Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrt den Zuspruch von Kündigungsentschädigung samt anteiligen Sonderzahlungen (für drei Monate) sowie die Urlaubsentschädigung für 36 Werktage.
Die Klägerin war seit 4. 3. 1996 bei der F***** & Co Gesellschaft mbH ("F*****") im Fertigteilhauszentrum Vösendorf "Blaue Lagune" als Angestellte mit einem Gehalt von zuletzt S 105,10 pro Stunde beschäftigt. Sie verrichtete im Büro des Hauses Nr. 23 Schreibarbeiten und den Telefondienst. Laut Bescheid des Bundessozialamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 21. 2. 1992 gehört die Klägerin zum Kreis der nach dem Behinderteneinstellungsgesetz geschützten Dienstnehmerinnen. Im Juni 1997 kam zwischen ihr und dem Geschäftsführer der Beklagten, Gerhard P*****, eine Vereinbarung zustande, wonach sie ab 1. 7. 1997 als Bürokraft mit einem Stundenlohn von S 110 brutto für die beklagte Partei tätig sein sollte. Im Juli 1997 brachte die Klägerin S 11.660 brutto ins Verdienen.
Die F***** & Co GmbH hat ihren Hauptsitz in Kärnten. Sie stellt Fertigteilhäuser her. In Wien-Vösendorf "Blaue Lagune", Linz, Klagenfurt und Graz betrieb dieses Unternehmen Verkaufsstellen. Bei den Musterhäusern in der "Blauen Lagune" handelt es sich um Superädifikate, die Liegenschaft selbst ist von der S***** Betriebsgesellschaft angemietet. In letztgenannter Verkaufsstelle waren zuletzt Gerhard P***** (= Geschäftsführer der beklagten Partei), zwei weitere Verkäufer, Ing. Gerhard F***** und die Klägerin als Bürokraft beschäftigt. Die Fertigteilhäuser wurden in Kärnten produziert und im Rohzustand an Kunden geliefert. Auswahl und Organisation von Subfirmen für die verschiedenen Aufbaustufen bis hin zur schlüsselfertigen Übergabe erfolgte vom Stammbetrieb in Kärnten aus. Gerhard P***** begann Anfang 1996, für "F*****" als selbständiger Handelsvertreter auf Provisionsbasis Verkaufstätigkeiten zu entfalten. Er war seiner Funktion nach Verkaufsleiter für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Diese Tätigkeit umfasste die Kundenwerbung und Kundenberatung, Entwurfzeichnungen, Behördenwege und Kundenkontakte. Er übte seine Tätigkeit in einem Büro im Musterhaus der "F*****", Haus Nr. 21, in der "Blauen Lagune" aus, wo auch die Klägerin arbeitete und ihm unterstellt war. Darüber hinaus bezog Gerhard P***** auf Grund eines Angestelltenverhältnisses zu "F*****" ein Gehalt. Dies wurde mit verdienten Provisionen gegenverrechnet.
Im Mai 1997 gründete Gerhard P***** die beklagte Partei, deren Geschäftsführer er wurde. Am 20. 6. 1997 schloss er eine "Kooperationsvereinbarung" mit F***** & Co. Danach übernahm die Beklagte ab 1. 7. 1997 den Verkauf von F*****-Fertigteilhäusern, weiters die Kundenwerbung, Kundenberatung, Entwurfzeichnungen, Hausbestellung, Behördenwege und Kundenkontakte bis hin zur Hausübergabe. Ab 1. 7. 1997 wählte die Beklagte weiters die für die Erstellung der verschiedenen Ausbaustufen zu beauftragenden Subunternehmen selbst aus und übernahm auch die Abwicklung mit diesen. Für ihre Vermittlungstätigkeit erhielt die Beklagte 14 % Verkaufsprovision. Davon waren vereinbarungsgemäß sämtliche Betriebs- und Instandhaltungskosten der beiden Musterhäuser, die Mietkosten für die Liegenschaft, Versicherungen für diese Häuser, Gemeinschaftswerbekosten der "Blauen Lagune", Werbekosten für den Raum Wien, Niederösterreich und Burgenland abzudecken. Für bereits vor dem 1. 7. 1997 geworbene Kunden bezog Gerhard P***** die Provision wie bisher, für danach akquirierte Kunden war der Kooperationsvertrag mit der beklagten Partei anzuwenden. Ab 1. 7. 1997 beschäftigte die Beklagte nicht nur die Klägerin, sondern auch die beiden bisher für "F*****" tätig gewesenen Verkäufer. Die Parzellen mit den Häusern Nr. 21 und 23 wurden an die Beklagte übergeben, welche ihre Bürotätigkeiten vom Haus Nr. 21 in das Haus Nr. 23 verlegte. Die Beklagte kaufte zusätzliches Inventar zu und ließ weitere Schauräume zu Büros adaptieren. Sie übernahm die Telefonanlage von "F*****", die Telefonnummern blieben gleich. Anfangs verwendete die Beklagte noch Briefpapier von "F*****", später eigenes. In der Koopoerationsvereinbarung verpflichtete sich die Firma "F*****", keine weiteren Verkaufsstellen in Wien, Niederösterreich und Burgenland zu errichten. Unmittelbar nach dem 1. 7. 1997 hielt sich "F*****" auch daran. Ing. Gerhard F***** jun arbeitete vor dem 1. 7. 1997 als Verkäufer für "F*****". Er wurde in diese Tätigkeit vom späteren Geschäftsführer der Beklagten eingeschult. Auch nach dem 1. 7. 1997 arbeitete er zeitweise in den F*****-Musterhäusern in der "Blauen Lagune", wobei er einerseits unter Betreuung des Geschäftsführers der beklagten Partei für diese arbeitete und gleichzeitig Interessen von "F*****" wahrte, ohne jedoch in einem Beschäftigungsverhältnis (gemeint: "Angestelltenverhältnis") zur beklagten Partei zu stehen.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat die Fragen eines Betriebsüberganges im Sinne des § 3 AVRAG sowie den Anspruch der Klägerin auf Kündigungsentschädigung und Urlaubsentschädigung zutreffend bejaht. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:
Wenngleich die Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. 6. 1998, womit die Richtinie 77/187/EWG geändert wurde, noch nicht umgesetzt ist, ist ihr im Wege der richtlinienkonformen Interpretation dennoch Beachtung zu widmen, weil die Änderung des Art 1 im Wesentlichen nur jene Leitsätze zusammenfasst, welche vom EuGH zur bereits geltenden Richtlinie geprägt wurden (9 ObA 153/98k = DRdA 2000/10 [Mayr]). Der Hinweis der Revisionswerberin auf die neue Richtlinie eröffnet somit keine neuen, von der Rechtsprechung des EuGH und daran anschließend vom Obersten Gerichtshof nicht ohnehin schon bisher berücksichtigten Aspekte. Die Richtlinie 77/187/EWG , deren innerstaatliche Umsetzung durch §§ 3 bis 6 AVRAG erfolgte, soll die Kontiniuität der im Rahmen einer wirtschaftlichen Einheit bestehenden Arbeitsverhältnisse unabhängig von einem Inhaberwechsel gewährleisten. Entscheidend für einen Übergang im Sinne der Richtlinie ist, ob die fragliche Einheit ihre Identität bewahrt, was namentlich dann zu bejahen ist, wenn der Betrieb tatsächlich weiter geführt oder wieder aufgenommen wird. Die Anwendung der Richtlinie setzt voraus, dass es um den Übergang einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit geht, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Der Begriff "Einheit" bezieht sich dabei auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung (EuGH vom 2. Dezember 1999, G.C. Allen ua/ACC, Rechtssache C-234/98 ). Die Tragweite der Betriebsübergangsrichtlinie kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht allein auf Grund einer wörtlichen Auslegung bestimmt werden; entscheidend ist vielmehr der Zweck, welcher darin besteht, die Aufrechterhaltung der Rechte der Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Unternehmensinhabers so weit wie möglich zu gewährleisten, indem sie den Arbeitnehmern die Möglichkeit einräumt, ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Inhaber zu den selben Bedingungen fortzusetzen, die mit dem Veräußerer vereinbart waren (RIS-Justiz RS0108458, zuletzt 9 ObA 197/99g).
Ob ein Betrieb mit oder ohne Gegenleistung, also durch Kauf, Tausch oder Schenkung, veräußert wird oder daran bloß ein dingliches oder schuldrechtliches Nutzungsrecht (in Gestalt eines Nießbrauchs, einer Miete, Pacht oder Leihe) begründet wird, ist nicht entscheidend. Es reicht aus, dass der für die Geschicke des Betriebes Verantwortliche ("Inhaber") wechselt. Der Begriff des Betriebsübergangs lässt sich nicht auf rechtsgeschäftliche Verfügungen reduzieren. Unter "Übertragungsvorgängen" sind alle Akte zu verstehen, durch die unternehmerische Dispositionsbefugnisse in Bezug auf ein Übertragungsobjekt von einem Verantwortlichen auf einen anderen übertragen werden. Das AVRAG versucht in Entsprechung des Art 1 der Betriebsübergangsrichtlinie, möglichst viele Übertragungsvorgänge zu erfassen und stellt auf ein Rechtsgeschäft überhaupt nicht mehr ab. Dies entspricht insoweit der Richtlinie, als diese gemäß ihrem
Artikel 7 die Möglichkeit der Mitgliedsstaaten nicht einschränkt, für die Arbeitnehmer günstigere Rechts- oder Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen (9 ObA 153/98k = DRdA 2000/10). Nach den Feststellungen sind sowohl die wesentlichen Betriebsmittel, als auch der überwiegende Teil der Dienstnehmer des in der "Blauen Lagune" geführten Teilbetriebs sowie der räumlich abgegrenzte Kundenstock auf die beklagte Partei übergegangen. Auf Grund der vorgenannten Erwägungen ist es daher ohne Bedeutung, ob der Geschäftsführer der beklagten Partei seine frühere Tätigkeit für die Übergeberin des Teilbetriebes selbständig oder im Angestelltenverhältnis durchgeführt hat, weil die Administration sowohl vorher wie nachher durch die selbe Organisationseinheit, welche vorher der Übergeberin und danach der übernehmenden Beklagten zuzuordnen war, ausgeübt wurde. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Beklagte die Tätigkeit des früheren Teilbetriebes um weitere Agenden, wie die Koordinierung des Ausbaus der Fertigteilhäuser bis zu deren Schlüsselfertigkeit, erweitert hat, zumal nicht erkennbar ist, dass sich dadurch an der bestehenden Organisationseinheit Wesentliches geändert hätte.
Obige Erwägungen lassen aber auch den Umstand unbeachtlich erscheinen, dass es zwischen der Übergeberin und der Übernehmerin zu einem zeitlich befristeten "Kooperationsvertrag" gekommen ist, weil "die auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit" gerade davon nicht abhängt, auf welcher vertraglichen Grundlage der Übernehmer den (Teil-)Betrieb weiterführt, wenn dieser, was hier der Fall ist, faktisch erhalten bleibt.
Daraus folgt, dass die Klägerin der Beklagten als Betriebsübernehmerin gegenüber jene Rechte geltend machen kann, welche ihr gegenüber der Übergeberin zustanden. Wenngleich die gegen die Bestimmung des Behinderteneinstellungsgesetzes verstoßende Kündigung grundsätzlich unwirksam gewesen wäre, konnte die Klägerin im Rahmen der ihr zustehenden Wahlmöglichkeit sich dafür entscheiden, statt auf einem Kündigungsschutz zu bestehen, jene Ansprüche geltend machen, welche dem Arbeitnehmer aus einer Kündigung erfließen (stRspr, zuletzt 9 ObA 394/97z = INFAS 1998, A 74 = ARD 4967/1998 = RdW 1998, 763; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht7 611).
Nach den Feststellungen brachte die Klägerin zuletzt, nämlich im Juli 1997, S 11.660 monatlich ins Verdienen. Die Beklagte hat im Verfahren erster Instanz nicht vorgebracht, dass die Klägerin ein stark schwankendes Monatseinkommen gehabt hätte. Der Hinweis, dass sich aus der Aussage der Klägerin Derartiges ergebe, ist unerheblich, weil nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0038037; speziell zur Parteiaussage: 1 Ob 542/80) Beweisergebnisse Parteienvorbringen nicht ersetzen können. Das Berufungsgericht ist daher zu Recht auf dieses gegen das Neuerungsverbot verstoßende Vorbringen nicht eingegangen. Aus der Feststellung, dass die Klägerin von der Übergeberin "abgerechnet" worden sei, ist für die Beklagte ebenfalls nichts zu gewinnen, weil es an einem konkreten Vorbringen dahin fehlt, dass die verfahrensgegenständlichen Ansprüche, insbesondere die Urlaubsentschädigung, davon umfasst gewesen seien.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO begründet.
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