OGH 9ObA351/97a

OGH9ObA351/97a25.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Bukovec und Dr. Bernhard Rupp als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Monika W*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Tassilo Neuwirth ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Wilhelm N*****, Rechtsanwalt, *****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Ernst W*****, Frächter, Spediteur und Kaufmann, ***** , wegen Kündigungsanfechtung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Juni 1997, GZ 9 Ra 39/97w-34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30. September 1996, GZ 24 Cga 41/93m-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 12.195,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.032,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin und der spätere Gemeinschuldner haben 1973 geheiratet. Die Ehe, der zwei Kinder entstammen (geb. 1974 und 1977), wurde 1995 geschieden. Der spätere Gemeinschuldner gründete 1974 ein Transportunternehmen, in dem die Klägerin 1975 als Beschäftigte angemeldet wurde. In der Folge gründete er mehrere Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die ebenfalls im Transportgewerbe tätig wurden. Abgesehen von der Karenzzeit nach der Geburt des zweiten Kindes wurde die Klägerin regelmäßig im Büro des Einzelunternehmens für dieses und für die genannten Gesellschaften tätig. Sie übertrug Kontoauszüge und Rechnungen in Bank- und Wareneingangsbücher und kontrollierte von einem Angestellten vorkontrollierte Rechnungen. Sie erledigte diese Arbeiten teilweise zu Hause. Das zeitliche Ausmaß ihrer Tätigkeit schwankte, erreichte aber nur manchmal das Ausmaß einer Vollzeitbeschäftigung. Die Klägerin hatte keine geregelte Arbeitszeiten und teilte sich ihre Tätigkeit selbständig ein. Daneben führte sie den Haushalt und betreute die Kinder. Sie erhielt nie ein Gehalt, sondern Wirtschaftsgeld, das zuletzt regelmäßig S 20.000,-

betrug und bei Bedarf auch höher war. Als sie 1991 einmal eine gesonderte Honorierung ihrer Tätigkeit für das Unternehmen verlangte, erhielt sie während einiger Monate zusätzlich S 3.000,- monatlich. 1991 verschlechterte sich das Verhältnis der Streitteile; ab September dieses Jahres wurden die bisher von der Klägerin durchgeführten Tätigkeiten von einer Steuerberatungskanzlei übernommen. Der früher von der Klägerin benützten Schreibtisch wurde nunmehr einem Angestellten zugewiesen. Die Klägerin hielt sich weiter regelmäßig im Büro auf und erledigte allenfalls noch von ihr vorgenommene Büroarbeiten von einem allgemein benützten Tisch aus. In weiterer Folge verbot der spätere Gemeinschuldner der Klägerin den Zutritt zum Betrieb. Im Jänner 1993 ließ er die Schlösser auswechseln; seither hat die Klägerin keinen Zutritt mehr. Am 22.2.1993 brachte sie die Scheidungsklage ein. In der Folge sprach der spätere Gemeinschuldner die Kündigung zum 30. 6. 1993 aus.

Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, daß zwischen den Streitteilen kein Arbeitsverhältnis bestanden habe, sondern die Klägerin im Unternehmen des späteren Gemeinschuldners in Erfüllung ihrer Beistandspflicht nach § 90 ABGB tätig geworden sei, ist zutreffend. Es genügt daher, insoweit auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist auszuführen:

Rechtliche Beurteilung

Durch Dienste von Familienmitgliedern, die ausschließlich aus Gründen

familiärer Beistandspflicht tätig werden, wird in der Regel kein

Arbeitsvertrag begründet. Es bleibt den Beteiligten allerdings

unbenommen, Gegenteiliges zu vereinbaren. Das äußere Bild der

Erfüllung familiärer Beistandspflicht kann der Erfüllung

arbeitsvertraglicher Pflichten völlig gleichen, denn die

Beistandspflichterfüllung schließt eine Einordnung des Angehörigen in

den Betrieb des anderen nicht aus. Ein Arbeitsverhältnis kann nur

dann angenommen werden, wenn dessen Abschluß deutlich zum Ausdruck

kommt. Die sonst eher großzügig gehandhabte Anwendung des § 863 ABGB

greift hier nicht, weil man in der Regel keine zweifelsfreie

Situation vorfindet. Im Zweifel ist zwischen Ehegatten von

Familiendiensten in Erfüllung der familiären Beistandspflicht

auszugehen (SZ 61/107 = RdW 1988,394 = DRdA 1990,283 [Holzer]; DRdA

1994,395 [Kerschner] = ecolex 1994,115 = RdW 1994,152; zuletzt 8 ObS

2/97w).

Daß der zunächst als Beklagter auftretende spätere Gemeinschuldner in seinem Prozeßvorbringen (anders als in seiner Parteiaussage, in der er von einer Gefälligkeitsanmeldung sprach [S 71 d.Aktes]) zunächst selbst vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ausging, ist richtig. Dieses Vorbringen wurde aber vom Beklagten nicht aufrechterhalten, der in der Tagsatzung vom 12. 7. 1996 ausdrücklich vorbrachte, daß "ein Arbeitsverhältnis nur zum Schein begründet worden" sei. Auch aus dem Umstand, daß der spätere Gemeinschuldner der Klägerin gegenüber die "Kündigung" aussprach, ist für deren Standpunkt nichts zu gewinnen. Abgesehen davon, daß die Kündigung auch aus Gründen der Vorsicht erfolgt sein kann, kommt es für die Beurteilung der Rechtsbeziehungen zwischen den Streitteilen auf den zugrunde liegenden Sachverhalt, nicht aber auf dessen rechtliche Qualifikation durch die Streitteile an.

Die Anmeldung der Klägerin zur Sozialversicherung stellt nur ein Indiz für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses dar, das unter den gegebenen Umständen den Standpunkt der Klägerin nicht rechtfertigen kann. Familienmitglieder werden oft aus betriebsinternen Gründen angemeldet, ohne daß tatsächlich ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Maßgebend für die Beurteilung ist aber nicht, wie die Streitteile ihr Verhältnis gegenüber Außenstehenden deklariert haben; entscheidend ist vielmehr ob bzw. welche Vereinbarungen getroffen wurden (Arb 10.529; Ris-Justiz RS0009613). Ausdrückliche Vereinbarungen der Streitteile über die Begründung eines Arbeitsverhältnisses wurden weder behauptet, noch festgestellt. Hinreichende Anhaltspunkte für eine schlüssige Vereinbarung in diesem Sinne liegen ebenfalls nicht vor. Im Gegenteil: Nach den Feststellungen ist vielmehr davon auszugehen, daß die Mitarbeit der Klägerin von der üblichen Gestaltung eines Arbeitsverhältnisses in mehrfacher Hinsicht abwich. Dies gilt vor allem auch für das Fehlen von Gehaltszahlungen und für die in keiner Weise reglementierte und in ihrem Ausmaß schwankende Arbeitszeit der Klägerin, sodaß deren Hinweise auf ihr (fiktives) Bruttoeinkommen und den Umfang ihrer Arbeitsleistung von vornherein ins Leere geht.

Da somit zwischen den Streitteilen kein Arbeitsverhältnis bestand, fehlt es dem auf Rechtsunwirksamkeit der Kündigung gerichteten Hauptbegehren der Klägerin an jeglicher Grundlage.

Auf die hilfsweise für den Fall des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses angestellten Überlegungen des Berufungsgerichtes über die Begründetheit der Kündigungsanfechtung ist daher nicht einzugehen.

Gegen die Ausführungen der Vorinstanzen zum Eventualbegehren wird in der Revision nichts mehr vorgebracht.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte