OGH 9ObA48/00z

OGH9ObA48/00z14.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Div. Mag. Dr. Gerhard Fuchs und Rudolf Grammer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Othmar P*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr. Sabine Berger, Rechtsanwältin in Salzburg, der auf Seiten der klagenden Partei einschreitenden Nebenintervenientin Gemeinsamer Betriebsrat der Buchbinderei A***** GesmbH, *****, vertreten durch Forster - Ascher & Riedherr, Rechtsanwaltspartnerschaft in Salzburg, wider die beklagte Partei Buchbinderei A***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Daniel Bräunlich, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung, über die Rekurse der klagenden Partei und der Nebenintervenientin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. Oktober 1999, GZ 12 Ra 215/99w-13, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. Juli 1999, GZ 18 Cga 84/99m-7, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt mit der Behauptung, dass der Betriebsrat der verschlechternden Versetzung nicht zugestimmt habe, die Feststellung, nicht zur Arbeitsleistung am neuen Betriebsstandort der Beklagten in St***** verpflichtet zu sein. Im Dienstzettel sei S***** als Arbeitsort ausdrücklich vereinbart worden. Eine Tätigkeit in dem 70 km von seinem Wohnort entfernten neuen Betriebsstandort sei dem Kläger unzumutbar.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil der neue Betriebsstandort lediglich in 20 bis 30 Minuten vom alten Standort aus erreichbar sei. Überdies sei dem Kläger das Anbot unterbreitet worden, ihm ein Dienstfahrzeug auch für Privatfahrten zur Verfügung zu stellen oder ihm mit einem Firmenbus auf Kosten der Beklagten unter Einrechnung der Transportzeit in die Arbeitszeit und bei gleichzeitiger Gewährung einer Trennungszulage zum neuen Betriebsstandort zu befördern. Eine verschlechternde Versetzung liege daher nicht vor. Der Kläger sei im Rahmen seiner Folgepflicht zur Arbeitsleistung am neuen Betriebsstandort verpflichtet. Es habe auch eine grundsätzliche Einigung gegeben.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Zugrundelegung der unstrittigen Feststellung, dass der Betriebsrat einer "Versetzung" des Klägers nicht zugestimmt habe, statt. Es ging, ohne konkrete Feststellungen zu treffen, von einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen aus, weil der neue Betriebsstandort 55 km vom vereinbarten Arbeitsort in S***** entfernt sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Arbeitsrechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht.

Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Es sei nicht auf den individuellen Versetzungsschutz gemäß § 101 ArbVG abzustellen. Es liege eine Betriebsverlegung im Sinne des § 109 Abs 1 Z 2 ArbVG vor. Eine Mitwirkung in personellen Angelegenheiten, wie sie den Belegschaftsorganen in den §§ 99 bis 107 ArbVG nur bei Maßnahmen in Bezug auf einzelne Arbeitnehmer eingeräumt wird, stehe dem Betriebsrat im Zusammenhang mit einer generellen Betriebsverlegung nicht zu. Den individuellen Versetzungsschutz könne der Kläger daher nicht in Anspruch nehmen. Er berufe sich primär auch nur auf die Unzumutbarkeit der Folgepflicht und nur zusätzlich auf die fehlende Zustimmung des Betriebsrates. Für die Weisung, an den geänderten Betriebsstandort zu folgen, bestünden keine vertraglichen Schranken. Die Standortverlegung des Betriebes unterliege der unternehmerischen Dispositionsfreiheit, wobei lediglich § 109 ArbVG zu beachten sei. Ausschlaggebend sei, ob die Tätigkeit auch am neuen Betriebsstandort zumutbar sei. In diesem Rahmen stehe auch die vertragliche Vereinbarung eines bestimmten Dienstortes der Folgepflicht nicht im Wege, weil dadurch die Leistungspflicht des Arbeitnehmers nicht ein für allemal festgelegt sei. Die Betriebsverlegung sei eine wesentliche Änderung der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgebenden Verhältnisse, sodass sich dennoch im Einzelfall eine Folgepflicht ergeben könnte. Mangels Feststellungen sei nicht nur die behauptete Zustimmung zu einer Änderung des vereinbarten Arbeitsortes zu prüfen, sondern unter Beachtung der persönlichen Verhältnisse des Klägers und der vorhandenen Verkehrsverbindungen sowie der sozialen Begleitmaßnahmen zur Milderung nachteiliger Folgen der Betriebsverlegung auch die Zumutbarkeit der Tätigkeit des Klägers am neuen Betriebsstandort.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Rekurse des Klägers und des Nebenintervenienten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Die beklagte Partei erstattete eine Rekursbeantwortung, in der sie beantragte, den Rekursen keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind nicht berechtigt.

Die Verlegung des ganzen Betriebes ist eine Betriebsänderung im Sinne des § 109 Abs 1 Z 2 ArbVG. Eine Mitwirkung, die den Belegschaftsorganen in den §§ 99 bis 107 ArbVG bei Maßnahmen in Bezug auf einzelne Arbeitnehmer eingeräumt ist, steht dem Betriebsrat im Zusammenhang mit einer Betriebsverlegung nicht zu. Wenn auch "wesentliche Nachteile" für die Arbeitnehmerschaft im Rahmen des § 109 ArbVG im Rahmen des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates berücksichtigt werden können und sogar nach § 97 Abs 1 Z 4 ArbVG zu einer erzwingbaren Betriebsvereinbarung führen können, handelt es sich hiebei nicht um die Prüfung individueller Nachteile, sondern um solche für alle oder erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft (8 ObS 3/95). Daraus folgt, dass eine für die Rechtswirksamkeit der Maßnahme unabdingbare Zustimmung des Betriebsrates bei einer Betriebsverlegung nicht erforderlich ist. Da die Arbeitsplätze der Arbeitnehmer bei einer Betriebsverlegung in ihrer Beziehung zum Betrieb unverändert bleiben (ZAS 1995/14 [Vogt]), ist eine Betriebsverlegung keine zustimmungsbedürftige Versetzung (vgl NZA 1992/854). Entscheidend bleibt aber, ob zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages eine spezifische, über die demonstrative Anführung des Dienstortes hinausgehende Verwendung nur an einem bestimmten Ort vereinbart wurde, was zur Folge hätte, dass keine Verpflichtung bestünde, die Arbeit an einem anderen Ort zu leisten (vgl 9 ObA 133/94 = ZAS 1995/14; auch Spielbüchler in Spielbüchler/Grillberger, Arbeitsrecht I 167 f mwH; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht5 168 ua). Liegt keine solche dermaßen qualifizierte Vereinbarung vor, hat der Arbeitnehmer die Betriebsverlegung zu befolgen, soweit ihm dies nicht unzumutbar ist (vgl Blomeyer in Richardi/Wlotzke, Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, I 1 769; 9 ObA 92/87 = WBl 1988, S 90). Wie Mayr in seiner Judikaturanalyse in DRdA 1997, 47 f (Anm zu 8 ObA 2018/96) zutreffend hervorhebt, spielen ua folgende Kriterien bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Folgepflicht eine Rolle:

Entfernung Wohnort - Dienstort vor und nach der Betriebsverlegung,

Fahrzeit vor und nach der Betriebsverlegung,

Fahrtkosten vor und nach der Betriebsverlegung,

besondere sonstige Umstände, etwa Verkehrsstaus auf einer bestimmten Fahrtstrecke,

Verhältnis der Fahrzeit zur durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit,

etwaige Abgeltung der Mehraufwendungen durch den Arbeitgeber,

sonstige Vergünstigungen durch den Arbeitgeber wegen der Betriebsverlegung ...

Dazu können noch Umstände kommen, die den persönlichen Lebensbereich des Arbeitnehmers betreffen.

Im vorliegenden Fall wurde eingewendet, dass es am 29. 6. 1999 zu einer grundsätzlichen Einigung über den neuen Arbeitsort gekommen sei. Die beklagte Partei brachte auch vor, dass sie dem Kläger ein Dienstfahrzeug auch für Privatfahrten oder eine Trennungszulage sowie die Beförderung zum neuen Standort unter Einrechnung der Transportzeit in die Arbeitszeit angeboten habe. Dazu fehlt es an jeglichen Feststellungen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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