OGH 9ObA310/93

OGH9ObA310/9310.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Erich Deutsch und Helmuth Prenner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Marianne J*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei K***** Österreich *****, vertreten durch Dr.Hans Bichler und Dr.Wolfgang Spitzy, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unwirksamerklärung einer Kündigung, infolge Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21.Juli 1993, GZ 31 Ra 29/93-17, womit infolge Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 8.Oktober 1992, GZ 17 Cga 1050/91-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 22.211,77 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.701,96 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob die Kündigung der Klägerin sozial ungerechtfertigt war, zutreffend bejaht, so daß es insofern ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin folgendes entgegenzuhalten.

Sind wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt, kann die Kündigung nur dann nicht sozialwidrig sein, wenn der Arbeitgeber den Nachweis des Vorliegens eines Ausnahmetatbestandes nach § 105 Abs 3 Z 2 lit a und b ArbVG erbringt. Aber auch die Verwirklichung eines Ausnahmetatbestandes hebt für sich allein die Sozialwidrigkeit der Kündigung nicht auf. Die beiderseitigen Interessen treten dann in eine Wechselwirkung. In diesem Falle sind Interessen des Arbeitgebers an der Kündigung und des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung seines Arbeitsplatzes gegeneinander abzuwägen, um den Zweck des Kündigungsschutzes, nämlich Schutz vor sozial ungerechtfertigter Kündigung erfüllen zu können (Floretta in ArbVG HdKomm 637; Kuderna,

Die sozial ungerechtfertigte Kündigung nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG, DRdA 1975, 9 ff [14]; Köck, Der "neue" allgemeine Kündigungsschutz,

ecolex 1990, 42 [44], Arb 10.771 = RdW 1989, 199 = DRdA 1989/24

[Floretta]; Arb 10.874 = SZ 63/119; DRdA 1992/41 [Runggaldier] = ZAS

1992/19; ind 1992 H 6, 20; 9 Ob A 105/93). Die Kündigung muß bei Gegenüberstellung der Interessen im Einzelfall objektiv als gerechte dem Sachverhalt adäquate Maßnahme erscheinen (Kuderna aaO 14; SZ 63/198 = JBl 1991, 259). Während bei dem nur auf ein entsprechendes Vorbringen des Arbeitnehmers zu berücksichtigenden Sozialvergleich (Arb 10.771 = RdW 1989, 199 = DRdA 1989/24 [Floretta]; SZ 63/119 =

10.874) gemäß § 105 Abs 3 ArbVG auch Dienstnehmer einzubeziehen sind, die weiter beschäftigt werden, aber von der Kündigung weniger hart betroffen wären als der Gekündigte, geht es bei der sozialen Gestaltungspflicht des Arbeitgebers und der damit verbundenen Prüfung, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, um die Besetzung einschlägiger vorhandener Stellen (SZ 63/119 = Arb 10.874). Eine Kündigung ist in den Betriebsverhältnissen nur dann begründet, wenn sie im Interesse des Betriebes wirklich notwendig ist (DRdA 1988/10 [Floretta]). Dabei muß die wirtschaftliche Bedingtheit der Kündigung vom Arbeitgeber in rational nachvollziehbarer Weise dargetan werden (SZ 63/119 = Arb 10.874).

Während Zweckmäßigkeit und Richtigkeit der betrieblichen

Rationalisierungsmaßnahmen nicht zu überprüfen sind und dem

wirtschaftlichen Ermessen des Betriebsinhabers vorbehalten bleiben

(DRdA 1988/10 [Floretta]; Arb 10.771 = RdW 1989, 199 = DRdA 1989/24

[Floretta]) muß sich der Arbeitgeber im Rahmen der Interessenabwägung

die Prüfung gefallen lassen, ob die konkrete Kündigung durch die von

ihm getroffenen Maßnahmen gerechtfertigt ist. Dabei spielt

unvermeidlicherweise der Grad der betriebswirtschaftlichen

Rationalität der unternehmerischen Maßnahme eine bedeutende Rolle

(Arb 10.771 = RdW 1989, 199 = DRdA 1989/24 [Floretta]; DRdA 1992/41

[Runggaldier] = ZAS 1992/19).

Demgemäß besagt der Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin durch Rationalisierungsmaßnahmen infolge der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten allein nichts, weil zu prüfen ist, ob nicht allenfalls vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt eine Verwendung der Klägerin in einem anderen Bereich des Konzerns möglich gewesen wäre. Gerade bei älteren und lang beschäftigten Arbeitnehmern ist bei Prüfung dieser Voraussetzungen ein strenger Maßstab anzulegen. Der Betriebsinhaber hat in Berücksichtigung der sozialen Interessen seiner Arbeitnehmer trotz Rationalisierung alle ihm zumutbaren Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen (DRdA 1988/10 [Floretta]; dagegen Tomandl in ZAS 1984, 213 f und 219). Erst wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit fehlt, ist für den betroffenen Arbeitnehmer der Mangel des Bedarfes nachgewiesen und die Kündigung wirklich notwendig. Der Nachweis der Rationalisierungsmaßnahme und des dadurch bewirkten Wegfalls des Arbeitsplatzes der Klägerin reicht daher nicht aus, um ein betriebsbedingtes Überwiegen der Interessen des Arbeitgebers an der Kündigung gegenüber der unbestrittenen Interessenbeeinträchtigung der Klägerin darzutun. Ob auch ein "betriebswirtschaftlicher Status" zu berücksichtigen gewesen wäre, kann auf sich beruhen, weil die Beklagte dazu trotz Anregung durch das Erstgericht nichts vorgebracht hat und die von ihr zur Rechtfertigung der Kündigung behauptete Verlustreduzierung und Rationalisierung jedenfalls ein Übergewicht ihrer Interesse noch nicht indiziert.

Die Kündigung ist daher sozial ungerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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