Belästigung aufgelöst worden sei, müsse als Geltendmachung einer solchen Sittenwidrigkeit gewertet werden. Da das Erstgericht keine Feststellungen getroffen habe, sei das Verfahren mangelhaft geblieben. Die Geltendmachung einer nichtigen Beendigung eines Dienstverhältnisses sei aber nicht mit Rechtsgestaltungsklage auf Unwirksamkeit der Auflösung, sondern mittels Klagebegehrens auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen. Dies werde im fortgesetzten Verfahren mit der Klägerin zu erörtern sein.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage der Anwendbarkeit des § 2a Abs 8 GlBG (nunmehr: § 12 Abs 7 GlBG) auf die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses während der Probezeit bzw dazu fehle, ob eine solche Auflösung wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein könne.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer Klageabweisung abzuändern.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, weil erst nach der Beschlussfassung durch das Berufungsgericht die Entscheidung 9 ObA 4/05m erging, durch welche die Frage der Anwendbarkeit des § 2a Abs 8 GlBG alt (= § 12 Abs 7 GlBG neu) auf die Auflösung von Probedienstverhältnissen bejaht wurde; der Rekurs ist aber nicht berechtigt.
In seiner Entscheidung vom 31. 8. 2005, 9 ObA 4/05m (= EvBl 2006/1 = ecolex 2006, 52 ua) hat der erkennende Senat unter anderem ausgeführt: „...Wenngleich es sich bei der Lösungsmöglichkeit eines Probedienstverhältnisses nach der Rechtsprechung, an der festzuhalten ist, um eine Auflösungsmöglichkeit besonderer Art handelt, die einer Kündigung oder Entlassung oder einem Austritt nicht gleichzuhalten ist (9 ObA 141/90 = Arb 10.872 uva), so liegt doch unzweifelhaft die Beendigung eines bereits begründeten Arbeitsverhältnisses vor. Da auch § 2a Abs 8 GlBG aF sich ausdrücklich auf die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezieht, ist es nur folgerichtig, die Bestimmung - auch im Sinn der bereits dargestellten europarechtlichen Judikatur - analog neben der dort genannten Kündigung und Entlassung auch auf die Lösung des Probearbeitsverhältnisses anzuwenden. Macht daher eine Arbeitnehmerin, deren Probedienstverhältnis gerade wegen ihrer Schwangerschaft aufgelöst wurde, die Diskriminierung glaubhaft (§ 2a Abs 9 GlBG aF bzw § 12 Abs 12 GlBG nF) und gelingt demgegenüber dem beklagten Arbeitgeber nicht der Beweis, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom Beklagten glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war, gilt die Sanktion des § 2a Abs 8 GlBG aF (jetzt: § 12 Abs 7 GlBG nF), nicht jedoch die nach § 2a Abs 1 GlBG aF (bzw § 12 Abs 1 GlBG nF)...". Das weitere Vorgehen im hier zu beurteilenden Verfahren wird sich daher nicht an einer Sittenwidrigkeitskontrolle im Sinne des § 879 ABGB, sondern an der Bestimmung des hier anzuwendenden § 2a Abs 8 GlBG aF zu orientieren haben.
Wenngleich unter der falschen Bezeichnung „Kündigungsanfechtung" macht die Klägerin hier zweifelsfrei erkennbar die Anfechtung der Auflösung des Probedienstverhältnisses geltend, indem sie vorbringt, dass die Auflösung nur wegen der Zurückweisung einer an ihr begangenen sexuellen Belästigung bzw der Betroffenheit des dazugekommenen Sohnes des Beklagten erfolgt sei. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Anfechtung auch zutreffend als Rechtsgestaltungs- und nicht als Feststellungsklage erfolgt.
Dem vom Rekurswerber erhobenen Verfristungseinwand ist noch Folgendes entgegenzuhalten:
Sofern die 14-Tage-Frist des § 10b Abs 1 dritter Satz (iVm § 2a Abs 8) GlBG aF als prozessuale Frist zu qualifizieren wäre, ist dieser Einwand schon wegen der unbekämpfbaren Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen stand (ON 4) unbeachtlich. Lediglich die Versäumung einer materiellen (allenfalls Präklusions-)Frist könnte für das weitere Verfahren von Bedeutung sein. Dazu ist Folgendes auszuführen:
Die hier anzuwendende Regelung des § 2a Abs 8 GlBG aF ist zwar als Individualrecht und nicht als betriebsverfassungsrechtlicher Anspruch konzipiert (AB zu Art I Z 3 der Novelle 1990, 1411 der BlgNR XVII. GP; ErlBem RV zu Art V Z 10 der Novelle 1992, 735 der BlgNR XVIII. GP), doch folgt die Anfechtungregelung des § 2a Abs 8 GlBG aF in ihrer Konzeption der Anfechtung einer verpönten Motivkündigung im Sinn des § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG (Smutny/Mayr Gleichbehandlungsgesetz, 521). Nach völlig einhelliger Rechtsprechung ist die Frist des § 105 Abs 4 ArbVG, innerhalb derer eine Anfechtungsklage nach § 105 Abs 3 ArbVG einzubringen ist, eine prozessuale, gegen deren Versäumung die Wiedereinsetzung zulässig ist (RIS-Justiz RS0052033). Die inhaltliche Regelungsnähe des § 2a Abs 8 GlBG aF zu § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG gebietet daher konsequenterweise, auch die Anfechtungsfrist des § 10b GlBG aF (= § 15 Abs 1 Satz 4 GlBG geltende Fassung) im Einklang mit der vorgenannten Rechtsprechung als prozessuale Frist anzusehen (Smutny/Mayr Gleichbehandlungsgesetz 511, 521; Kletecka in Rebhahn, Kommentar zum Gleichbehandlungsgesetz Rz 14 zu § 15). Daraus folgt, dass im fortgesetzten Verfahren die von der Klägerin zwar versäumte, vom Erstgericht jedoch restituierte Anfechtungsfrist keine Rolle mehr spielen kann.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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