OGH 9ObA4/05m

OGH9ObA4/05m31.8.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Walter Zeiler und Mag. Bernhard Achitz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Kara S*****, Arbeiterin, *****, vertreten durch Mag. German Storch und Mag. Rainer Storch, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Saxinger, Chalupsky, Weber & Partner, Rechtsanwälte GmbH, Linz, wegen EUR 2.554,52 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. November 2004, GZ 12 Ra 90/04y-9, womit das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. Mai 2004, GZ 6 Cga 42/04f-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 333,12 (darin EUR 55,52 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte von der Beklagten den aus dem Spruch ersichtlichen Betrag und brachte dazu vor, bei der Beklagten, welche ein Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen betreibt, vom 2. 2. 2004 bis 20. 2. 2004 beschäftigt gewesen zu sein, wobei es sich aufgrund des Kollektivvertrags für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung um ein Probezeitverhältnis gehandelt habe. Die Klägerin sei von der Beklagten an „N*****" überlassen worden, wo sie mit dem Verpacken von Suppen beschäftigt gewesen sei und diese Tätigkeit anstandslos ausgeübt habe. Am 17. 2. 2004 habe sie erfahren, dass sie schwanger sei und habe dies entsprechend ihrer gesetzlichen Verpflichtung am 18. 2. 2004 einer Mitarbeiterin der Beklagten gemeldet. Dabei sei auch eine Kopie des Mutter-Kind-Passes angefertigt worden. Die Klägerin habe darauf hingewiesen, ihre Arbeit trotz Schwangerschaft weiterhin problemlos bewältigen zu können und habe ersucht, weiter arbeiten zu dürfen. Am Freitag, 20. 2. 2004, sei der Klägerin nach Arbeitsende mitgeteilt worden, dass ihr Dienstverhältnis beendet sei. Der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei ausschließlich in der Schwangerschaft begründet gewesen und stelle daher eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar. Der Klägerin stehe daher gemäß der hier anzuwendenden Bestimmung des § 2a Abs 1 GlBG aF bzw in Analogie dazu ein Schadenersatzanspruch in Höhe von zwei Monatsentgelten zu. Die Klägerin habe in Anbetracht ihrer Schwangerschaft keine realistische Chance auf einen neuen Arbeitsplatz, sodass ihr Schaden zwei Monatsgehälter bei weitem übersteige.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und wendete zunächst in ihrem Einspruch ein, dass der behauptete Sachverhalt falsch sei. Nach Erörterung durch das Erstgericht, dass § 2a Abs 1 GlBG aF bzw eine Analogie dazu nicht die richtige Rechtsfolge sei, sondern § 2a Abs 8 GlBG aF heranzuziehen sei, beharrte die Klägerin darauf, dass bewusst Schadenersatz in Analogie gemäß § 2a Abs 1 GlBG aF eingeklagt worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Durchführung eines Beweisverfahrens ab. Es erachtete das Klagebegehren schon ausgehend vom Klagevorbringen für nicht berechtigt. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass § 2a Abs 1 GlBG aF nur auf jene Fälle anwendbar sei, wo ein Arbeitsverhältnis in diskriminierender Weise gerade nicht begründet worden sei. Die Rechtsfolgen für die diskriminierende Beendigung eines - wenn auch nur auf Probe eingegangenen - Arbeitsverhältnisses sei in § 2a Abs 8 GlBG aF geregelt. Der richtige Weg wäre daher derjenige einer Anfechtung der Auflösung des Arbeitsverhältnisses gewesen, nicht jedoch die Einklagung eines für diesen Fall nicht vorgesehenen Schadenersatzes.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass § 2a GlBG aF ein klares Rechtsfolgenkonzept für den Fall der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorsehe. Sei das Arbeitsverhältnis wegen einer vom Arbeitgeber zu vertretenden Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes nicht begründet worden, so sei der Arbeitgeber gegenüber dem Stellenwerber zum Schadenersatz im Ausmaß von bis zu zwei Monatsentgelten (§ 2a GlBG aF; nunmehr § 12 Abs 1 GlBG idF BGBl I 66/2004) verpflichtet. Sei dagegen ein bereits bestehendes Arbeitsverhältnis wegen des Geschlechts des Arbeitnehmers gekündigt oder vorzeitig beendet worden, so könne die Kündigung oder Entlassung bei Gericht angefochten werden (§ 2a Abs 8 GlBG aF; nunmehr § 12a Abs 7 GlBG nF). Das Gesetz unterscheide also zwischen der Einstellungs- und Beendigungsdiskriminierung und knüpfe daran unterschiedliche Rechtsfolgen, nämlich einerseits Schadenersatz und andererseits die Möglichkeit der Individualanfechtung. Liege ein Dienstverhältnis mit Probezeit oder ein Probedienstverhältnis vor, dann bestehe schon ein Dienstverhältnis, sodass dessen Beendigung aus geschlechtsspezifischen Erwägungen eine Beendigungsdiskriminierung darstelle, die nach dem dargestellten Rechtsfolgensystem nicht zu den von der Klägerin angeführten Schadenersatz, sondern zur Individualanfechtung führe.

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob auf den behaupteten Sachverhalt die Bestimmung des § 2a Abs 1 GlBG aF (analog) anzuwenden ist, zutreffend verneint. Es reicht daher insoweit aus, auf die eingehende Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Nach der zur RL 76/207/EWG ergangenen Rechtsprechung des EuGH stellt es eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes dar, wenn eine Frau wegen ihrer Schwangerschaft entweder nicht eingestellt wird (RS C-177/88 Dekker; RS C-207/98 Mahlburg) oder deshalb eine „Entlassung" (dies ist im Sinne der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsprechung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Dienstgeber) ausgesprochen wird (RS C-421/92 Habermann-Deltermann; RS C-32/93 Webb; RS C-109/00 Tele Danmark ua). Es wäre daher ein unüberwindbarer Wertungswiderspruch, wollte man nur die Nichtbegründung eines Arbeitsverhältnisses und eine Kündigung bzw Entlassung, nicht aber auch eine aus Gründen der geschlechtlichen Diskriminierung erfolgende Auflösung eines Probedienstverhältnisses sanktionieren. Die richtlinienkonforme Auslegung des Gleichbehandlungsgesetzes (in der hier anzuwendenden Fassung des BGBl I 2001/98) gebietet daher, zumal der Wortlaut der §§ 2 und 2a GlBG nicht entgegensteht, die Sanktionen des Gleichbehandlungsgesetzes auch dann anzuwenden, wenn der Grund für die Auflösung eines Probedienstverhältnisses in der Schwangerschaft einer Dienstnehmerin gelegen ist.

Wie die Klägerin selbst vorbringt, überlässt es die RL 76/207/EWG den Mitgliedstaaten, die Sanktion für einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot unter den verschiedenen Möglichkeiten auszuwählen, die zur Verwirklichung des Ziels der Richtlinie geeignet sind (stellvertretend für viele RS C-177/88 Dekker). Auch lässt sich der - insbesondere von der Klägerin zitierten - Rechtsprechung des EuGH nicht entnehmen, dass der Entschädigung durch Geld der Vorzug vor anderen Sanktionen zu geben ist. Der EuGH hält in seiner Rechtsprechung lediglich fest, dass, wenn sich ein Staat zur Sanktion der Entschädigung entschließt, der Geldersatz in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen und über einen rein symbolischen Schadenersatz hinausgehen muss (RS 14/93 von Colson/Kamann ua). Die Frage, welche Sanktion - ausgehend vom Klagevorbringen - im vorliegenden Fall heranzuziehen wäre, ist daher nur unter Heranziehung der von der österreichischen Rechtsordnung vorgegebenen Auslegung der nationalen Normen der §§ 2, 2a GlBG aF zu beantworten.

Wie schon von den Vorinstanzen zutreffend aufgezeigt, differenziert § 2 Abs 1 GlBG aF zwischen der Begründung des Arbeitsverhältnisses (Z 1) und dessen Beendigung (Z 7). In § 2a Abs 1 GlBG aF war der Arbeitgeber gegenüber dem Stellenwerber zum Schadenersatz im Ausmaß von bis zu zwei Monatsentgelten verpflichtet, wenn das Arbeitsverhältnis wegen einer vom Arbeitgeber zu vertretenden Verletzung des Gleichbehandlungsgebots des § 2 Abs 1 Z 1 GlBG nicht begründet worden war. Nach § 2a Abs 8 GlBG aF kann die Kündigung oder Entlassung beim Gericht angefochten werden, wenn das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber wegen des Geschlechtes des Arbeitnehmers gekündigt oder vorzeitig beendet worden ist. Daraus, dass § 2a Abs 8 GlBG aF und die Gesetzesmaterialien nur Beendigungsformen der Kündigung und Entlassung erwähnen, schließt die Klägerin, dass der Gesetzgeber die Sanktion der Anfechtung nur diesen beiden Beendigungsarten habe vorbehalten wollen. Die jederzeit mögliche Auflösung eines Probezeitverhältnisses sei indes der nicht erfolgten Begründung des Arbeitsverhältnisses näher und ziehe daher die Rechtsfolge des Schadenersatzes in Geld nach § 2a Abs 1 GlBG aF nach sich. Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Das GlBG und seine Materialien erwähnen ein Probedienstverhältnis nicht, stellen aber im hier interessierenden Bereich eindeutig auf die Begründung eines Arbeitsverhältnisses ab. So heißt es etwa im Ausschussbericht 1411 der Blg NR XVII. GP zu Art I Z 3 (§ 2a):

„Eine besondere Rechtsfolgenregelung enthält der Gesetzesentwurf in Bezug auf die Begründung des Arbeitsverhältnisses. Ist ein Arbeitsverhältnis wegen einer vom Arbeitgeber zu vertretenden Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes nicht begründet worden (Hervorhebung durch das Gericht), so ist der Arbeitgeber zum Ersatz des Schadens verpflichtet ... ... Bei verweigerter Einstellung wird als Schadenersatz der Ersatz ... in Betracht kommen."

In der RV 735 der BlgNR XVIII. GP heißt es zu Z 4 (§ 2a Abs 1):

„Zur Durchsetzung des Anspruches auf Gleichbehandlung ist bei Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot bei Begründung des Arbeitsverhältnisses eine Ausdehnung der bisherigen Schadenersatzregelung vorgesehen, die sich an der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes orientiert. Dieser vertritt in der Frage, ob der diskriminierende Arbeitgeber zum Abschluss eines Arbeitsvertrages verpflichtet werden muss, die Auffassung, dass es die Gleichbehandlungsrichtlinie den Mitgliedstaaten überlässt, die Sanktion für einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot unter den verschiedenen Möglichkeiten auszuwählen." ... Weiters heißt es dann "... die Einstellungsdiskriminierung löst den Schadenersatzanspruch dem Grunde nach aus ...".

Der hier anzuwendende Rahmenkollektivvertrag für Arbeitskräfteüberlasser bestimmt in seinem Punkt IV („Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses") zum Probedienstverhältnis:

„1. Der erste Monat gilt als Probemonat. Während des Probemonats kann das Arbeitsverhältnis jederzeit ohne Kündigungsfrist gelöst werden.

2. ...

3. Nach Ablauf der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen und unter Einhaltung nachstehender Kündigungsfristen zum Ende der Arbeitswoche gelöst werden (Diese Fristen betragen bei einem Arbeitsverhältnis von einer Dauer bis drei Jahre zwei Wochen, bis fünf Jahre drei Wochen, bis 10 Jahre fünf Wochen und danach sieben Wochen). ..."

Schon aus diesen Formulierungen wird klar, dass das Arbeitsverhältnis - wie bei Probemonaten üblich (§ 1158 Abs 2 ABGB) - zwar im ersten Monat ohne Angabe von Gründen und ohne Frist jederzeit gelöst werden kann, dass aber das Arbeitsverhältnis an sich bereits begründet ist und nicht etwa erst mit Ablauf des Probemonats in ein „neues" Arbeitsverhältnis übergeht. Die Nähe der Lösung des (Probe-)Arbeitsverhältnisses zu dessen „Nichtbegründung" iSd § 2a Abs 1 GlBG aF ist daher nicht zu erkennen. Wenngleich es sich bei der Lösungsmöglichkeit eines Probedienstverhältnisses nach der Rechtsprechung, an der festzuhalten ist, um eine Auflösungsmöglichkeit besonderer Art handelt, die einer Kündigung oder Entlassung oder einem Austritt nicht gleichzuhalten ist (9 ObA 141/90 = Arb 10.872 uva), so liegt doch unzweifelhaft die Beendigung eines bereits begründeten Arbeitsverhältnisses vor. Da auch § 2a Abs 8 GlBG aF sich ausdrücklich auf die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezieht, ist es nur folgerichtig, die Bestimmung - auch im Sinn der bereits dargestellten europarechtlichen Judikatur - analog neben der dort genannten Kündigung und Entlassung auch auf die Lösung des Probearbeitsverhältnisses anzuwenden. Macht daher eine Arbeitnehmerin, deren Probedienstverhältnis gerade wegen ihrer Schwangerschaft aufgelöst wurde, die Diskriminierung glaubhaft (§ 2a Abs 9 GlBG aF bzw § 12 Abs 12 GlBG nF) und gelingt demgegenüber dem beklagten Arbeitgeber nicht der Beweis, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom Beklagten glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war, gilt die Sanktion des § 2a Abs 8 GlBG aF (jetzt: § 12 Abs 7 GlBG nF), nicht jedoch die nach § 2a Abs 1 GlBG aF (bzw § 12 Abs 1 GlBG nF).

An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch in der Literatur - wenngleich ohne Gegenüberstellung mit der Sanktion bei Nichtbegründung eines Arbeitsverhältnisses - die Meinung vertreten wird, dass in der Auflösung eines Probedienstverhältnisses durch den Arbeitgeber wegen einer Schwangerschaft der Arbeitnehmerin eine diskriminierende Beendigung iSd § 2 Abs 1 Z 7 GlBG aF liegt, die von der Sanktion des § 2a Abs 8 GlBG aF erfasst werden soll (Löschnigg „Schwangerschaft und Beendigung im Probemonat im Lichte der RL 92/85/EWG und 76/207/EWG" in DRdA 2002, 365, 367 ff; Eichinger „Die Frau im Arbeitsrecht" Orac, 1991, 339 ff).

Die Klägerin hat sich auch nach Erörterung durch das Erstgericht darauf festgelegt, einen Schadenersatzanspruch nur auf eine (analoge) Anwendung des § 2a Abs 1 GlBG aF zu stützen. Das Gericht war daher in seiner rechtlichen Beurteilung an diesen bestimmten Rechtsgrund gebunden (RIS-Justiz RS0037610). Schon aus diesem Grund haben Erwägungen dahin zu unterbleiben, ob die Klägerin alternativ zur Anfechtung iSd § 2a Abs 8 GlBG aF im Rahmen eines Wahlrechtes - wie beim Bestandschutz - auch Geldersatz wegen diskriminierender Beendigung begehren könnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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