OGH 4Ob43/85

OGH4Ob43/852.4.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl und Dr. Resch sowie die Beisitzer Dr. Walter Haindl und Johann Friesenbichler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans-Jürgen A, Betonbaulehrling, Braunau am Inn, Reitfeldstraße 3, vertreten durch den Vater Johann A, dieser vertreten durch Wolfgang Gruber, Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich in Linz, Vorgartenstraße 40, wider die beklagte Partei Dipl.Ing.Anton KELLNER'S Nachfolger Ing. Otto B, Bauunternehmer in Braunau am Inn, Linzerstraße 7, vertreten durch Dr. Karl Nöbauer, Rechtsanwalt in Braunau am Inn, als Sachwalter der Gläubiger im Ausgleich Sa 4/84 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis, wegen S 2.746,-- s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 13.12.1984, GZ 12 Cg 11/84-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Braunau am Inn vom 2.8.1984, GZ Cr 41/84-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begründete am 11.7.1983 mit der Beklagten ein Lehrverhältnis im Lehrberuf Betonbauer. Als Ende der Lehrzeit wurde der 10.7.1986 vereinbart. Am 24.2.1984 wurde beim Kreisgericht Ried im Innkreis zu Sa 4/84 über das Vermögen des Beklagten das Ausgleichsverfahren eröffnet. Der Betrieb wurde am selben Tag geschlossen, worauf der Kläger mit Schreiben vom 7.3.1984 seinen vorzeitigen Austritt erklärte. Der Kläger wurde sofort vom Bauunternehmer C in ein Lehrverhältnis übernommen, das ebenfalls der Zuschlagspflicht gemäß § 21 Bauarbeiterurlaubsgesetz unterliegt. Anläßlich der Ausgleichstagsatzung wurde die Forderung des Klägers auf Entschädigung für die vom Beklagten nach Beendigung des Lehrverhältnisses nicht mehr abgeführten Zuschläge gemäß § 21 BArbUG in der Höhe von S 2.716,-- nicht anerkannt.

Der Kläger begehrte nach Klagsausdehnung im Berufungsverfahren zuletzt den Zuspruch von S 2.746,-- s.A. an Zuschlägen, welche der Beklagte für drei Monate nach der Auflösung des Dienstverhältnisses hätte entrichten müssen. Er sei gemäß § 15 Abs 4 BAG im Hinblick auf die Schließung des Betriebes berechtigterweise vorzeitig ausgetreten, weshalb ihm gemäß § 1162 b ABGB das Entgelt für drei Monate ohne Abzug zustehe.

Der Beklagte stellte das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit, beantragte jedoch, es abzuweisen, und wendete ein, der Zuschlag nach dem Bauarbeiterurlaubsgesetz stelle keinen Teil des Lohnes des Bauarbeiters dar, sondern eine öffentlich-rechtliche Leistung, die der Arbeitgeber der Urlaubskasse schulde. § 1162 b ABGB sei daher auf solche Beträge nicht anzuwenden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, der vom Dienstgeber nach § 21 BArbUG 1972 zu entrichtende Zuschlag stelle keinen Teil des Lohnes des Bauarbeiters dar, auf den dieser einen Anspruch habe, sondern eine öffentlich-rechtliche Leistung, welche der Arbeitgeber der Urlaubskasse schulde. überdies sei dem Kläger durch die Nichtabführung der Zuschläge kein Schaden entstanden, weil er sofort mit Beendigung des Lehrverhältnisses zum Beklagten bei einer anderen Baufirma in ein Lehrverhältnis aufgenommen worden sei und von dieser Baufirma die Zuschläge bezahlt werden müßten.

Das Berufungsgericht gab über Berufung des Klägers dem ausgedehnten Klagebegehren statt. Es verhandelte die Streitsache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem und vertrat unter Berufung auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 6.9.1983, 4 Ob 158/82 die Auffassung, die Zuschläge zur Bauarbeiterurlaubskasse seien als Entgelt im Sinne des § 1162 b ABGB anzusehen.

Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wieder herzustellen. Der Kläger hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt. Vorauszuschicken ist, daß der Beklagte zwar in seinem Revisionsantrag nur die Wiederherstellung des Ersturteils begehrt, dem Vorbringen in der Revision aber zu entnehmen ist, daß die vollständige Klagsabweisung, also auch die Abweisung des im Berufungsverfahren ausgedehnten Klagebegehrens angestrebt wird.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 6.9.1983, 4 Ob 158/82 (Arb 10292) unter anderem folgendes ausgeführt:

Nach Lehre und Rechtsprechung (Martinek-Schwarz, Abfertigung und Auflösung des Arbeitsverhältnisses 317 und 329 f; Martinek-Schwarz, AngG 5 156 f und 374 f ((nunmehr AngG 6 194 f, 234 f, 446 f und 455 f)); Mayer-Maly, Österreichisches Arbeitsrecht 78 f, SZ 50/46

ua) ist der Begriff des 'Entgelts' im Österreichischen Arbeitsrecht ein umfassender. Zum Entgelt gehören daher regelmäßig nicht nur das eigentliche Gehalt, sondern auch alle übrigen ordentlichen oder außerordentlichen Leistungen zusätzlicher Art. Soweit es sich um einen Teil der Gegenleistung des Arbeitgebers für die überlassung der Arbeitskraft durch den Arbeitnehmer handelt, gehören insbesondere auch Sonderzahlungen, Provisionen, Beihilfen, Gewinnbeteiligungen und dergleichen, aber auch alle Arten von Naturalleistungen des Arbeitgebers zum Gesamtentgelt des Arbeitnehmers (SZ 50/46 mwN). Daraus ergibt sich, daß grundsätzlich auch ein vom Dienstgeber bezahlter Urlaubszuschuß dem Entgeltbegriff zu unterstellen ist. Das Bauarbeiterurlaubsgesetz ist aus der Notwendigkeit entstanden, für Bauarbeiter, die in der Regel die für einen Urlaubsanspruch nach dem Arbeiterurlaubsgesetz erforderliche ununterbrochene Beschäftigungszeit nicht erreichen, die Möglichkeit zu schaffen, 'ebenfalls einen Urlaub in natura nehmen zu können'. Daher hatte nach dem ursprünglichen Gesetz vom 20.3.1946, BGBl. Nr.81 der Dienstgeber für jeden Arbeiter, der innerhalb einer Kalenderwoche eine bestimmte Arbeitszeit aufwies, mittels Kaufs von Urlaubsmarken einen Zuschlag zum Lohn an eine Ausgleichskasse zu entrichten, die dann für das dem Arbeiter entsprechend seiner Gesamtbeschäftigungszeit in der Bauwirtschaft zustehende Urlaubsentgelt aufkam. In der Folge wurde dieses aufwendige System des Klebens von Urlaubsmarken durch das nunmehr geltende System der Zuschlagsvorschreibung unter Verwendung von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen ersetzt (vgl.426 BlgNr.13.GP). Beim Urlaubsentgelt (Urlaubsgeld zuzüglich Urlaubszuschuß) im Sinne des § 8 BArbUG handelt es sich also auch um einen in Wahrheit vom Arbeitgeber entrichteten Teil des Arbeitsentgelts, wenngleich dieser Teil erst nach einem Umweg über die Urlaubskasse wiederum bei Urlaubsantritt vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer ausbezahlt wird. Denn die Höhe des Urlaubsentgelts richtet sich gemäß § 8 Abs 1 BArbUG nach den in der Anwartschaftsperiode erworbenen Anwartschaften, wobei der Arbeitnehmer für jeden vom Arbeitgeber zu leistenden Zuschlag zum Lohn eine Anwartschaft auf den Zuschlagswert erwirbt. Gemäß § 4 Abs 2 BArbUG hat die sich aus den in der Anwartschaftsperiode erworbenen Anwartschaften ergebende Leistung (Urlaubsentgelt) einer der Urlaubsdauer entsprechenden Lohnfortzahlung in der Höhe des Lohnes gemäß § 21 Abs 3 zuzüglich eines Urlaubszuschusses im gleichen Ausmaß zu entsprechen. Der Arbeitgeber wiederum hat gemäß § 21 Abs 2 BArbUG für jeden Arbeitnehmer die auf die einzelnen Anwartschaftswochen entfallenden Zuschläge mit gewissen Ausnahmen zu entrichten. Auch die Höhe dieser abzuführenden Zuschläge richtet sich nach dem um 25 % erhöhten kollektivvertraglichen Stundenlohn, wobei in Ermangelung eines Kollektivvertrages der vereinbarte Stundenlohn als Berechnungsbasis gilt (§ 21 Abs 3 BArbUG). Daraus ergibt sich eindeutig, daß sich sowohl die vom Arbeitgeber abzuführenden Zuschläge als auch das dem Arbeitnehmer zustehende Urlaubsentgelt der Höhe nach am Lohn des Bauarbeiters orientieren. Beim Urlaubsentgelt handelt es sich daher nur formell - aus organisatorischen Gründen - um Leistungen der Urlaubskasse, tatsächlich aber um Entgeltzahlungen des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit.

Die Ausführungen in der Revision bieten keinen Anlaß, von dieser Rechtsansicht abzugehen. Soweit der Beklagte auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.4.1984, Zl.82/11/0148 verweist, kann den darin enthaltenen Ausführungen nicht beigetreten werden. Der Verwaltungsgerichtshof begründet seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Zuschlag gemäß § 32 BArbUG eine öffentlich-rechtliche Leistung sei, welche der Arbeitgeber der Urlaubskasse schulde. Sie sei kein Lohn des Bauarbeiters, der lediglich eine Anwartschaft auf den Zuschlagswert erwerbe, die aber ebenfalls keinen Entgeltanspruch gegen den Arbeitgeber begründe. Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Entscheidung ausschließlich von der vom Gesetzgeber wegen der kurzen Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers beim einzelnen Arbeitgeber im Baugewerbe gewählten formalen Konstruktion aus, berücksichtigt aber nicht, daß die Zahlung der Zuschläge - wie jedes Urlaubsgeldes und jedes Urlaubszuschusses - ihre Grundlage im bestehenden Arbeitsverhältnis hat und letztere einen Teil des Entgelts für die vom Arbeitnehmer zur Verfügung gestellte Arbeitskraft darstellen. Geht man aber davon aus, daß es sich nur formell - aus organisatorischen Gründen - um Leistungen der Urlaubskasse, tatsächlich aber um Entgektzahlungen des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit handelt, dann handelt es sich auch um Entgeltansprüche gemäß § 1162 b ABGB, die dem Arbeitnehmer für den Zeitraum von drei Monaten ohne Abzug zustehen, weshalb es ohne Bedeutung ist, daß der Kläger sofort nach Auflösung des Lehrverhältnisses zur beklagten Partei ein neues Lehrverhältnis begründen konnte.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Revisionskosten gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.

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