Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei mit EUR 409,92 (darin EUR 68,32 USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 4. 8. 1969 bis 3. 11. 2004 in einem Bauunternehmen als Bauarbeiter beschäftigt, wobei das Dienstverhältnis keine länger als 120 Tage dauernden Unterbrechungen aufweist. Nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Dienstgebers trat der Kläger gemäß § 25 KO mit 3. 11. 2004 aus. Unstrittig ist, dass ihm Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 4. 11. bis 26. 11. 2004 zusteht. Die IAF-Service GmbH erkannte ihre Verpflichtung zur Entrichtung der auf den Kündigungsentschädigungszeitraum entfallenden Zuschläge zum Lohn gemäß 21 BUAG aus den Mitteln des Insolvenz-Ausfallgeldfonds an; sie erklärte, dass sie diese Zuschläge an die Beklagte und nicht an den Kläger zu zahlen habe. Der Kläger begehrte nun die Feststellung, dass der Zeitraum der Kündigungsentschädigung (4. bis 26. 11. 2004) Beschäftigungszeit im Sinne des § 5 BUAG, sohin eine anwartschaftsbegründende Zeit für Ansprüche gegen die Beklagte auf Urlaubsentgelt und Abfertigung, darstelle. Wenn nach § 5 lit d BUAG als Beschäftigungszeiten gemäß § 4 Abs 1 BUAG auch Zeiten einer durch sonstige Gründe als Krankheit, Arbeitsunfall oder Berufskrankheit verursachten Arbeitsverhinderung, für die Anspruch auf Fortzahlung des Entgeltes besteht, gelten, müsse auch der Kündigungsentschädigungszeitraum als anwartschaftsbegründende Zeit angesehen werden. Das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung liege darin, dass das Ausmaß von Anwartschaften für die Berechnung seiner künftigen Ansprüche von wesentlicher Bedeutung sei und überdies die IAF-Service GmbH für den strittigen Zeitraum einen entsprechenden Überweisungsbeitrag zu leisten habe.
Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass Zeiträume der Kündigungsentschädigung keine anwartschaftsbegründenden Zeiten im Sinne des § 5 BUAG seien. Hätte der Gesetzgeber auch diese Zeiten berücksichtigen wollen, hätte er dies wohl ausdrücklich geregelt. Dem Kläger mangle es aber auch am rechtlichen Interesse an der begehrten Feststellung, weil er im fraglichen Zeitraum keinerlei Arbeitsleistung erbracht habe und damit auch keine Anwartschaftswochen gemäß § 6 BUAG erworben habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach dem gesetzlichen System habe der Arbeitgeber an die als öffentlich-rechtliche Institution eingerichtete Beklagte gemäß § 21 BUAG einen Zuschlag zum Lohn zu entrichten, der einen Entgeltbestandteil darstelle. Gemäß § 1162b ABGB behalte der nach § 25 Abs 1 KO vorzeitig austretende Arbeitnehmer seine „vertragsgemäßen Ansprüche auf das Entgelt" für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch ordnungsgemäße Kündigung verstrichen wäre. Auch bei einem Austritt solle der Arbeitnehmer das bekommen, was ihm ohne seine berechtigte Auflösungserklärung zugekommen wäre; er sei daher so zu stellen, als ob sein Arbeitsverhältnis durch Kündigung durch den Masseverwalter beendet worden wäre. Im letzteren Fall wären für den Zeitraum bis zur ordnungsgemäßen Beendigung des Dienstverhältnisses für den Arbeitnehmer Zuschläge als Entgeltsbestandteil an die Beklagte zu leisten gewesen, weshalb diese Zuschläge auch aus dem Titel der Kündigungsentschädigung vom Arbeitgeber an die Beklagte zum Erwerb von Anwartschaftszeiten durch den Arbeitnehmer abzuführen seien. Nur so könne auch dem Zweck der Kündigungsentschädigung, den Arbeitnehmer wie bei ordnungsgemäßer Kündigung zu stellen, entsprochen werden. Auch der Wortlaut des § 5 BUAG spreche nicht gegen die Berücksichtigung des Kündigungsentschädigungszeitraums, zumal durch den Begriff „Zeiten der Beschäftigung" nur Zeiten der Aussetzung der Arbeits- und Entgeltspflicht während der Winterszeit oder während Unterbrechungen zwischen der Auflösung des Dienstverhältnisses und einer Wiedereinstellung ausgeschlossen werden sollten. Hingegen würden - auch ohne ausdrückliche Aufzählung - zu den Beschäftigungszeiten im engeren Sinn nach § 5 BUAG auch jene Zeiten zählen, für die ein gesetzlicher oder vertraglicher Entgeltanspruch ohne Arbeitsleistung zustehe. Der Zweck der Einschränkung auf Beschäftigungszeiten in § 5 BUAG stehe mit der Berücksichtigung von Zeiten der Kündigungsentschädigung nicht im Widerspruch. Auch im Falle der Entgeltfortzahlung nach Beendigung des Dienstverhältnisses wegen Krankheit handle es sich wohl unstrittig um eine Beschäftigungswoche im Sinne des § 6 BUAG, obwohl der Arbeitnehmer infolge Erkrankung und Beendigung des Dienstverhältnisses keine Arbeitsleistung zu erbringen habe. Beschäftigungszeiten im Sinne des BUAG stellten schon denklogisch auch Anwartschaftswochen im Sinne des § 6 BUAG dar. Der Kläger habe auch ein rechtliches Interesse an der Feststellung der strittigen Anwartschaftszeiten, weil er derzeit seine durch die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist entstandene Schaden noch nicht beziffern könne.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Ein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis sei ein Rechtsverhältnis, das zur Arbeitsleistung für einen anderen verpflichte. Daran knüpfe § 5 lit a BUAG an, wenn von Beschäftigungszeiten in Arbeitsverhältnissen gesprochen werde. § 5 BUAG verwende die Begriffe Beschäftigungszeiten in verschiedener Bedeutung: Einerseits als Zeiten, in denen der Arbeitnehmer tatsächlich beschäftigt ist (Beschäftigungszeiten im engeren Sinn), andererseits Zeiten, in denen der Arbeitnehmer aus bestimmten Gründen an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert ist (Beschäftigungszeiten im weiteren Sinn). Zu letzteren zählten ua Zeiten einer durch sonstige Gründe verursachten Arbeitsverhinderung für die Anspruch auf Fortzahlung des Entgeltes bestehe. Der Anspruch auf Kündigungsentschädigung stelle jedoch keinen gesetzlichen oder vertraglichen Entgeltsanspruch ohne Arbeitsleistung, sondern vielmehr einen Schadenersatzanspruch dar. Jene Zeiten, für die dem Arbeitnehmer lediglich Schadenersatzansprüche zustehen, könnten daher nicht als Beschäftigungszeiten im Sinne des § 5 BUAG verstanden werden. In allen Fällen des § 5 BUAG sei nämlich für die Anrechnung solcher Zeiträume als Beschäftigungszeiten ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts Voraussetzung. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob der Zeitraum der Kündigungsentschädigung als Beschäftigungszeit im Sinne des § 5 BUAG anzusehen sei, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt. Ganz zutreffend hat bereits das Erstgericht darauf hingewiesen, dass sich aus § 1162 b ABGB der allgemeine Grundsatz ergibt, dass der Dienstnehmer im Falle eines berechtigten Austrittes wirtschaftlich so zu stellen ist, als wäre das Dienstverhältnis vertragsgemäß beendet worden. Es stehen ihm daher auch jene Ansprüche zu (zB Urlaubsansprüche wegen des Beginns eines neuen Urlaubsjahres), die bei ordnungsgemäßer Beendigung im dafür erforderlichen Zeitraum entstanden wären (vgl nur Spenling in KBB § 1162b Rz 3). Es ist kein sachlicher Grund dafür zu erkennen, im Anwendungsbereich des BUAG von diesen Grundsätzen abzuweichen. Hätte ein Dienstnehmer im Zeitraum zwischen tatsächlicher Beendigung des Dienstverhältnisses durch berechtigten Austritt und dem Vertragsende bei regulärer Kündigung („Kündigungsentschädigungszeitraum") neben dem eigentlichen Lohnanspruch weitere Vorteile aus dem Dienstverhältnis erlangt, stehen ihm diese auch bei vorzeitiger Beendigung durch Austritt zu. Er kann - außerhalb des Anwendungsbereiches des BUAG - in diesem Zeitraum daher sowohl urlaubsrechtliche Ansprüche und Anwartschaften erwerben als auch Anwartschaftszeiten für den Abfertigungsanspruch (RIS-Justiz RS0028397).
Anhaltspunkte dafür, dass im System des BUAG Abweichendes gelten sollte, sind dem Gesetz nicht zu entnehmen. Auch die Revisionsgegnerin vermag sachlich nicht zu begründen, warum Bauarbeiter im Zusammenhang mit Vorteilen, die bei regulärem Vertragsende im „Kündigungsentschädigungszeitraum" erworben worden wären, schlechter gestellt werden sollen, als sonstige Arbeitnehmer. Die Behauptung, durch die Berücksichtigung von „Zeiten der Kündigungsentschädigung" als Beschäftigungszeiten wäre das System der BUAG "in Frage gestellt", zumal für diese Zeiten keine Beiträge eingehoben werden könnten, ist unzutreffend. Abgesehen davon, dass gerade im vorliegenden Fall die IAF-Service GmbH ausdrücklich erklärt hat, ihre Verpflichtung zur Zahlung von Zuschlägen gemäß § 21 BUAG anzuerkennen und diese Zuschläge an die Beklagte zu zahlen, folgt eben - wie schon das Erstgericht erkannt hat - aus dem Grundsatz, dass der Dienstnehmer bei berechtigtem Austritt nicht schlechter - und der Dienstgeber nicht besser - gestellt sein soll, die Verpflichtung des Dienstgebers zum Abführen von Zuschlägen zum Lohn auch für die Kündigungsentschädigung. Dass diese rechtlich als Schadenersatzanspruch zu qualifizieren ist, hat für die vorliegende Frage keine Bedeutung, weil es sich zweifellos um einen Anspruch mit Entgeltersatzfunktion handelt. Es ist kein gerechtfertigter Grund dafür zu erkennen, warum sich der Dienstgeber diese Zuschläge für die Kündigungsentschädigung ersparen können sollte, wenn er Anlass zum berechtigten Austritt des Dienstnehmers gegeben hat. Der Dienstgeber - bzw hier die IAF-Service GmbH im Rahmen des IESG - hat somit nicht nur dem Dienstnehmer den fiktiven Lohn für den fraglichen Zeitraum (unter Berücksichtigung aller Steuern und sonstigen Abgaben), sondern auch der Beklagten die auf die Kündigungsentschädigung entfallenden Zuschläge zu zahlen. Damit korrespondiert die Verpflichtung der Beklagten, diesen Zeitraum als Beschäftigungszeit gemäß § 5 BUAG zu berücksichtigen.
Unverständlich ist der - im Revisionsverfahren wiederholte - Einwand der Beklagten, ein Feststellungsinteresse liege nicht vor, weil der Kläger im fraglichen Zeitraum keine Arbeitsleistung erbracht habe und somit die Voraussetzung einer nicht weniger als 30 Stunden betragenden Beschäftigungszeit pro Kalenderwoche gemäß § 6 Abs 1 BUAG nicht erfüllt sei. Für Beschäftigungszeiten im weiteren Sinn, in denen keine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers vorliegt (zB § 5 lit d bis h BUAG), ist selbstverständlich eine reale Beschäftigung in einer bestimmten zeitlichen Dauer nicht zu fordern. Hier kann es ausschließlich darauf ankommen, in welchem zeitlichen Ausmaß der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen wäre, wenn er nicht aus den im Gesetz genannten Gründen an der Arbeitsleistung gehindert gewesen wäre. Dies gilt auch für den „Kündigungsentschädigungszeitraum". Dass der Kläger weniger als 30 Arbeitsstunden pro Woche zu leisten gehabt hätte, behauptet die Beklagte selbst nicht.
Das von der Revisionsgegnerin verwendete Argument ist daher nicht geeignet, ein rechtliches Interesse des Klägers an dem angestrebten Feststellungsurteil zu verneinen. Dieses ergibt sich im Übrigen bereits daraus, dass es jedenfalls für seinen Urlaubsanspruch von Bedeutung ist, ob der fragliche Zeitraum als Beschäftigungszeit im Sinne des § 5 BUAG gilt. Dem Kläger ist zweifellos ein rechtliches Interesse daran zuzubilligen, sich darüber Klarheit zu verschaffen, in welchem Ausmaß er (bezahlten) Urlaub in Anspruch nehmen kann. Die Ausführungen der Revisionsgegnerin zu einem „Gesamtgünstigkeitsvergleich" zwischen Bauarbeitern und Arbeitnehmern aus anderen Bereichen gehen schon deshalb ins Leere, weil es darauf für die Lösung der vorliegenden Frage nicht ankommt. Hier geht es ausschließlich darum, ob ein Bauarbeiter, der sein Dienstverhältnis durch berechtigten Austritt vorzeitig beendet, schlechter bzw anders zu stellen ist, als ein anderer Bauarbeiter, dessen Dienstverhältnis zum nächstmöglichen Termin durch ordentliche Kündigung - allenfalls auch durch Zeitablauf bei befristeten Arbeitsverträgen - endet. Dass eine solche Differenzierung nicht gerechtfertigt wäre, wurde bereits dargelegt. Aus dem Umstand, dass ein Arbeitnehmer im „Kündigungsentschädigungszeitraum" keine Arbeitsleistung erbringt, kann sich schon deshalb nichts Gegenteiliges ergeben, weil dies ausschließlich darauf zurückzuführen ist, dass der Dienstgeber Anlass zur vorzeitigen Vertragsbeendigung gegeben hat. Warum dem ausgetretenen Arbeitnehmer durch Berücksichtigung dieses Zeitraums ein (zusätzlicher) wirtschaftlicher Vorteil entstehen sollte, ist nicht nachvollziehbar.
Soweit der - vom Berufungsgericht zitierten - Entscheidung zu 4 Ob 43/85 (Arb 10.435 = RdW 1985, 350) eine andere Rechtsansicht zugrundeliegt, vermag sich ihr der erkennende Senat nicht anzuschließen. Der in dieser Entscheidung zu Recht hervorgehobene Gesichtspunkt, dass (auch) der Zuschlag gemäß § 21 BUAG (wirtschaftlich) als Arbeitsentgelt anzusehen ist, kann aber die daraus abgeleitete Folge, nämlich die Aktivlegitimation des Arbeitnehmers im Hinblick auf diesen Entgeltsteil im Rahmen der Kündigungsentschädigung, nicht tragen. Bleibt man dabei, dass der Arbeitnehmer in Ansehung der Entgeltsfrage durch den berechtigten vorzeitigen Austritt ebenso gestellt werden soll, wie er stünde, wenn das Dienstverhältnis zum nächstmöglichen Zeitpunkt regulär zu Ende gegangen wäre, ist es nur konsequent, den (nur wirtschaftlich dem Arbeitnehmer gebührenden) Zuschlag gemäß § 21 BUAG auch für den hier zu beurteilenden Zeitraum der Urlaubs- und Abfertigungskasse, und nicht dem Arbeitnehmer selbst, zukommen zu lassen. Nur eine solche Lösung entspricht dem dem BUAG zugrundeliegenden System des Erwerbs von Urlaubs- und Abfertigungsansprüchen durch Bauarbeiter. Auch die (vorzeitige) Beendigung des Dienstverhältnisses zum letzten Dienstgeber ist kein Grund dafür, von diesem System abzuweichen. Vielmehr hat ein Arbeitnehmer auch und gerade in einem solchen Fall Interesse daran, dass der vom Dienstgeber ja zweifellos geschuldete (so auch 4 Ob 43/85) Zuschlag gemäß § 21 BUAG dazu verwendet wird, dem Bauarbeiter im Rahmen der Urlaubs- und Abfertigungskasse zugute zu kommen. Eine sachliche Begründung dafür, dass gerade im Zusammenhang mit der Kündigungsentschädigung die Zuschläge ausnahmsweise direkt dem Arbeitnehmer auszuzahlen wären - womit zugleich der Zweck des „Ansparens" im Rahmen der Urlaubs- und Abfertigungskasse vereitelt wäre - vermag auch die Revisionsgegnerin nicht zu geben.
Aus den dargelegten Gründen ist daher die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.
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