Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
§ 37 der "Betriebsvereinbarung" für die Arbeiter der beklagten Partei trifft für die Kündigung folgende Regelung:
"(1) Ein auf unbestimmte Dauer abgeschlossenes Arbeitsverhältnis kann vom Arbeiter jederzeit zum Monatsende unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von vier Wochen gekündigt werden.
(2) Nach Ablauf der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende gekündigt werden.
(3) Hat das Arbeitsverhältnis ununterbrochen drei Monate gedauert, so kann es vom Arbeitgeber nur gekündigt werden:
a) wenn der Arbeiter seine Dienstpflichten beharrlich oder gröblich verletzt oder die Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben offensichtlich vernachlässigt, sofern nicht eine Entlassung in Betracht kommt;
b) wenn der Arbeiter sich für eine entsprechende Verwendung als geistig oder körperlich ungeeignet erweist oder den im allgemeinen erzielbaren angemessenen Arbeitserfolg trotz Ermahnungen nicht erreicht;
c) wenn eine Änderung der Organisation des Unternehmens, des Arbeitsumfanges oder eine Betriebseinstellung eine solche Maßnahme notwendig macht, sofern nicht eine dauernde Verwendung des Arbeiters in anderen Bereichen des Unternehmens oder bei einem anderen Betrieb der öffentlichen Hand in Betracht kommt;
d) wenn der Arbeiter jenes Lebensalter und jene Versicherungszeiten erreicht hat, welche nach den bestehenden Vorschriften ohne Nachweis der Dienstunfähigkeit Anspruch auf Pensionsversorgung begründen.
(4) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters, der das 50. Lebensjahr vollendet und bereits 10 Jahre im Unternehmen tätig ist, kann aus dem Grunde des Abs 3 lit c nicht gekündigt werden.
(5) Bei einer Kündigung nach Abs 3 lit a und b ist das Einvernehmen mit dem Betriebsrat herzustellen.
(6) Die Generaldirektion der Ö*** S*** AG
erklärt, daß sie für den Fall, daß ein Arbeiter zu einem anderen Betrieb der öffentlichen Hand überstellt wird, alle Maßnahmen ergreifen wird, daß dieser keine Schlechterstellung in der Entlohnung erfährt."
Der Kläger ficht seine von der beklagten Partei am 26. September 1988 zum 30. November 1988 ausgesprochene Kündigung an, weil darin kein Kündigungsgrund nach § 37 der Betriebsvereinbarung angeführt sei und ein solcher Kündigungsgrund nicht vorliege. Überdies werde die Anfechtung der Kündigung auf § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG und darauf gestützt, daß dem Kläger Sonderschutz als Wahlwerber gemäß § 120 ArbVG zugekommen sei. Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Betriebsrat habe der Kündigung des Klägers zugestimmt. Der Kläger habe zur Zeit der Kündigung keinen besonderen Kündigungsschutz genossen, weil seine Absicht, für den Betriebsrat zu kandidieren, erst einige Tage nach Ausspruch der Kündigung bekannt geworden sei. Ein Kündigungsgrund nach der Betriebsvereinbarung liege vor, wenn der Arbeitnehmer körperlich nicht in der Lage sei, seinen Arbeitspflichten nachzukommen. Der Kläger habe seit 1982 3.496 Stunden Krankenstand in Anspruch genommen. Maßgebliches Kündigungsmotiv seien aber wiederholte Disziplinlosigkeiten des Klägers gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die durch die beklagte Partei mit Schreiben vom 26. September 1988 zum 30. November 1988 ausgesprochene Kündigung des Klägers für rechtsunwirksam zu erklären, ab.
Es stellte folgende wesentlichen Sachverhalt fest:
Der Kläger ist seit etwa 17 Jahren im Betrieb der beklagten Partei in Hallein beschäftigt, seit 14 Jahren übt er die Funktion eines Obersieders aus. In den 80iger-Jahren erkrankte der Kläger an TBC und Magengeschwüren und war deshalb seit 1982 sehr oft im Krankenstand. Während der letzten Jahre gab es von Seiten der Vorgesetzten und auch von Mitarbeitern Beschwerden über sein Verhalten. Dem Kläger wurde mangelnder Respekt gegenüber den Vorgesetzten und verspätetes Erscheinen zum Schichtwechsel vorgeworfen. Die Aufgabe des Klägers als Obersieder im Sudhaus war es, den ordnungsgemäßen Ablauf der Salzgewinnungsvorgänge zu überwachen und bei technischen Störungen der Anlagen sofort einzugreifen. Vor dem 19. September 1988 war die Salzgewinnungsanlage in Hallein ca. 10 Tage für Revisionsarbeiten stillgelegt worden. Am 19. September 1988 wurde sie in der Frühschicht um 4.00 Uhr morgens wieder angefahren. Die Betriebswerte der Anlage werden durch selbständig arbeitende elektrische Aufzeichnungsgeräte registriert. Dem Obsieder obliegt es, die von der Anlage angezeigten Werte abzulesen und in ein eigenes Wertebuch einzutragen. Am 20. September 1987 machte der diensthabende Obsieder dem Sudmeister um 7.00 Uhr morgens die Meldung, daß die Anlage in der vorhergehenden Schicht, in der der Kläger Dienst versehen hatte, gestört und durch den Kläger vernachlässigt worden war. Dies ist auch durch einen Betriebsbericht belegt. Bei der Ablöse war die Anlage in einem Zustand, der sie schwerstens gefährdete. Der Druck war auf 0,20 Bar herabgesunken, wodurch die Gefahr eines Kompressorbruches bestand. In diesem Fall hätte die gesamte Salzgewinnungsanlage etwa sechs Monate stillgelegt werden müssen. Bei einem Absinken des Druckes ist es Aufgabe des Obsieders, durch eine entsprechende Dampfzufuhr die Stabilisierung des Druckes herbeizuführen. Am 20. September 1987 erfuhr der Betriebsleiter Ing. Günther L*** von diesen Schwierigkeiten in der Anlage. Es wurde festgestellt, daß der Kläger als Obsieder offentsichtlich zu spät auf die Druckabfälle in der Anlage reagiert hatte. In der Nachfolgeschicht mußte ca. 4 Stunden lang versucht werden, den Betrieb der Anlage technisch wieder zu stabilisieren. Dabei war auch ein vermehrter Energieaufwand erforderlich. Weiters ergab eine Kontrolle und ein Vergleich der Betriebswertebücher, in die der Kläger als Obsieder Eintragungen gemacht hatte, mit den selbständig elektronisch aufgezeichneten Anlagewerten eine grobe Differenz, die darin bestand, daß die selbständig arbeitenden Wertanzeigen deutlich unter der Norm lagen, während der Kläger in seinem Wertebuch Eintragungen gemacht hatte, die den Normwerten entsprachen. Am 20. September 1988 informierte sich der Betriebsleiter Ing. Günther L*** beim Betriebsleiterstellvertreter, beim Werkstättenmeister und auch bei den Sudmeistern über die technische Seite dieses Verhaltens des Klägers; weiters hielt er Rücksprache mit dem Personalchef. Am 22. September 1988 kam es zu einem ausführlichen Gespräch zwischen Ing. Günther L*** und dem Betriebsrat, wobei Ing. L*** darlegte, daß das Verhalten des Klägers die Entlassung rechtfertige und man deren Vornahme erwäge. Nach Beratung mit seinen Kollegen erklärte der Betriebsratsvorsitzende, der Betriebsrat werde einer Entlassung nicht zustimmen, man sei aber mit einer Kündigung des Klägers einverstanden. Über das Wochenende 24./25. September versuchte Ing. Günther L*** den Kläger zu einem Gespräch einzuladen; der Kläger konnte jedoch nicht angetroffen werden. Am 26. September 1988 wurde dem Kläger eine Nachricht von einen Boten überreicht, er solle um 13.00 Uhr im Betrieb sein. Der Kläger erschien aber nicht zu diesem Gespräch. Nachdem der Betriebsratsvorsitzende mit dem Betriebsleiter vergeblich auf den Kläger gewartet hatte, teilte er dem Ing. Günther L*** neuerlich mit, daß der Betriebsrat der Kündigung des Klägers ausdrücklich zustimme. Daraufhin verfaßte Ing. Günther L*** ein Kündigungsschreiben und sandte es an den Kläger. Dem Ing. Günther L*** war im Zeitpunkt der Verfassung des Kündigungsschreibens nicht bekannt, daß der Kläger im Betrieb Aktivitäten für die bevorstehende Wahl des Betriebsrates entwickelte. Das dem Kläger am 27. September 1988 zugegangene Kündigungsschreiben enthält keinen Hinweis auf Kündigungsgründe. Am 5. September 1988 wurde im Betrieb eine Betriebsversammlung abgehalten, in der angekündigt wurde, daß im Hinblick auf die bevorstehende Neuwahl des Betriebsrates ca. 14 Tage später eine Versammlung zur Wahl des Wahlvorstandes abgehalten werde. Diese Versammlung fand am 16. September 1988 statt. Dabei erklärte Markus K***, er werde eine zweite unabhängige Liste aufstellen. Es fiel kein Hinweis, wer auf dieser Liste als Wahlwerber aufscheinen werde und wer diese Liste unterstützen wolle. Bei dieser Versammlung wurde der Wahlvorstand gewählt. Um den 17. September 1988 wandte sich Markus K*** an den Kläger und fragte ihn, ob er auf seiner Liste definitiv mitmachen wolle, wie dies bereits vor diesem Tag gesprächsweise erwähnt worden war. Der Kläger begann in weiterer Folge um den 20. und 21. September 1988 mit einer Liste, die mit der Überschrift "unabhängige Liste freie Gewerkschaft" bezeichnet worden war, um Unterstützungsunterschriften bei Mitarbeitern zu werben. Auf der Liste war der Name Markus K*** an oberster Stelle gereiht, dann folgten der Name des Klägers und weitere Namen. Bei seinen Werbeaktivitäten teilte der Kläger keinem der von ihm angesprochenen Kollegen mit, daß er als Wahlwerber aufzutreten gedenke. Am 29. September 1988 wurde die Unterschriftenliste dem Wahlvorstand übermittelt, wobei bei keinem darauf aufscheinenden Namen ein Vermerk angebracht war, daß dieser oder jener Unterzeichner als Wahlwerber auftrete. Daraufhin stellte der Wahlvorstand die Liste an Markus K*** zurück, der sodann eine neue Liste verfertigte, aus der ersichtlich war, daß Markus K***, der Kläger und Friedrich G*** als Wahlwerber auftraten. Diese Liste wurde am 29. September 1988 dem Wahlvorstand übergeben.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Festlegung von Kündigungsgründen kein zulässiger Inhalt einer Betriebsvereinbarung sei. Die Kündigung des Klägers sei aber vertragsrechtlich wirksam. Ein Sonderschutz nach § 120 Abs 4 Z 2 ArbVG komme dem Kläger nicht zu, weil im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung seine Absicht, als Wahlwerber aufzutreten, noch nicht offenkundig gewesen sei. Eine Kündigungsanfechtung gemäß § 105 ArbVG sei ausgeschlossen, weil der Betriebsrat der Kündigung des Klägers ausdrücklich zugestimmt habe. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 30.000 S übersteige. Es schloß sich der von Strasser in Komm ArbVG 574 vertretenen Rechtsauffassung an, daß § 97 Abs 1 Z 22 ArbVG ausdehnend auszulegen sei; entgegen dem zu engen Wortlaut dieser Bestimmung könnten mit einer Betriebsvereinbarung auch Regelungen über Kündigungstermine, Kündigungsgründe und Formvorschriften für eine Kündigung getroffen werden. Darüber hinaus sei die Betriebsvereinbarung unabhängig von ihrer normativen Geltung auch deshalb anzuwenden, weil beide Parteien von der Geltung dieser Kündigungsbeschränkung ausgegangen seien. Das bisherige Vorbringen der beklagten Partei sei jedoch nicht ausreichend substantiiert, um es einem der in der Betriebsvereinbarung genannten Kündigungsgründe unterstellen zu können. Insbesondere mit dem Vorwurf der "wiederholten Disziplinlosigkeiten" habe die beklagte Partei der ihr obliegenden Behauptungslast für die Kündigungsgründe nicht ausreichend entsprochen; die beklagte Partei werde daher zu einem entsprechenden Vorbringen anzuleiten sein. Darüber hinaus werde das Erstgericht auf die richtige Fassung des Klagebegehrens hinzuwirken haben. Da der Kläger den Standpunkt vertrete, seine Kündigung sei rechtsunwirksam, weil Kündigungsgründe nach § 37 der Betriebsvereinbarung nicht vorlägen und er als Wahlwerber besonderen Kündigungsschutz nach § 120 Abs 4 Z 2 ArbVG genieße, komme nur eine Klage auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses in Frage. Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Das Klagebegehren ist so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klagserzählung vom Kläger gemeint ist. Das Gericht hat ein nur versehentlich unrichtig formuliertes Klagebegehren richtig zu fassen und den Urteilsspruch an den sachlichen Inhalt des Klagebegehrens - abweichend von dessen Wortlaut - anzupassen (vgl. Fasching ZPR Rz 1448; Arb. 9.927 = SZ 53/171; ÖBl. 1981, 159; ÖBl. 1982, 66; zuletzt 9 Ob A 157/88). Mit seinem Vorbringen, die Kündigung sei unwirksam, weil die in der Betriebsvereinbarung genannten Kündigungsgründe nicht vorlägen und ihm überdies als Wahlwerber Kündigungsschutz nach § 120 Abs 4 Z 2 ArbVG zukomme strebt der Kläger nicht die rechtsgestaltende Unwirksamerklärung der Kündigung nach § 105 ArbVG, sondern die Feststellung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses an. Der Auftrag des Berufungsgerichts, den Kläger zu einem seinem Vorbringen entsprechenden Begehren anzuleiten, überschreitet nicht die Grenzen der Anleitungspflicht.
Soweit die Revisionswerberin die Rechtsansicht des
Berufungsgerichtes bekämpft, § 97 Abs 1 Z 22 ArbVG sei ausdehnend
auszulegen, ist ihr zu erwidern, daß die die Arbeitnehmer der
beklagten Partei begünstigende Bindung des Arbeitgebers an
Kündigungsgründe, sollte sie als Inhalt einer Betriebsvereinbarung
unzulässig sein, jedenfalls auch dann Inhalt der
Einzelarbeitsverträge wurde, wenn beide Vertragsparteien, wie im
vorliegenden Fall, von der Gültigkeit und Verbindlichkeit der
Absprache als Betriebsvereinbarung ausgingen, sodaß die
Zulässigkeitsfrage hier auf sich beruhen kann (vgl. Arb. 9.832 =
ZAS 1981, 53 Rummel = DRdA 1983/5 Steindl; Arb. 9.972 =
DRdA 192/9 Strasser = ZAS 1982/1 Tomandl = JBl 1982, 500
Schrammel = SZ 54/75; DRdA 1988/5 Strasser). Da der Kläger von
der Beschränkung der freien Kündbarkeit durch die
Betriebsvereinbarung Kenntnis hatte, ist seine konkludente
Zustimmung zu einer entsprechenden Ergänzung seines
Einzelarbeitsvertrages jedenfalls anzunehmen (vgl. Strasser in Anm.
zu DRdA 1982/9 206; Strasser in Anm. zu DRdA 1988/5 131 f). Die weitere Frage, ob bei Umdeutung des beim Abschluß der unwirksamen Betriebsvereinbarung existent werdenden Willens des Arbeitgebers in ein an die Arbeitnehmer gerichtetes, auf Ergänzung der Einzelarbeitsverträge abzielendes Offert des Arbeitgebers auch die anderen Rechtsfolgen einer Betriebsvereinbarung - insbesondere die Beendigungsmöglichkeiten - zu beachten sind und dem Arbeitgeber daher ein wirksamer Vorbehalt der Teilkündigung dieser Vertragsergänzungen zuzubilligen ist, wie dies Strasser in DRdA 1988, 130 ff fordert, stellt sich hier nicht, weil auch die beklagte Partei im Verfahren erster Instanz von der Gültigkeit der vereinbarten Kündigungsbeschränkung ausgegangen ist und sich auf eine Kündigung der Betriebsvereinbarung nicht berufen hat. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß das gegenständliche Arbeitsverhältnis nur aus den in § 37 der Betriebsvereinbarung aufgezählten Gründen gekündigt werden kann, trifft daher zu. Dem Rekurs war sohin ein Erfolg zu versagen.
Der Vorbehalt bezüglich der Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.
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