OGH 9ObA53/13d

OGH9ObA53/13d29.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Peter Schönhofer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** S*****, vertreten durch Dr. Alfred Hawel, Dr. Ernst Eypeltauer ua, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Günther Klepp, Dr. Peter Nöbauer ua, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. März 2013, GZ 12 Ra 4/13i-18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der echte Arbeitsvertrag unterscheidet sich nach herrschender Lehre und Rechtsprechung vom freien Dienstvertrag durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber (vgl RIS‑Justiz RS0021518; RS0021332; RS0021306; RS0021284). Die Bestimmungsmerkmale der persönlichen Abhängigkeit ‑ dh die Unterworfenheit des Arbeitnehmers unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers, die sich in organisatorischer Gebundenheit, insbesondere an Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle äußert ‑ müssen nicht alle gemeinsam vorliegen, sondern können auch in unterschiedlich starker Ausprägung auftreten (RIS‑Justiz RS0021284 ua). Entscheidend ist, ob sie ihrem Gewicht und der Bedeutung nach bei Anstellung einer Gesamtbetrachtung überwiegen (RIS‑Justiz RS0021332 [T15], zuletzt zB 9 ObA 16/12m). Die Frage, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag oder ein freier Dienstvertrag besteht, kann immer nur an Hand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden (zB RIS‑Justiz RS0111914 [T6]).

2. Der Kläger war zu 25 % an einer GmbH beteiligt, die Komplementärin einer GmbH & Co KG war. Diese war Pächterin von vier Gastronomiebetrieben. Nach seinem mit der GmbH abgeschlossenen Dienstvertrag war der Kläger für die organisatorische Führung dieser Gastronomiebetriebe zuständig. In der Erfüllung seiner Aufgabe war er „gänzlich weisungsfrei“. Er war auch für die Personalauswahl, Personaleinstellung und „‑ausstellung“ verantwortlich und weisungsfrei, dies auch hinsichtlich der Einstufung und Entlohnung der Dienstnehmer der GmbH & Co KG. Darüber hinaus war er berechtigt, sämtliche Verhandlungen mit Lieferanten, Versicherungen, Banken und dergleichen im Sinne eines ordentlichen Kaufmannes zu führen, Verträge abzuschließen und alleine rechtsgültig für die GmbH & Co KG zu zeichnen. Ein gewöhnlicher Arbeitsort war zwar vereinbart, eine Tätigkeit von zu Hause aus war ihm jedoch nach eigenem Ermessen erlaubt. Ausdrücklich waren ihm auch Nebenbeschäftigungen oder sonstige Erwerbstätigkeiten welcher Art immer erlaubt. Neben der Möglichkeit, kostenlos Speisen und Getränke zu konsumieren, war er berechtigt, nach eigenem Ermessen betriebsfremde Personen auf Kosten des Dienstgebers einzuladen oder dieses Recht auf einzelne Dienstnehmer der GmbH & Co KG zu überbinden. Da er somit keiner unmittelbaren Kontrolle durch den Arbeitgeber unterlag, ist die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass hier ein ‑ nicht der Bestimmung des § 3 AVRAG unterliegendes (8 ObA 143/98g; Binder, AVRAG² § 3 Rz 33; Gahleitner in ZellKomm² AVRAG § 3 Rz 34 ua) ‑ freies Dienstverhältnis vorlag, vertretbar.

Die vermeintliche Feststellung des Erstgerichts, dass der Kläger bei der GmbH „angestellt“ gewesen sei, ist der rechtlichen Beurteilung der festgestellten Vereinbarung zuzuordnen, die den eben angeführten Kriterien zu folgen hat.

3. Auch der Beurteilung der Frage, ob die Beklagte mit ihrer Erklärung vom 11. 5. 2012 das Vertragsverhältnis des Klägers übernommen hat, kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Primärer (vom Kläger vorbereiteter) Inhalt der Erklärung war der ua an ihn gerichtete Auftrag, mit den Dienstnehmern Urlaubsvereinbarungen abzuschließen. Wenn das Berufungsgericht in der abschließenden Bestätigung der Beklagten („Es wird hiemit bestätigt, dass die [Beklagte] sämtliche Arbeitsverhältnisse der [GmbH] und der [GmbH & Co KG] mit 1. August 2012 übernimmt.“) nur eine Mitteilung der ihr bewussten Tatsache sah, dass die dem AVRAG unterliegenden Dienstverhältnisse des Altpächters zu übernehmen sind, jedoch keine Willenserklärung der Beklagten mit rechtsgeschäftlichem Verpflichtungswillen, auch nicht dem AVRAG unterliegende freie Dienstverhältnisse zu übernehmen, erkannte, so ist auch das nach den Umständen des Falles vertretbar und bedarf keiner Korrektur.

4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

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