OGH 9ObA42/95

OGH9ObA42/9529.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Richard Warnung und Helmuth Prenner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Olga J*****, Arbeiterin,***** vertreten durch Dr.Gerald A*****, Referent *****,***** vertreten durch Dr.Walter Silbermayr, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Markus K*****, vertreten durch Dr.Rainer Kornfeld, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 66.144,03 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16.November 1994, GZ 31 Ra 140/94-43, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 24.März 1994, GZ 10 Cga 227/93m-39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.870,04 (darin S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die geltend gemachten, aber nicht gesondert ausgeführten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Im übrigen hat das Berufungsgericht die allein entscheidende Frage, ob die Klägerin im Sinne des § 82 a lit a GewO 1859 berechtigt vorzeitig ausgetreten ist, zutreffend bejaht. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerber entgegenzuhalten, daß sie damit nur zum Teil vom maßgeblichen Sachverhalt ausgehen. Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen war die Klägerin ab 27.5.1991 im Krankenstand. Sie suchte am 28.5.1991 wegen Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule und in den Schultergelenken einen Orthopäden auf. Dieser bescheinigte ihr mit Attest vom 3.6.1991 ein chronisches Cervikalsyndrom mit Schulterarmschmerz rechtsseitig bei degenerativen Veränderungen. Der Facharzt hielt dazu fest, daß die Klägerin weder schwer heben oder tragen noch im Kühlhaus (etwa vier Grad) arbeiten sollte. Die Klägerin leidet an einer mäßigen rechtskonvexen Skoliose der BWS und geringgradigen linkskonvexen Skoliose der LWS mit beginnenden spondylotischen Veränderungen. Ständige Arbeiten im Kühlhaus sind ihr nicht zumutbar. Das kurzfristige Aufsuchen des Kühlhauses, um Kühlgut zu holen, ist zwar aus ärztlicher Sicht noch vertretbar; ein über ein zweimaliges Betreten pro Stunde hinausgehendes Aufsuchen des Kühlhauses ist aber - auch mit Kälteschutz - der Klägerin nicht mehr zumutbar.

Die Klägerin, die grundsätzlich für Arbeiten eines "Stockburschen" eingestellt worden war, übergab ihrem Vorgesetzten, dem Filialleiter B, das fachärztliche Attest vom 3.6.1991. Sie wurde daraufhin zwar von Tätigkeiten, bei denen schwere Lasten zu heben und zu tragen waren, entlastet, nicht aber vom oftmaligen Aufsuchen des Kühlhauses. Zufolge ihrer Arbeit am Fleischstock und im Verkauf war es weiterhin erforderlich, daß sie so wie bisher nicht nur zweimal stündlich, sondern mehrmals das Kühlhaus betreten mußte. Diesbezüglich wurde der Klägerin nicht entgegengekommen. Zufolge des Arbeitsanfalls war es auch nicht möglich, daß ihr die Mitarbeiterinnen Fleisch oder Hundefutter aus dem Kühlhaus gebracht hätten. Da sich in dem ihr verbliebenen Arbeitsbereich nichts geändert hatte, fragte sie den Filialleiter, ob sie wieder gezwungen wäre, ins Kühlhaus zu gehen. Der Filialleiter erwiderte ihr, daß es eine Arbeitsverweigerung wäre, wenn sie nicht mehr ins Kühlhaus ginge. Im Zuge der Kundenbedienung hatte die Klägerin das Kühlhaus öfter als zweimal pro Stunde zu betreten. Daraufhin erklärte sie mit Schreiben vom 7.8.1991 ihren vorzeitigen Austritt zum 9.8.1991.

Bei diesem Sachverhalt kann keine Rede davon sein, daß die Klägerin überraschend vorzeitig ausgetreten wäre. Die beklagte Partei war über die gesundheitlichen Probleme der Klägerin bei Belassung in ihrer Tätigkeit im wesentlichen informiert. Soweit die beklagte Partei selbst Erkundigungen über den Gesundheitszustand der Klägerin anstellte, gehen ihre daraus gezogenen (unzutreffenden) Schlüsse auf ihr Risiko. Es trifft auch nicht zu, daß es zu keiner weiteren Gesundheitsgefährdung hätte kommen können und es lediglich zu einer kurzfristigen Behinderung zufolge des Krankenstandes der Klägerin gekommen sei. Die Beschwerden der Klägerin beruhen auf degenerativen Veränderungen. Der Hinweis auf die ärztliche Vertretbarkeit eines bestimmten Verhaltens enthält andererseits auch die Feststellung, daß eine darüber hinausgehende Beanspruchung ärztlich nicht vertretbar, sohin gesundheitsgefährdend ist. Fragen einer allfälligen Entlassung der Klägerin wegen ihrer verspäteten Untersuchung nach dem Bazillenausscheidergesetz (August statt Mai 1991) sind mangels Aktualisierung nicht Gegenstand dieses Verfahrens (vgl im übrigen 9 ObA 84/94). Inwiefern die Klägerin die ihr obliegende Treuepflicht verletzt hätte, ist nicht erkennbar (vgl Krejci in Rummel2 ABGB § 1162 Rz 44 mwH; Arb 10.144; WBl 1987, 308; infas 1990 A 10, 1991 A 31, 1993 A 85 uva).

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.

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