OGH 9ObA56/95

OGH9ObA56/956.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter OR Mag.Eva Maria Sand und Thomas Mais als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gerda P*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Hanns Forcher-Mayr, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Mag.Wolfgang L*****, Apotheker, ***** vertreten durch Dr.Kurt Fassl, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 89.483,80 brutto sA, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 14.Dezember 1994, GZ 3 Ra 54/94-20, womit infolge Berufung der Klägerin das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 7.Juli 1994, GZ 45 Cga 17/94g-14, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.058,88 (darin enthalten S 676,48 USt) und die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 4.871,04 (darin enthalten S 811,84 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Da die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die bei einvernehmlicher Auflösung vereinbarte Generalklausel, daß alle gegenseitigen Ansprüche und Verpflichtungen aufgehoben werden, keinen wirksamen Verzicht der Klägerin auf die ihr nach dem Gesetz zustehende Abfertigung darstelle und sich die Klägerin die im Vergleich genannte als freiwillige Abfertigung bezeichnete Teilzahlung auf den geltend gemachten Anspruch anzurechnen habe, richtig ist, reicht es insofern aus auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist lediglich folgendes auszuführen:

Die über Vorschlag des Arbeitgebers von der Klägerin angenommene einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, in dem Willenseinigung darüber erzielt wurde, das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen aufzulösen (Arb 10.243). Inhalt dieser schriftlich festgelegten Vereinbarung war aber im vorliegenden Fall auch der Verzicht der Klägerin auf alle nicht durch den in der Urkunde genannten Betrag abgedeckten Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Dieser Verzicht war, soweit er die hier geltend gemachte unabdingbare gesetzliche Abfertigung betraf, deren Anspruch erst mit der einvernehmlichen Auflösung entstand (Arb 9999) nach § 40 AngG unwirksam, weil er während des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses, wenn auch in dessen Auflösungsphase aber noch vor Fälligkeit des Anspruches erklärt wurde (Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, ArbR3 I 84; Arb 9999; 9 Ob A 206/89, 9 Ob A 33/91, 9 Ob A 1014/91, 9 Ob A 95/93, 9 Ob A 116/93).

Die Kenntnis des Inhaltes der Urkunde durch die Klägerin hatte auf die Unverzichtbarkeit des Anspruches keinen Einfluß. Die von der Revision des Beklagten zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, daß im Einzelfall vor rechtlicher aber bereits wirtschaftlich erfolgter Beendigung des Dienstverhältnisses ein Verzicht auf zwingende Dienstnehmeransprüche zulässig sei (Arb 9209) ist nicht generell anwendbar. Entscheidend ist, ob von einer vollständigen wirtschaftlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesprochen werden kann und die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Vereinbarung nicht mehr in Gewicht fällt. Davon kann aber bei der unvorbereiteten Veranlassung der Klägerin, die sich im Gegensatz zu dem der zitierten Entscheidung zugrundeliegenden Fall nicht bereits längere Zeit im Krankenstand befand und deren persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit daher voll gegeben war, durch die Gattin des Beklagten, den von ihr bereits vorbereiteten Inhalt der zu treffenden Vereinbarung gegen Auszahlung des darin angeführten Betrages zu unterfertigen auch dann keine Rede sein, wenn dieser Inhalt erläutert worden ist. Da durch die vergleichsweise Regelung die Einbuße bestimmter gesetzlich zustehender Ansprüche weder durch Vorteile an anderer Seite noch durch ein erkennbares Interesse der Klägerin an der Klärung einer bisher ungeklärten Sach- und Rechtslage aufgewogen wurde (SZ 64/5), ist die Regelung lediglich im einseitigen Interesse des Arbeitgebers erfolgt. Die Rechtsunwirksamkeit des im Vergleich enthaltenen Verzichtes auf die gesetzliche Abfertigung ist die Folge.

Es mag sein, daß der Arbeitgeber die Klägerin durch die Bemessung der "freiwilligen Abfertigung" auf nur einen Teil der gesetzlichen Abfertigung in Verbindung mit der abverlangten Verzichtserklärung hinsichtlich weiterer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis übervorteilen wollte. Der gesamte Vertrag bildet aber dennoch eine einheitliche Willenserklärung, so daß die "freiwillige Abfertigung" nur im Zusammenhang mit der Verzichtserklärung vereinbart ist. Bei Rechtsunwirksamkeit der Verzichtserklärung kann die freiwillige Abfertigung, die nicht als Geschenk, sondern als Surrogat der gesetzlichen Abfertigung gedacht war, nicht losgelöst von den der Klägerin nach Gesetz und Kollektivvertrag zustehenden Ansprüche verstanden werden. Es geht nicht an, sich einerseits auf die Unwirksamkeit eines wesentlichen ungünstigen Teiles einer Vereinbarung zu berufen und andererseits auf die Wirksamkeit günstiger damit zusammenhängender Detailregelungen zu bestehen (Arb 11.074). Die freiwillige Abfertigung ist daher auf die gesetzlichen Ansprüche anzurechnen. Mit den im Steuerrecht vorgegebenen Unterscheidungen in freiwillige und gesetzliche Abfertigung hat die hier zu beurteilende privatrechtliche Seite der Vereinbarung nichts zu tun.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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