European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:009OBA00078.24X.0122.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Arbeitsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Auf das Dienstverhältnis der vom Feststellungsantrag betroffenen Arbeitnehmer/innen ist der Kollektivvertrag für Arbeitnehmer/innen der Österreichischen Eisenbahnunternehmen anwendbar.
[2] Die betroffenen Arbeitnehmer/innen sind in einem „Turnusdienst“ tätig, bei dem sie innerhalb eines zweimonatigen Durchrechnungszeitraums für unterschiedliche Dienstschichten in der Dauer von 5 bis maximal 15 Stunden täglich eingeteilt werden. Im Schnitt leistet jede/r Vollzeitarbeitnehmer/in vier Schichten pro Woche.
[3] Die Beklagte berechnet den Urlaubsanspruch, indem sie jedem/r (Vollzeit)Mitarbeiter/in jährlich 35 Wochentage (anstatt 30 Werktagen) bzw 42 Wochentage (anstatt 36 Werktagen) an Urlaub zuweist, woraus sich letztlich wiederum 5 bzw 6 Wochen Urlaub jährlich ergeben. Gleichzeitig bemisst die Beklagte in diesem Urlaubssystem einen Urlaubstag (= Wochentag) mit 5,5 Stunden. Wünscht ein/e Mitarbeiter/in für einzelne bestimmte Tage Urlaub, errechnet die Beklagte anhand der für diesen Tag hinterlegten Schicht und der sich daraus ergebenden Stundenanzahl die in Abzug zu bringenden Urlaubstage. Bei einer hinterlegten Dienstschicht von 5 Stunden wird daher ein Urlaubstag abgezogen, bei einem hinterlegten Dienst von 12,8 Stunden zwei und im Falle eines eingeteilten Dienstes in der Dauer von 15 Stunden werden drei Urlaubstage vom Urlaubskontingent in Abzug gebracht.
[4] Das Erstgericht wies das auf die Feststellung gerichtete Klagebegehren, die Beklagte sei außer bei sog „Altvertragsbeschäftigten“ nicht berechtigt, das individuelle Urlaubsguthaben bei tageweisem Urlaubsverbrauch auf Basis der hypothetisch an tatsächlichen Urlaubstagen geleisteten Arbeitsstunden/Dienstschichten zu bemessen, ab.
[5] Das Berufungsgericht gab der dagegen gerichteten Berufung des Klägers Folge und gab dem Klagebegehren statt, wobei es diesem eine klarere Fassung gab („bei tageweisem Urlaubsverbrauch auf Basis der hypothetisch an tatsächlichen Urlaubstagen nach der Diensteinteilung zu leistenden Arbeitsstunden/Dienstschichten“).
[6] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nicht zugelassen, weil sich die Beurteilung der Rechtsfragen auf eine gesicherte Rechtsprechung stützen könne.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung unzulässig.
[8] 1. Unstrittig ist auf die zu beurteilenden Rechtsverhältnisse das Urlaubsgesetz (UrlG) anzuwenden. Es bestehen keine relevanten Betriebsvereinbarungen. Gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass zwar Individualvereinbarungen über den Konsum einzelner Urlaubstage bestehen, diese jedoch keine arbeitsvertragliche Vereinbarung der Umrechnung des Urlaubskontingents von Werk‑ in Kalendertage samt Bemessung der Tage mit 5,5 Arbeitsstunden darstellen, wendet sich die Revision nicht.
[9] 2. § 2 Abs 1 UrlG sieht einen ununterbrochenen bezahlten Urlaub von 30 Werktagen (fünf Wochen) bzw bei Vollendung einer Dienstzeit von 25 Jahren von 36 Werktagen (sechs Wochen) vor. Eine Umstellung der Bemessung des Urlaubsausmaßes von Werktagen auf Arbeitstage ist zulässig, soweit dies für Arbeitnehmer günstiger ist.
[10] Nach § 4 Abs 3 UrlG kann der Urlaub in zwei Teilen verbraucht werden, doch muss ein Teil mindestens sechs Werktage betragen. Der Verbrauch einzelner Urlaubstage wird – ungeachtet des Teilungsverbots nach § 4 Abs 3 UrlG – von Lehre und Rechtsprechung für wirksam erachtet, sofern diese Teilung auf Initiative des Arbeitnehmers erfolgt ist.
[11] Dem Arbeitnehmer sollen dabei losgelöst von der Einteilung seiner Arbeitszeit auch bei (in seinem Interesse gelegener) Vereinbarung eines tageweisen Urlaubsverbrauchs stets fünf (bzw sechs) Urlaubswochen zur Verfügung stehen. Folglich ist bei Verbrauch kürzerer Urlaubsteile als einer Woche durch einen Arbeitnehmer, der keine Sechs-Tage-Woche hat, eine Umrechnung des Urlaubsanspruchs auf (tatsächliche) Arbeitstage vorzunehmen.
[12] 3. Die Anzahl der an einem Arbeitstag zu leistenden Arbeitsstunden spielt bei der Berechnung des Freistellungsanspruchs keine Rolle (8 ObA 35/12y). Dem Urlaubsgesetz liegt ein kalendarischer Urlaubsbegriff zugrunde, der Urlaub wird bemessen vom ersten Kalendertag nach Arbeitsende bis zum letzten Kalendertag vor Wiederantritt. Damit wird das Ausmaß des Urlaubs unabhängig vom jeweiligen Ausmaß der Arbeitszeit festgelegt. Es wird originär kein bestimmtes Ausmaß an Freistellungsstunden, sondern ein zusammenhängender Erholungszeitraum eingeräumt (vgl 8 ObA 35/12y; 9 ObA 20/14b).
[13] 4. Die Beklagte verweist darauf, dass in ihrem Unternehmen 7 Tage pro Woche gearbeitet werde, weshalb eine Umrechnung des Urlaubsanspruchs auf 7 (Wochen‑)Tage vorzunehmen gewesen sei. Daraus errechneten sich 35 statt 30 (bzw 42 statt 36) Urlaubstage. Dazu, ob eine solche Umrechnung zulässig sei, bestehe keine höchstgerichtliche Rechtsprechung. Dagegen gehe es nicht um die Umrechnung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs in Stunden.
[14] 5. Richtig ist zwar, dass kein stundenweiser Urlaubsverbrauch stattfindet. Entgegen den Ausführungen der Beklagten ist allerdings Gegenstand des Verfahrens nicht, wie viele Tage Urlaub den Arbeitnehmern insgesamt gewährt werden, sondern ob die Beklagte berechtigt ist, bei der Konsumation von tageweisem Urlaub die Zahl der vom Urlaubskontingent abzuziehenden Tage abhängig von der am Tag der Freistellung eingeteilten Arbeitsstunden zu bemessen. So reduziert die Beklagte – wie eingangs dargestellt – je nach Dauer der Schicht, die entfällt, den verbleibenden Urlaub um 1, 2 oder 3 Tage. Dass bei Entfall eines Arbeitstages der Abzug von drei Urlaubstagen in Abhängigkeit von der Dauer der eingeteilten Arbeit nicht dem UrlG entspricht, bedarf nach den zuvor dargestellten Grundsätzen keiner weiteren Begründung (vgl dazu ausführlich 9 ObA 20/14b).
[15] 6. Ergänzt werden kann, dass dies selbst nach dem Ansatz der Beklagten für die Arbeitnehmer teilweise nachteilig ist, da der Entfall von 15 Arbeitsstunden dem Abzug von 16,5 Stunden Urlaubszeit entspricht. Je häufiger ein Arbeitnehmer Urlaub an einzelnen Tagen mit längerer Schicht konsumiert, um so mehr weicht darüber hinaus die Anzahl der tatsächlich konsumierbaren Urlaubstage von einem kalendarischen Urlaubsanspruch von 5 Wochen ab (im Extremfall 12 einzelne Tage gegenüber fünf Wochen).
[16] Damit erübrigt sich aber ein Eingehen auf die in der Revision ohnehin nicht näher dargestellten Literaturmeinungen zur Zulässigkeit der Umrechnung des Urlaubsanspruchs in Stunden, da eine einseitige Umrechnung durch den Arbeitgeber zu Lasten der Arbeitnehmer generell abgelehnt wird (vgl Schrank, UrlG – Urlaub und Pflegefreistellung – Kommentar [2018], § 2 UrlG, Rz 45; Gerhartl, Urlaubsrecht [2015], § 2, Rz 52a; ders, Urlaub, Beschäftigungsausmaß und Normalarbeitszeit, ASoK 2014, 410; ders, Urlaubsrechtliche Fragen der Teilzeitbeschäftigung, ZAS 2005/43).
[17] 7. Nicht richtig ist auch das Argument der Beklagten, dass ein täglicher Urlaubsverbrauch nicht möglich wäre, weil in den einzelnen Arbeitswochen nicht immer gleich viele Arbeitstage anfallen. Wird im Rahmen eines Schichtturnusses in einzelnen Wochen jeweils eine unterschiedliche Anzahl an Tagen gearbeitet, ist nach der Rechtsprechung die durchschnittliche Anzahl der Arbeitstage pro Woche bei der Berechnung des Urlaubsausmaßes in Arbeitstagen heranzuziehen (9 ObA 54/20m).
[18] 8. Die in der Revision zitierte Entscheidung 9 ObA 181/07v ist schon deshalb nicht einschlägig, weil auf die dort zu beurteilenden Arbeitsverhältnisse das UrlG nicht anzuwenden war.
[19] 9. Insgesamt gelingt es der Beklagten nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
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