European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00079.18K.0927.000
Spruch:
I. Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
II. Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch der Kosten der
Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
I. Der Kläger war von 1. 8. 2006 bis 31. 10. 2015 bei der Beklagten beschäftigt, zunächst als technischer Gruppenleiter, von 1. 1. 2010 bis 31. 12. 2014 als technischer Bereichsleiter und ab 1. 1. 2015 wieder als technischer Gruppenleiter. Sein Dienstverhältnis endete durch Dienstgeberkündigung. Die Vorinstanzen folgten nicht seiner Argumentation, dass er in die Verwendungsgruppe A5 (statt A4) des Kollektivvertrags für Bauindustrie und Baugewerbe einzuordnen gewesen wäre, und wiesen sein Begehren auf die Abgeltung offener Überstunden sowie auf die Zahlung von Tantiemen und Differenzen zu den Sonderzahlungen ab. In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO auf.
1. Einstufung des Klägers
1.1. Der Auslegung einer Kollektivvertrags-bestimmung kommt zwar regelmäßig wegen des größeren Personenkreises der hievon betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu (RIS-Justiz RS0109942, RS0042819). Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt aber dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn der Kollektivvertrag selbst eine klare, das heißt
eindeutige Regelung trifft (RIS‑Justiz RS0042656;
RS0109942 [T1]). Eine solche wurde vom Berufungsgericht zu Recht angenommen:
1.2. Nach § 2 Z 3 des Kollektivvertrags für Angestellte der Baugewerbe und der Bauindustrie erstreckt sich dessen persönlicher Geltungsbereich auf alle dem Angestelltengesetz unterliegenden Arbeitnehmer der unter 2. genannten Betriebe (zu denen die Beklagte unstrittig zählt, Anm) sowie näher genannte Lehrverträge. Er gilt nicht:
a) für Geschäftsführer von GmbH und Vorstandsmitglieder,
b) für Direktoren und Prokuristen, soweit sie nicht arbeiterkammerumlagepflichtig sind;
c) für Volontäre.
Nach § 10 Abs 2 Z 2 Arbeiterkammergesetz 1992 (AKG) gehören der Arbeiterkammer nicht an:
Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder, wenn das Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben wird; in Unternehmen mit anderer Rechtsform– unbeschadet Abs 2 Z 4 – leitende Angestellte, denen dauernd maßgebender Einfluss auf die Führung des Unternehmens zusteht.
Schon das Berufungsgericht führte aus, dass bei Kapitalgesellschaften nur handelsrechtliche Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder nicht arbeiterkammerzugehörig sind und leitende Angestellte anderer Rechtsformen nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (Entscheidung vom 29. 9. 1994, B 1565/93) nur dann vom Arbeitnehmerbegriff des AKG ausgenommen sind, wenn ihre Entscheidungsbefugnis in Bezug auf das Unternehmen funktional den Aufgaben eines GmbH-Geschäftsführers oder eines Vorstandsmitglieds einer AG gleichkommt. Das AKG zieht den Arbeitnehmerbegriff somit enger als das ArbVG. Hier ist auch nicht mehr weiter strittig, dass der Kläger als arbeiterkammerumlagepflichtiger Prokurist grundsätzlich in den persönlichen Geltungsbereich des genannten Kollektivvertrags fällt.
1.3. Für die von ihm begehrte Einstufung sieht § 9 des Kollektivvertrags vor:
„Gruppe A5: Bauleiter von Großbaustellen und Leiter selbständiger Abteilungen
Tätigkeit: Leitende, verantwortungsreiche und schöpferische Arbeit.
In diese Gruppe gehören jene Angestellten, die gemäß den Weisungen des Arbeitgebers oder der Geschäftsleitung selbständig, große Verantwortung tragend, schöpferisch arbeiten und in der Regel auch Gruppen von Arbeitnehmern führen. […]
In die Gruppe A5 werden demnach eingereiht:
Die Bauleiter selbständiger Großbaustellen und die Leiter von selbständigen Abteilungen, wie:
Einkauf, Geräte und Maschinen,
Geräte- und Maschinenverwaltung,
Konstruktionsbüro,
Lohn- und Personalbüro,
Materialverwaltung,
Zentralbuchhaltung
sofern diesen Angestellten nicht die Prokura erteilt worden ist. [...]“
Die Vorinstanzen sahen in diesem Halbsatz eine Teilausnahme vom persönlichen Anwendungsbereich des Kollektivvertrags und lehnten eine entsprechende Einstufung des Klägers aufgrund der ihm erteilten Prokura ab. Der Kläger will die Bestimmung dagegen dahin verstanden wissen, dass bei der Prüfung der Einstufung in die Gruppe A5 zu klären sei, ob der Kollektivvertrag auf die einzustufende Person überhaupt zur Anwendung gelangen solle, eine weitere Ausnahme sei ihm nicht zu unterstellen. Es wäre nicht nachvollziehbar, dass ein (arbeiterkammerumlagepflichtiger) Angestellter von den kollektivvertraglichen Entlohnungsbestimmungen ausgenommen sein solle, solange ihm Prokura verliehen sei. Dem kann schon nach dem klaren Wortlaut der kollektivvertraglichen Bestimmungen nicht gefolgt werden:
Dass § 9 des Kollektivvertrags nicht bloß kammerumlagefreie Prokuristen iSd § 2 Z 3 lit b des Kollektivvertrags von einer Einstufung (und Mindestentlohnung) nach Maßgabe der Gruppe A5 ausnehmen will, folgt – wie die Vorinstanzen zutreffend aufzeigten – schon daraus, dass der Kollektivvertrag für diese Personengruppe ohnehin in seiner Gesamtheit nicht gilt. Mit dem Verständnis des Klägers ginge die Einschränkung in § 9, „sofern diesen Angestellten nicht die Prokura erteilt worden ist“, daher ins Leere. Die vom Kläger gewollte Differenzierung zwischen kammerumlagepflichtigen und -freien Prokuristen ist in § 9 aber auch schlicht nicht enthalten. Dass ein Kollektivvertrag für von ihm grundsätzlich erfasste Personengruppen auch Teilausnahmen schaffen kann, ist nicht weiter fraglich. Die Erwägungen, dass die Auslegung einem dem „Gleichbehandlungsprinzip“ entsprechenden Einstufungssystem widerspreche, werden nicht geteilt.
Der klare Wortlaut und die Konzeption der Bestimmungen des § 2 Z 2 lit b und des § 9 des Kollektivvertrags stehen der vom Kläger präferierten Auslegung daher entgegen.
2. Überstunden
Der Kläger begehrt in der Revision noch die Abgeltung von Überstunden (100 % für 2012 bis 2015; 50 % für 2015). Ungeachtet der Frage des Beginns der viermonatigen kollektivvertraglichen Verfallsfrist ist dazu auf die Negativfeststellung zu verweisen, dass nicht festgestellt werden konnte, „ob und wann der Kläger über die mit den ausbezahlten Pauschalen abgegoltenen Überstunden weitere Überstunden geleistet hat“ (Ersturteil S 22 vorletzter Absatz). Steht aber der Anspruch schon dem Grunde nach nicht fest, kommt eine Ausmittlung seiner Höhe nach Maßgabe des § 273 Abs 1 ZPO nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0040355 ua).
3. Tantiemen 2014
Der vom Kläger begehrte Anspruch auf Tantiemen für 2014 lässt sich weder aus dem festgestellten Sachverhalt noch aus der von ihm gewünschten Sachverhaltsergänzung nachvollziehbar ableiten. Die im März 2008 freigegebene Tantiemen‑Konzernrichtlinie der Beklagten schloss auch für bereits 2007 genehmigte und übernommene Unternehmenseinheiten eine operative Belastung der Firmenwertabschreibung nicht aus. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die Einbuchungen in den Minuswert für das Werk ***** (Versicherungsrückstellung, außerordentliche Ausbuchung für Konsolidierung, Reparaturrückstellung) den Konzernrichtlinien widersprochen hätten. Eine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO, die in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausginge, wird hier nicht aufgezeigt.
II. Da eine Rechtsmittelbeantwortung
nicht freigestellt war, diente die von der Beklagten eingebrachte
Revisionsbeantwortung nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung und ist nicht zu honorieren (§ 508a Abs 2 ZPO; RIS-Justiz RS0043690).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)