Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger war bei der Beklagten bzw ihrer Rechtsvorgängerin seit 1966 in Definitivstellung beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis findet die zwischen dem Betriebsrat der Z***** Wien abgeschlossene Betriebsvereinbarung Anwendung. Diese enthält ua folgende Bestimmungen:
§ 14 Definitive Anstellung
(1) Unter definitiver Anstellung ist die Übernahme in ein unkündbares Dienstverhältnis, mit dem die Pensionsberechtigung im Sinne der Pensionsordnung verbunden ist, zu verstehen ... Ein solches Dienstverhältnis kann nur nach den Bestimmungen dieser Betriebsvereinbarung aufgelöst werden.
(1) § 59 Dienstentlassung
(1) Mit Ausnahme der in Abs 2 angeführten Fälle kann eine Dienstentlassung von definitiv Angestellten nur aufgrund eines Disziplinarerkenntnisses erfolgen.
§ 149 Disziplinarstrafen
(1) Disziplinarstrafen sind:
i) die Dienstentlassung
(3) Die im Abs 1 lit g), h) und i) genannten Disziplinarstrafen können nur verhängt werden, wenn
a) Pflichtverletzungen vorliegen, die unter die Begriffsbestimmungen des § 27 AngG fallen
Die Disziplinarkommission der Z***** Wien AG sprach nach mündlicher Verhandlung vom 6.9.1991 mit Disziplinarerkenntnis aus, daß der Kläger zwei Tatbestände des § 27 AngG und zwar Untreue und Vertrauensunwürdigkeit verwirklicht habe und erkannte auf die Disziplinarstrafe der Dienstentlassung. Diese Entscheidung wurde über Berufung des Klägers mit Erkenntnis der Disziplinarberufungskommision vom 31.10.1991 vollinhaltlich bestätigt. Mit Schreiben vom 6.11.1991 sprach die Beklagte die Dienstentlassung des Klägers aus. Der Angestelltenbetriebsrat der Beklagten stimmte mit Schreiben vom 8.11.1991 der Entlassung des Klägers zu.
Der Kläger begehrt, die mit Schreiben vom 6.11.1991 ausgesprochene Entlassung für rechtsunwirksam zu erklären, sowie die Feststellung, daß das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen über den 7.11.1991 hinaus aufrecht bestehe. Darüber hinaus begehrte er die Zahlung von 253.135,62 S brutto sA. Er habe keine Entlassungsgründe gesetzt; die Entlassung sei daher zu Unrecht erfolgt. Im Hinblick auf seine unkündbare Stellung und die Tatsache, daß eine Kündigung in jedem Fall sozialwidrig wäre, bestehe das Dienstverhältnis nach wie vor aufrecht. Auch die vor Ausspruch der Entlassung erfolgte Suspendierung sei nicht berechtigt erfolgt; die damit verbundene Gehaltskürzung sei rechtswidrig gewesen; es bestehe daher ein Anspruch des Klägers auf die Nachzahlung der Bezugsdifferenz.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Der Kläger sei nach ordnungsgemäßer Durchführung eines Disziplinarverfahrens und nach Fällung einer von der Disziplinarberufungskommission bestätigten Disziplinarentscheidung, mit der auf Entlassung erkannt worden sei, entlassen worden. Alle von der Betriebsvereinbarung für die Zulässigkeit der Entlassung normierten Erfordernisse seien sohin erfüllt. Da der Betriebsrat seine Zustimmung zur Entlassung erklärt habe, komme auch eine Anfechtung der Entlassung nach § 106 Abs 2 ArbVG nicht in Frage. Dem Begehren des Klägers komme daher schon aus diesem Grund keine Berechtigung zu. Im übrigen habe sich der Kläger verschiedene Malversationen zuschulden kommen lassen, die die Entlassung rechtfertigten. Das Zahlungsbegehren werde auch der Höhe nach bestritten.
Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den ersten Punkt des Klagebegehrens ein und wies mit Teilurteil das Begehren des Klägers, die mit Schreiben vom 6.11.1991 ausgesprochene Entlassung für unwirksam zu erklären und der beklagten Partei gegenüber festzustellen, daß das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen über den 7.11.1991 hinaus aufrecht sei, ab. Es liege eine rechtskräftige Entscheidung der Disziplinarberufungskommision vor, mit der die Dienstentlassung ausgesprochen worden sei; der Betriebsrat habe der Entlassung zugestimmt. Die unter Anwendung der Bestimmungen der Betriebsvereinbarung ausgesprochene Entlassung sei daher wirksam. Eine Anfechtung gemäß § 106 Abs 2 ArbVG sei ausgeschlossen, weil der Betriebsrat der Maßnahme zugestimmt habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es trat im wesentlichen der Rechtsmeinung des Erstgerichtes bei und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteige. Die Bestimmungen der Betriebsvereinbarung über die Durchführung eines Disziplinarverfahrens sähen als Voraussetzung der Entlassung zum einen ohnedies einen Instanzenzug vor; zum anderen habe der Betriebsrat die Möglichkeit, im Zug der Beratungsfrist des § 106 Abs 1 ArbVG den Inhalt des Diziplinarerkenntnisses in formeller und materieller Hinsicht zu prüfen, um die Entlassung gegebenenfalls anzufechten. Das Vorbringen, es liege ein vertraglicher Ausschluß der freien Kündbarkeit vor, der wie ein gesetzlicher Kündigungsschutz wirke, sei nicht zielführend, da Gegenstand des Verfahrens keine Kündigung, sondern eine Entlassung sei, die ungeachtet der Definitivstellung unter bestimmten Voraussetzungen offenstehe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagestattgebenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.
Gemäß § 45 Abs 1 Z 1 ASGG hat das Berufungsgericht dann, wenn der Entscheidungsgegenstand nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht, auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt 50.000 S übersteigt. Gemäß § 46 Abs 1 Z 2 ASGG ist die Revision jedenfalls zulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, 50.000 S übersteigt; dementsprechend hat in diesen Fällen ein Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision zu entfallen (§ 45 Abs 1 Z 2 ASGG).
Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteigt. Gegen das berufungsgerichtliche Urteil ist daher die ordentliche Revision zulässig. Dem irrtümlichen Hinweis auf "die Unzulässigkeit der Revision" in den Entscheidungsgründen des Berufungsgerichtes, dem jede Grundlage im Spruch der Entscheidung fehlt, kommt keine Bedeutung zu. Es erübrigt sich daher auf die Zulassungsbeschwerde der Revision einzugehen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Die Anfechtung der Kündigung und Entlassung gemäß § 105 Abs 3, § 106 Abs 2 ArbVG ist mit Rechtsgestaltungsklage geltend zu machen; das Gericht hat die Kündigung oder Entlassung nach erfolgreicher Anfechtung als rechtsunwirksam aufzuheben (idS 9 Ob A 229/92 mwN). Ist die Kündigung oder Entlassung hingegen nach vertragsrechtlichen Grundsätzen rechtsunwirksam, so kommt nicht die Anfechtung nach §§ 105, 106 ArbVG, sondern regelmäßig die Bekämpfung mittels Feststellungsklage in Betracht (Floretta-Strasser, ArbVG2, 263 FN 2). Hier begehrte der Kläger, mit dem den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Teil seiner Klage, die mit Schreiben vom 6.11.1991 ausgesprochene Entlassung für rechtsunwirksam zu erklären, sowie die Feststellung, daß das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen über den 7.11.1991 hinaus aufrecht bestehe. Im ersten Teil stellte er damit ein dem § 106 Abs 2 ArbVG entsprechendes Rechtsgestaltungsbegehren. Voraussetzung für die Anfechtung einer Entlassung ist gemäß § 106 Abs 2 ArbVG, daß der Betriebsrat der Entlassung nicht ausdrücklich zugestimmt hat. Hier steht jedoch fest, daß der Betriebsrat die Zustimmung zur Entlassung ausdrücklich ausgesprochen hat. Der Teil des Begehrens, mit dem Kläger die Entlassung auf der Grundlage des Arbeitsverfassungsgesetzes anficht, wird daher abzuweisen sein. Zur Fällung eines Teilurteiles sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlaßt, da damit keinerlei verfahrensrechtliche Vorteile verbunden sind und daher Gründe der Zweckmäßigkeit die Fällung eines Teilurteiles nicht gebieten (Fasching, ZPR2 Rz 1421).
Beide Parteien gehen von der Betriebsvereinbarung aus, derzufolge die Kündigung definitiv gestellter Angestellter ausgeschlossen ist. Die Lösung des Dienstverhältnisses ist in diesen Fällen nur bei Vorliegen eines Entlassungsgrundes und nach Durchführung des in der Betriebsvereinbarung vorgesehenen Verfahrens zulässig. Vereinbarungen, die bewirken, daß unbegründete Entlassungen das Dienstverhältnis nicht aufzulösen vermögen, sind zulässig. Dieser direkte Ausschluß der Rechtswirkungen ungerechtfertigter Entlassungen wird mittelbar auch durch die Vereinbarung eines Kündigungsausschlusses erreicht. Wird nämlich arbeitsvertraglich das freie Kündigungsrecht abbedungen, so fehlt, um eine Umgehung des Kündigungsausschlusses hintanzuhalten, auch der unbegründeten Entlassung diese Lösungswirkung (Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4, 482 mwN FN 92). Der vertragliche Ausschluß der freien Kündbarkeit wirkt wie ein gesetzlicher Kündigungsschutz; eine vorzeitige Lösung ohne wichtigen Grund vermag das Arbeitsverhältnis nicht aufzulösen (Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz, AngG7, 416). Der Arbeitnehmer ist in diesen Fällen berechtigt, die Feststellung zu begehren, daß das Dienstverhältnis ungeachtet des Ausspruches der Entlassung weiter aufrecht besteht.
Zu Unrecht haben die Vorinstanzen die Überprüfung der Frage, ob der Kläger einen Entlassungstatbestand gesetzt hat, unter Hinweis auf die Erkenntnisse der Disziplinarinstanzen für entbehrlich erachtet. Daß die Verhängung betrieblicher Disziplinarmaßnahmen im Einzelfall einem Dritten - insbesondere einer Disziplinarkommission - übertragen wird, welcher dabei ein bestimmtes Verfahren einzuhalten hat, kann die Überprüfbarkeit der Ausübung dieses Gestaltungsrechtes durch das Gericht schon deshalb nicht beschränken, weil diese Rechtsgestaltung nach dem Willen der Parteien auch in einem solchen Fall regelmäßig nur bei Vorliegen bestimmter, erst festzustellender Tatsachen vorgenommen werden soll. Wenn eine Disziplinarordnung die Verhängung von Disziplinarstrafen gestattet, dann knüpft sie diese Befugnis primär nicht an die (spruchmäßige) Feststellung des betreffenden Tatbestandes durch die hiefür zuständige Einrichtung, sondern an das Vorliegen des Tatbestandes selbst. Eine Bindung des Gerichtes an die im Disziplinarverfahren festgestellten Tatumstände kann einer solchen Regelung umso weniger zuerkannt werden, als selbst einer paritätisch zusammengesetzten Disziplinarkommission die dem Gericht zur Verfügung stehenden Mittel einer objektiven Wahrheitsfindung - insbesondere die unter Strafsanktion stehende Verpflichtung der vernommenen Auskunftspersonen zur wahrheitsgemäßen Aussage, sowie überhaupt Zwangsmittel gegen Zeugen, die nicht aussagen wollen - fehlen. Soll also die in der Verhängung einer Disziplinarstrafe liegende (einseitige) Rechtsgestaltung - wie hier der Ausspruch der Entlassung - nur dann ausgeübt werden können, wenn der Dienstnehmer die ihm angelasteten Verfehlungen tatsächlich begangen hat, dann muß es auch möglich sein, im Verfahren vor Gericht die Unrichtigkeit der von der Disziplinarkommission getroffenen Tatsachenfeststellungen nachzuweisen (SZ 53/119; SZ 59/215; Arb 10.848 ua).
Für die Frage, ob durch die Entlassungserklärung das Dienstverhältnis aufgelöst wurde, ist entscheidend, ob durch die Handlungen des Klägers ein Entlassungstatbestand verwirklicht wurde. Dies wird ungeachtet der im Disziplinarverfahren bereits ergangenen Erkenntnisse im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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