OGH 9ObA291/99f

OGH9ObA291/99f26.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter RegRat Gerhard Kriegl und Josef Redl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Angestelltenbetriebsrat der Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15 - 19, 1100 Wien, vertreten durch Dr. Gabriel Lansky und Dr. Stefan Prochaska, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15 - 19, 1100 Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 600.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1. Juli 1999, GZ 9 Ra 29/97v-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 17. September 1996, GZ 6 Cga 270/94g-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

21.645 (darin S 3.607,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Wiener Gebietskrankenkasse beschäftigt insgesamt 248 Ärzte, davon 135 Frauen. Im Ambulatorium Mariahilf werden für die Psychotherapie sechs Ärzte, davon eine Frau eingesetzt. Weiters sind in diesem Ambulatorium sechs Psychologen, davon fünf Frauen, als Psychotherapeuten beschäftigt. Insgesamt beträgt die Zahl der bei den Sozialversicherungsträgern für die Psychotherapie eingesetzten Arbeitnehmer 34, wovon 24 diplomierte Psychologen als Psychotherapeuten arbeiten - davon 18 Frauen - und zehn Ärzte, davon zwei Frauen. Österreichweit sind zum Stichtag 9. 4. 1996 von den als Psychotherapeuten ausgebildeten Psychologen 2.338 Frauen und 1.424 Männer in die Berufsliste eingetragen.

Bei den Sozialversicherungsträgern werden die als Psychotherapeuten eingesetzten Ärzte nach der Dienstordnung B (DO.B) für Ärzte und Dentisten bei den österreichischen Sozialversicherungsträgern entlohnt. Als Einstufungskriterium für die Gehaltsgruppe B III Z 2 wird festgehalten, dass es sich um Ärzte handeln muss, die gemäß § 13 des Ärztegesetzes zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes als Facharzt berechtigt sind.

Die als Psychotherapeuten arbeitenden diplomierten Psychologen werden bei den Sozialversicherungsträgern nach der Dienstordnung A (DO.A) für Verwaltungsangestellte, Pflegepersonen und zahntechnische Angestellte eingestuft. § 37 sieht dabei als Einstufungskriterium in den "höheren Dienst" in der Gehaltsgruppe F mit der Dienstklasse I Z 4 die Erfassung von "Psychologen, die zur selbständigen Ausübung des psychologischen Berufes berechtigt sind (Gesundheitspsychologen und Klinische Psychologen)" vor. Weiters sind in § 37 (Verwaltungsangestellte), Gehaltsgruppe E III Z 10 Psychologen erfasst, die nicht in die Gehaltsgruppe F, Dienstklasse I eingereiht sind. Im § 38 (Pflegepersonal) werden dann in der Gehaltsgruppe II Dienstklasse C Z 3 auch Psychotherapeuten genannt.

Generell definiert die DO.A für Verwaltungsangestellte, Pflegepersonal und zahntechnische Angestellte (im folgenden DO.A) ihren Geltungsbereich in § 1 dahin, dass sie auf die bei den Sozialversicherungsträgern beschäftigten Angestellten in der Verwaltung, die im Krankenpflegedienst tätigen Angestellten (Pflegepersonal) und die zahntechnischen Angestellten Anwendung zu finden hat. Hinsichtlich der näheren Definition des Pflegepersonals wird auf § 38 DO.A verwiesen (§ 1 Abs 4). Ferner findet sich die Regelung, dass es jeweils auf die auf Grund des Dienstvertrages ausgeübte Tätigkeit ankommt (§ 1 Abs 6 DO.A). Abs 9 dieses Paragraphen legt unter anderem auch noch fest, dass als Krankenanstalten im Sinne dieser Dienstordnung auch selbständige Ambulatorien zu verstehen sind.

Der allgemeine Anwendungsbereich der DO.B wird dahin definiert, dass alle bei den Sozialversicherungsträgern angestellten Ärzte und Dentisten erfasst sind (§ 1 Abs 1), wobei eine Unterteilung hinsichtlich jener in den Krankenanstalten und den in anderen Bereichen beschäftigten Ärzten vorgenommen wird.

Die Entlohnung nach der DO.B für Ärzte ist höher (S 42.194 bis S 73.457) als jene nach der DO.A für Psychologen (S 24.796 bis S 51.996).

Sowohl die Ärzte als auch die promovierten Psychologen üben bei der Psychotherapie in der Praxis die gleiche Tätigkeit aus. Die Ärzte können aber darüber hinaus für andere ärztliche Dienste herangezogen werden.

Das Berufungsgericht ersuchte nach Art 234 EG (früher Art 177 EG-Vertrag) den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften um Vorabentscheidung über die Auslegung des Art 119 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art 140 EG) und der Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen. Die erste von sieben gestellten Fragen lautete: "Liegt eine "gleiche Arbeit" oder ein "gleicher Arbeitsplatz" im Sinne des Art 119 des EG-Vertrages oder der Richtlinie 75/117/EWG auch dann vor, wenn die gleiche Tätigkeit über einen erheblichen Zeitraum (mehrere Entgeltzahlungsperioden) von Arbeitnehmern mit unterschiedlicher Berufsberechtigung ausgeübt wird?" Mit Urteil vom 11. 5. 1999, Rs 10-307/97, beantwortete der Europäische Gerichtshof die erste Frage dahin, dass eine gleiche Arbeit im Sinne des Art 119 des Vertrages oder der Richtlinie nicht vorliegt, wenn eine gleiche Tätigkeit über einen erheblichen Zeitraum von Arbeitnehmern mit unterschiedlicher Berufsberechtigung ausgeübt wird. In Anbetracht der auf diese erste Frage gegebenen Antwort erachtete der Europäische Gerichtshof, dass die übrigen Fragen des vorlegenden Gerichtes nicht mehr beantwortet werden müssten.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob die unterschiedliche Einstufung von Psychologen einerseits (DO.A) und Ärzten andererseits (DO.B), wenn die Angehörigen beider Berufsgruppen als Psychotherapeuten eingesetzt werden, eine unzulässige Diskriminierung darstellt, zutreffend verneint. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegenzuhalten:

Eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen

Gemeinschaften bindet sowohl das vorlegende Gericht als auch alle

anderen Gerichte, die in derselben Sache zu entscheiden haben. Die

Entscheidung in der anhängigen Rechtssache ist so zu treffen, dass

die vom EuGH vorgegebene Auslegung der fraglichen

gemeinschaftsrechtlichen Norm übernommen wird (5 Ob 87/99a = ecolex

1999, 474 = EuroJurZ 1999/1, 58 [Grill] = Immolex 1999, 311 = ÖBA

1999, 1026; Dauses, Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art 177 EG-Vertrag2 149 mwN). Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers besteht kein Anlass, erneut eine Vorlage an den EuGH vorzunehmen, weil die vom Berufungsgericht eingeholte Vorabentscheidung bereits hinreichende Klarheit erbracht hat. Insbesondere zu Punkt 20 seines Urteils vom 11. 5. 1999, Rs 10-309/97, hat der EuGH zur Begründung ausgeführt, dass die von der Gebietskrankenkasse als Psychotherapeuten beschäftigten Psychologen und Ärzte zwar eine anscheinend identische Tätigkeit ausüben, sich bei der Behandlung ihrer Patienten aber auf in sehr verschiedenen Fachrichtungen erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten, die bei den einen auf einem Psychologiestudium und bei den anderen auf einem Medizinstudium beruhen, stützen. Weiters erachtete der EuGH für wesentlich, dass zwar Ärzte wie Psychologen konkret eine psychotherapeutische Arbeit ausüben, die Ärzte jedoch berechtigt sind, auch andere Tätigkeiten in einem anderen Bereich auszuüben, der den Psychologen, die nur eine Tätigkeit als Psychotherapeut ausüben können, nicht offen steht. Da diese Angaben des Vorlagegerichtes durch die Feststellungen gedeckt sind, ergibt sich auch nachträglich keine Änderung gegenüber dem Sachverhalt, welcher vom EuGH zu beurteilen war. Unstrittig ist ferner, dass sowohl die Ärzte als auch die Psychologen nur im Hinblick auf ihre berufliche Ausbildung als Psychotherapeuten eingesetzt wurden. Auch diesen Umstand hat der EuGH in seinem Urteil (Punkt 21) berücksichtigt, indem er aus der unterschiedlichen Ausbildung trotz einer anscheinend identen Tätigkeit auf die Wahrnehmung unterschiedlicher Aufgaben und Tätigkeiten schließt. In der unterschiedlichen Behandlung von Psychologen und Ärzten (Anwendung der DO.A bzw DO.B) durch die Beklagte liegt daher weder eine gegen Gemeinschaftsrecht verstoßende Diskriminierung, noch ist darin ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz zu sehen.

Genausowenig vermag der klagende Betriebsrat eine Verletzung des mittelbar wirkenden (inländischen) Gleichheitssatzes und somit eine Sittenwidrigkeit der angefochtenen Kollektivvertragsbestimmung darzulegen. Da sich der Revisionswerber auch in diesem Zusammenhang ausschließlich auf die Auslegung des Art 119 EG-Vertrag und die Gleichbehandlungsrichtlinie stützt, kann auf die oben angeführten Erwägungen verwiesen werden.

Da der erkennende Senat die Auffassung des Klägers über eine sehr einschränkende Interpretation der Vorabentscheidung nicht teilt, erweist sich auch die Rüge sekundärer Feststellungsmängel als nicht zutreffend.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte