Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 814,27 EUR (darin enthalten 135,71 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 559,15 EUR (darin enthalten 193,19 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Im Betrieb der Beklagten werden die Urlaubswünsche der Mitarbeiter regelmäßig bis zum Sommer in ein Computersystem eingegeben und nur der Sommerurlaub selbst im Rahmen einer Teambesprechung Anfang des Jahres erörtert. Der zuständige Vorgesetzte der Klägerin versuchte trotz angespannter Personalsituation regelmäßig die Urlaubswünsche der Beschäftigten zu erfüllen und stellte gegebenenfalls Anträge auf Weitererhalt des Resturlaubs wegen vermehrter Krankenstände.
Die Klägerin war wegen eines Burnout‑Syndroms im Jahre 2008 169 Tage im Krankenstand, im Jahr 2009 jedoch nur 9 Tage sowie 2010 62 Tage. Sie konsumierte im Jahr 2009 44 Urlaubstage und im Jahr 2010 29 Urlaubstage. In der Folge besprach sie ihre Absicht, eine unbezahlte Karenz in Anspruch zu nehmen, mit der zuständigen Vorgesetzten. Sie vereinbarte dann Karenzurlaub für die Zeit vom 18. 10. 2010 bis 31. 5. 2012. Sie arbeitete in dieser Zeit für das österreichische Bundesheer im Kosovo, wobei dieser Einsatz vorweg nur bis 24. 6. 2011 dauern sollte. Vor Antritt ihrer Karenz konsumierte sie vom 25. 9. bis 10. 10. 2010 Urlaub. Ein Mehrverbrauch war bis zum Antritt der Karenz nicht mehr möglich. Der offene Urlaubsanspruch der Klägerin war dieser schon bei den Gesprächen über die bevorstehende Karenzierung mitgeteilt worden. Er betrug letztlich zum Zeitpunkt des Karenzantritts 176,9 Stunden für das Jahr 2009 und 150 Stunden für das Jahr 2010. In diesen Jahren gab es im Allgemeinen keine Personalengpässe, die es den Mitarbeitern nicht möglich gemacht hätten, ihren Urlaub zu verbrauchen. Die Resturlaubsansprüche waren im Wesentlichen auf vermehrte Krankenstände, Umstrukturierungen und Weiterbildungen in den Vorjahren zurückzuführen.
Im Zusammenhang mit der Verlängerung ihrer Karenz wurde die Klägerin im September 2011 darüber informiert, dass ihre Urlaubsansprüche aus dem Jahre 2009 und 2010 verfallen würden. Ein Antrag auf Weitererhalt des Resturlaubs wurde mangels dienstlicher Gründe dafür abgelehnt. Hätte die Klägerin keinen Karenzurlaub in Anspruch genommen, hätte sie ihren Resturlaub bis 31. 12. 2011 verbrauchen können.
Mit ihrer am 6. 6. 2012 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der Urlaub der Klägerin aus dem Jahr 2009 im Ausmaß von 176,9 Stunden und aus dem Jahr 2010 im Ausmaß von 150 Stunden nicht verjährt oder verfallen ist. Die Klägerin stützt dies zusammengefasst darauf, dass der Verfall nicht gerechtfertigt sei, weil sie vor dem vereinbarten Karenzurlaub den Erholungsurlaub nicht mehr habe verbrauchen können. Auch sei aus der Zeit der Krankenstände noch ein Urlaubsrest offen gewesen. Es handle sich um eine Lücke im Gesetz, wenn der Urlaubsanspruch nach zwei Jahren verjähre. Der Verfall könne nicht vor der tatsächlichen Möglichkeit zur Inanspruchnahme des Urlaubs eintreten, andernfalls bestünden auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung, da allein der Arbeitgeber entscheiden könne, ob Urlaub konsumiert werde oder nicht.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass der Urlaubsanspruch deshalb verfallen sei, weil keine dienstlichen Gründe den Verbrauch des Erholungsurlaubs gehindert hätten. Die Klägerin habe vor Antritt des Karenzurlaubs ausreichend Möglichkeit gehabt, ihren Urlaub zu verbrauchen. Auch wäre es der Klägerin noch möglich gewesen den Urlaub zu verbrauchen, wenn sie wie vorweg geplant bereits am 25. 6. 2011 aus dem Karenzurlaub zurückgekehrt wäre. Die Verlängerung des Karenzurlaubs sei auf Wunsch der Klägerin erfolgt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass § 65 des Dienst‑ und Besoldungsrechts der Bediensteten des Landes Steiermark (im Folgenden L‑DBR) zweifelsfrei vorsehe, dass der Verfall nach Ablauf des Urlaubsjahres eintrete. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Verfall von aus dienstlichen Gründen nicht in Anspruch genommenen Urlaubsansprüchen davon nicht erfasst sei. Eine planwidrige Unvollständigkeit sei nicht nachgewiesen worden. Auch sei hier die Inanspruchnahme des Urlaubsjahres nicht aus dienstlichen Gründen, sondern wegen der Inanspruchnahme der Karenz der Klägerin unmöglich gewesen. Ohne diese Karenz hätte der Urlaub rechtzeitig verbraucht werden können. Dienstliche Gründe seien dem Urlaubskonsum nicht entgegengestanden. Die Regelungen hinsichtlich der Karenz nach dem Mutterschutzgesetz und dem Väterkarenzgesetz können nicht übertragen werden.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin Folge und änderte das Urteil des Erstgerichts im klagsstattgebenden Sinne ab. Das Berufungsgericht stützte sich darauf, dass der Oberste Gerichtshof zum Tiroler Landesvertragsbedienstetengesetz ausgesprochen habe, dass die Bestimmungen des ABGB hinsichtlich der Hemmung der Verjährung heranzuziehen seien. Das Tiroler Landesvertragsbedienstetengesetz habe auch auf das ABGB verwiesen. Insoweit habe dann der Oberste Gerichtshof eine Verjährung des Urlaubsanspruchs bei jenen Arbeitnehmern angenommen, die infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ihren Urlaub nicht verbrauchen konnten. Auch der EuGH habe ausgesprochen, dass ein Verfall von Urlaubsansprüchen zwar grundsätzlich zulässig sei, aber dies nicht für den Fall gelte, dass der Arbeitnehmer den Urlaub wegen Krankheit nicht verbrauchen habe können.
Auch § 163 L‑DBR verweise hinsichtlich der Hemmung und Unterbrechung der Verjährung auf das ABGB.
Hier habe die Klägerin ihren Urlaub deshalb nicht innerhalb der vom Gesetz vorgegebenen Frist konsumieren können, da sie Karenzurlaub vereinbart habe. Während ihres Karenzurlaubs habe sie einen Auslandseinsatz für das österreichische Bundesheer im Kosovo vorgenommen. Im Hinblick auf die Anwendung der Bestimmungen des ABGB über die Unterbrechung und Hemmung der Verjährung bzw des Verfalls komme auch § 1496 ABGB zur Anwendung, der unter anderem im Falle der Abwesenheit in „Zivildiensten“ eine Hemmung vorsehe, solange dieses Hindernis andauert. Der Auslandseinsatz der Klägerin im Kosovo für das österreichische Bundesheer sei als Abwesenheit im Zivildienst iSd § 1496 ABGB zu qualifizieren. Da die Klägerin drei Monate nach Rückkehr bereits die Klage eingebracht habe, habe sie auch Anspruch auf die Gewährung der Urlaube aus den Jahren 2009 und 2010.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 65 L‑DBR nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt.
Das steiermärkische Gesetz über das Dienst‑ und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steiermark (L‑DBR) gliedert sich in mehrere Hauptstücke, Teile und Abschnitte. Im ersten Hauptstück findet sich im VI. Teil im 1. Abschnitt die Regelung über den Erholungsurlaub. § 59 L‑DBR regelt den Anspruch und das Ausmaß des Erholungsurlaubs und § 64 L‑DBR dann dessen Verbrauch.
§ 65 L‑DBR über den „Verfall des Erholungsurlaubs und Ablöseverbot“ bestimmt in seinem Abs 1 Folgendes:
„Der Anspruch auf Erholungsurlaub verfällt, wenn der/die Bedienstete den Erholungsurlaub nicht bis zum 31. 12. des dem Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres verbraucht hat. Ist der Verbrauch bis zu diesem Zeitpunkt aus dienstlichen Gründen, wegen Krankheit, Unfall oder Gebrechen oder aufgrund eines Beschäftigungsverbots nach dem St.‑MSchKG nicht möglich, so tritt der Verfall erst mit Ablauf des folgenden Kalenderjahres ein. Hat der/die Bedienstete eine Karenz nach dem St.‑MSchKG in Anspruch genommen, so wird der Verfallstermin um den Zeitraum der Karenz hinausgeschoben. ...“
§ 67 L‑DBR enthält dann noch Regelungen für die Frage der Erkrankung während des Erholungsurlaubs.
Im darauf folgenden II. Abschnitt über „sonstige Rechte“ finden sich Regelungen über Sonderurlaube (§ 69 L‑DBR), den Karenzurlaub (§ 70 L‑DBR), den Karenzurlaub zur Pflege eines behinderten Kindes (§ 71 L‑DBR), den Frühkarenzurlaub für Väter (§ 71a L‑DBR), die Bildungskarenz (§ 72 L‑DBR), die Dienstfreistellung und Außerdienststellung wegen Ausübung des Mandats im Nationalrat, Bundesrat oder im Landtag (§ 73 L‑DBR), die Familienhospizfreistellung (§ 74 L‑DBR) und die Pflegefreistellung (§ 75 L‑DBR).
§ 70 L‑DBR über den „Karenzurlaub“ legt fest, dass dieser Bediensteten auf ihr Ansuchen unter Entfall der Bezüge gewährt werden kann, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen. Das Höchstmaß ist mit 10 Jahren beschränkt.
Betrachtet man nun die hier im Wesentlichen maßgebliche Regelung des § 65 L‑DBR, so hat der Gesetzgeber zwar für den Fall der Krankheit, Unfall oder Gebrechen sowie das Beschäftigungsverbot und die Karenz nach dem Mutterschutzgesetz aber auch für die Unmöglichkeit des Verbrauchs des Urlaubs aus dienstlichen Gründen Vorsorge getroffen, um einen Verfallablauf des auf das Urlaubsjahr folgende Kalenderjahres zu verhindern, nicht aber für den Fall der grundsätzlich ohne besondere Voraussetzungen zu gewährenden allgemeinen Karenz nach § 70 L‑DBR. Im Hinblick auf die umfangreiche Erfassung von Gründen für die Hemmung des Ablaufs der Verfallsfrist kann nun nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber ganz allgemein die Hemmung der Verjährung ungeregelt gelassen hat und insoweit eine Anwendung der Bestimmungen des ABGB über die Hemmung der Verjährung zur Anwendung kommen könnte (der vom Berufungsgericht herangezogene § 163 L‑DBR befindet sich im Übrigen auch in einem anderen Abschnitt des Gesetzes; vgl anders zu Gesetzesbestimmungen, die keine Regelungen zur Frage der Hemmung wegen Krankheit hatten, aber wohl allgemein auf die Hemmungs‑ und Unterbrechungsbestimmungen des ABGB verwiesen haben 8 ObA 24/09a und 8 ObA 41/05w). Schon dies spricht nun gegen eine unmittelbare Anwendung des § 1496 ABGB, der vorsieht, dass durch die „Abwesenheit in Zivil‑ oder Kriegsdienst“ nicht nur der Anfang, sondern solange dieses Hindernis dauert auch die Fortsetzung der Verjährung gehemmt ist. Erwägenswert könnte sein, inwieweit dann, wenn sich die Abwesenheit infolge eines Zivil‑ oder Kriegsdienstes als für den Arbeitnehmer zwingendes Hindernis für den Verbrauch des Urlaubs ergibt, nicht § 65 L‑DBR selbst insoweit eine Lücke aufweisen könnte, die es erfordert, diesen Hinderungsgrund jenen der Krankheit, Unfall, Gebrechen oder der dienstlichen Verhinderung gleichzustellen.
All dies bedarf aber schon deshalb keiner abschließenden Erörterung und Feststellung, weil hier die Karenz auf einer freien Entscheidung und Vereinbarung der Klägerin beruht und die Klägerin Gründe, die sie ohne ihren freien Entschluss gehindert hätten, den Urlaub rechtzeitig zu verbrauchen, gar nicht geltend gemacht hat. Gerade die Darstellung der Klägerin, dass es allein am Dienstgeber liegen würde, den Verfall dadurch zu bewirken, dass er aus dienstlichen Gründen einen Urlaubsverbrauch verweigert, geht schon an den Feststellungen vorbei, wonach ohne die Vereinbarung der Karenz der Erholungsurlaub rechtzeitig verbraucht hätte werden können. Auch sieht das Gesetz ohnehin eine Hemmung für den Fall vor, dass ein Verbrauch aus dienstlichen Gründen nicht rechtzeitig möglich ist. Insoweit bedarf es auch keiner Auseinandersetzung mit der Frage der Durchsetzung des Urlaubsanspruchs.
Im Ergebnis kann also die bis zu 10 Jahren mögliche Vereinbarung eines auf Antrag einer Arbeitnehmerin zu gewährenden Karenzurlaubs jedenfalls alleine nicht den in § 65 L‑DBR genannten Gründen für die Hemmung der Verfallsfrist gleichgehalten werden. Die Klägerin hat zu den dort genannten Gründen unter dem Aspekt des Urlaubsverbrauchs bzw der Hinderung daran gleichwertige Gründe weder vorgebracht noch nachgewiesen. Sie hat sich im erstgerichtlichen Verfahren auch nicht auf ihre Tätigkeit im Rahmen des Einsatzes im Kosovo gestützt.
Schon mangels Darstellung entsprechender Gründe für die Hemmung des Verfalls ist dieser also mit Ablauf des auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres, sohin mit 31. 12. 2011, eingetreten und hat das Erstgericht daher berechtigt die Klage abgewiesen.
Dementsprechend war der Revision der Beklagten Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.
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