OGH 9ObA43/10d

OGH9ObA43/10d11.5.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Eva Pernt und Mag. KR Michaela Haydter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. A***** P*****, vertreten durch Plankel Mayrhofer & Partner, Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Kraft & Winternitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 72.650 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. März 2010, GZ 8 Ra 120/09i-107, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Zwischen den Streitteilen ist die Anwendung des Handelsvertretergesetzes sowie der Umstand, dass der zu Grunde liegende Agentenvertrag vom 5. 1. 1999 (Beil ./C) von der Beklagten mit sofortiger Wirkung aufgelöst wurde, nicht mehr strittig.

2.1 Im vorliegenden Fall liegt eine außerordentliche Kündigung durch den Unternehmer iSd § 24 Abs 3 Z 2 HVertrG vor. Die Frage, was als wichtiger Grund für die Auflösung eines Handelsvertretervertrags anzusehen ist, kann nur im Einzelfall beurteilt werden (RIS-Justiz RS0108379). Als genereller Maßstab für das Vorliegen eines wichtigen Auflösungsgrundes sind Vertragsverletzungen anzusehen, die bei Zielschuldverhältnissen zum Rücktritt nach § 918 Abs 1 und § 920 erster SatzABGB berechtigten, ferner Verhaltensweisen, die nach den für bestimmte Dauerschuldverhältnisse normierten Beendigungstatbeständen eine fristlose Auflösungserklärung gestatten sowie Umstände, die eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zulassen. Für Handelsvertreter sind als Richtschnur die in § 22 HVertrG demonstrativ aufgezählten Gründe maßgeblich, die - wie hier - einzelvertraglich erweitert bzw ergänzt werden können (8 Ob 70/07p).

Das Berufungsgericht ist von diesen Grundsätzen nicht abgewichen. In dieser Hinsicht hat es auf Pkt 3.2 des Agentenvertrags Bezug genommen, wonach unter anderem ein Verstoß gegen das Konkurrenzverbot nach Pkt 2.11 des Vertrags einen wichtigen Grund für die Beklagte zur sofortigen Auflösung des Vertragsverhältnisses darstellt. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine Konkretisierung zu § 22 Abs 2 Z 2 HVertrG. Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass das Schreiben der Klägerin an von ihr betreute Kunden über ihre berufliche Neuorientierung unter Bekanntgabe ihrer neuen Kontaktdaten als Umleiten von Kunden bzw als Abwerbeversuch die Unterstützung einer konkurrierenden Tätigkeit bedeute, vermag eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung nicht zu begründen.

Nach den Feststellungen hat die Klägerin diese neuen Vermittlungstätigkeiten ab 1. 3. 2003 und damit vor Auflösung des Agentenvertrags angeboten. Die im gegebenen Zusammenhang geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor.

2.2 Auch die weitere Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Vermittlung von Versicherungsverträgen für das bulgarische Konkurrenzunternehmen ab dem Jahr 2002 einen Verstoß gegen das vertragliche Konkurrenzverbot darstelle, ist nicht korrekturbedürftig. Die der Klägerin erteilte Genehmigung bezog sich nur auf die Zurverfügungstellung der Gewerbeberechtigung sowie auf eine administrative Tätigkeit im Ausmaß von 20 Wochenstunden.

2.3 Die Verteilung der Beweislast zur Verschuldensfrage durch das Berufungsgericht stellt ebenfalls keine Verkennung der Rechtslage dar. In der Entscheidung 9 ObA 59/09f sprach der erkennende Senat aus, dass es zwar am Unternehmer liege, die Tatsache der Vertragsverletzung des Handelsvertreters zu behaupten und zu beweisen, dass aber das erwiesene vertragswidrige Verhalten des Handelsvertreters dessen Verschulden gemäß § 1298 ABGB indiziere.

2.4 Schließlich hält sich auch die Ansicht des Berufungsgerichts, wonach der wichtige Grund in der Auflösungserklärung nicht bekannt gegeben werden müsse und der Unternehmer solche Gründe, selbst wenn sie ihm zum Zeitpunkt der Auflösungserklärung noch nicht bekannt gewesen seien, nachschieben könne, im Rahmen der Rechtsprechung. In der Entscheidung 8 ObA 5/04z gelangte der Oberste Gerichtshof - zu der auch von der Klägerin ihren Überlegungen zugrunde gelegten Sonderregel des § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG - nach Darstellung der deutschen Judikatur und Lehre sowie der in Österreich vertretener Lehrmeinungen zum Ergebnis, dass in der Kündigung weder der wichtige Grund noch der Umstand angegeben werden müsse, dass aus wichtigem Grund gekündigt werde. Zudem wird in dieser Entscheidung darauf hingewiesen, dass in der deutschen Lehre mit gewichtigen Argumenten die These vertreten werde, dass der wichtige Grund zum Kündigungszeitpunkt nur vorgelegen, dem Vertreter aber nicht bekannt gewesen sein müsse und daher auch nachgeschoben werden könne. In der Entscheidung 9 ObA 2/04s sprach der erkennende Senat aus, dass - von ausdrücklichen Ausnahmen abgesehen - der österreichischen Rechtsordnung nicht zu entnehmen sei, dass Kündigungen oder vorzeitige Auflösungen von Vertragsverhältnissen schon im Zeitpunkt der Auflösungserklärung ausdrücklich begründet werden müssten, zumal eine solche Begründungspflicht dem allgemein anerkannten Nachschieben von Kündigungs- oder Auflösungsgründen entgegenstehe.

Mit ihren Ausführungen vermag die Klägerin die Zulässigkeit der Revision somit nicht zu begründen. Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte