Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufungen der Parteien aufgetragen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.629,60 (darin S 771,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger brachte am 28.Juni 1989 eine Klage gegen eine als "Reisebüro S***, Geschäftsführer Frau Mag.Inge G***, Graz, Schörgelgasse 6", bezeichnete beklagte Partei ein, in der er S 88.702,10 brutto sA an Überstundenentgelt, Reisediäten und Sachaufwendungen aus einem beendeten Arbeitsverhältnis forderte. In der Ersten Tagsatzung vom 11.Juli 1989 beantragte der für die beklagte Partei einschreitende Rechtsvertreter die "Zurückweisung der Klage wegen Prozeßunfähigkeit, da die beklagte Partei unter dieser Bezeichnung über keine Rechtspersönlichkeit verfüge". Daraufhin beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 11.Juli 1989, die Parteibezeichnung der beklagten Partei auf "S***-Reisen, Verkehrs- und Reisedienst, Erich S*** Gesellschaft mbH & Co KG" zu berichtigen. Noch bevor das Erstgericht darüber entschieden hatte - diese behielt sich die "Zulassung der Änderung der Parteienbezeichnung" vor -, zog der Kläger mit Schriftsatz vom 13. Juli 1989 seine gegen ein "Reisebüro S***, Geschäftsführer Frau Mag.Inge G***", gerichtete Klage ohne weitere Erklärung zurück und brachte sie zugleich nunmehr gegen die Beklagte "S***-Reisen, Verkehrs- und Reisedienst, Erich S*** Gesellschaft mbH & Co KG" neu ein.
In diesem Verfahren wendete die Beklagte unter anderem ein, daß die neuerlich erhobene Klage auf Grund des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses und der infolge der Klagerücknahme mit Anspruchsverzicht entfalteten Einmaligkeitswirkung (ne bis in idem) zurückzuweisen sei.
Das Erstgericht verhandelte über diese Einrede in Verbindung mit der Hauptsache und "verwarf" mit gesondertem Beschluß vom 23. November 1989 die "Unzulässigkeitseinrede der Beklagten". Es vertrat die Rechtsansicht, daß die erste Klage nicht als unter Anspruchsverzicht zurückgenommen gelte, da sich die (dort) beklagte Partei nicht ausdrücklich gegen diese Art der Klagerücknahme ausgesprochen habe. Zugleich entschied es mit Urteil in der Hauptsache, wobei es dem Kläger einen Teil seines Begehrens zusprach und das Mehrbegehren abwies.
Das mit Rekurs der Beklagten und Berufungen beider Parteien angerufene Oberlandesgericht Graz gab dem Rekurs Folge, erklärte das erstgerichtliche Verfahren über die zweite Klage für nichtig und wies die Klage zurück. Mit ihren Berufungen wurden die Parteien auf diese Entscheidung verwiesen. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Klage ohne Zustimmung der Beklagten gemäß § 237 Abs 1 ZPO nur bis zum Beginn der Ersten Tagsatzung hätte zurückgenommen werden können. Nach diesem Zeitpunkt sei eine Klagerücknahme ohne Anspruchsverzicht nur mehr mit Zustimmung der Beklagten möglich gewesen. Ein solcher Anspruchsverzicht müsse eindeutig erklärt werden; das sei hier nicht der Fall. Nach der Judikatur hätte die Beklagte aber der Klagerücknahme ohne Anspruchsverzicht auch konkludent, etwa durch Unterlassung der Anfechtung des die Klagerücknahme zur Kenntnis nehmenden Gerichtsbeschlusses zustimmen können (EvBl. 1962/476). Einen derartigen Beschluß habe das Erstgericht aber nicht gefaßt. Die Beklagte habe in ihrem Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 237 Abs. 3 ZPO sogar darauf hingewiesen, daß "die Klage in diesem Prozeßstadium als unter Anspruchsverzicht zurückgezogen gelte". Diese Rechtsansicht sei zwar unzutreffend, der diesbezügliche Vorbehalt verhindere aber die Annahme einer konkludenten Zustimmung. So lange keine Zustimmung zur Klagerücknahme durch die Beklagte vorliege, sei das erste Verfahren ungeachtet der Erklärung des Klägers fortzusetzen (Fasching, ZPR2 Rz 1252). Da sohin das auf Grund der ersten Klage eingeleitete Verfahren nach wie vor anhängig sei, stehe der zweiten Klage des Klägers das Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit entgegen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs (richtig Rekurs) des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufungen aufzutragen. Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung (§ 521a Abs. 1 Z 3 ZPO), das Rechtsmittel des Klägers zurückzuweisen oder in eventu, ihm nicht Folge zu geben. Gemäß § 261 Abs. 1 ZPO hätte das Erstgericht, da es seiner Ansicht nach über die Einrede der (materiellen) Rechtskraft (vgl. Fasching2, ZPR Rz 1499 f) in Verbindung mit der Hauptsache verhandelte, den dazu gefaßten Abweisungsbeschluß nicht gesondert ausfertigen dürfen, sondern hätte die Entscheidung darüber in die über die Hauptsache ergehende Entscheidung aufzunehmen gehabt. Dieser Ausspruch hätte sodann gemäß § 261 Abs. 3 ZPO nur mittels des gegen die Entscheidung in der Hauptsache offenstehenden Rechtsmittels, also mit Berufung angefochten werden können (vgl. die Judikaturhinweise in Stohanzl, ZPO14 § 261 E 15 bis 19; Rz 1986/22 ua). Sind daher wie hier zugleich Rekurs und Berufung eingebracht worden, wäre der Rekurs nur als falsch bezeichneter Teil der Berufung zu behandeln und über das allfällige Vorliegen eines Prozeßhindernisses der Rechtskraft oder der Streitanhängigkeit im Sinne der §§ 471 Z 6, 473 Abs. 1, 475 ZPO zu entscheiden gewesen (vgl. EvBl. 1965/205). Die Anfechtbarkeit der die Streitanhängigkeit annehmenden Entscheidung des Berufungsgerichtes ergibt sich schon aus § 519 Abs. 1 Z 1 ZPO (SZ 52/125 mwH; 9 Ob A 85/88 ua). Aber selbst dann, wenn man die bekämpfte Entscheidung als Beschluß des Rekursgerichtes ansehen wollte, wäre sie entgegen der Ansicht der Beklagten nach der für das Verfahren in Arbeitsrechtssachen geltenden Bestimmung des § 47 Abs. 1 iVm § 46 Abs. 1 Z 2 ASGG anfechtbar. Der als Revisionsrekurs bezeichnete Rekurs ist somit zulässig; er ist im Ergebnis auch berechtigt.
Das Berufungsgericht hat zwar die allgemeinen Voraussetzungen der Wirksamkeit einer Klagerücknahme im Sinne des § 237 ZPO an sich zutreffend aufgezeigt (vgl. Fasching ZPR2 Rz 1252; EvBl. 1978/103; EvBl. 1962/476 ua), es hat aber einer gebotenen sachgerechten Differenzierung nicht entsprochen. Im vorliegenden Fall ist nämlich - abgestellt auf den Zweck der Einschränkung des Rücknahmerechtes - sowohl eine teleologische Reduktion vorzunehmen als auch auf die Besonderheit der Inanspruchnahme eines als beklagte Partei bezeichneten nicht partei- und prozeßfähigen Gebildes Bedacht zu nehmen. Wie der Oberste Gerichtshof in Fällen der allein aus Zuständigkeitsgründen erfolgten Klagerücknahme bereits ausgeführt hat (vgl. SZ 58/44 mwH = RZ 1985/58), verfolgt die Bestimmung des § 237 Abs. 1 ZPO den Zweck, daß der Beklagte nicht gegen seinen Willen mehrmals nacheinander in Rechtsstreitigkeiten wegen desselben materiellrechtlichen Anspruches geklagt wird, ohne eine endgültige Klärung des Streitfalles in seinem Sinne herbeiführen zu können. Der Beklagte soll davor geschützt werden, daß die Klage jederzeit zurückgenommen und ohne prozessuale Schranke immer wieder neu angebracht werden kann (Fasching aaO Rz 1246). Die Bestimmung des § 237 Abs. 1 ZPO erfaßt aber nicht den Fall, daß der Kläger etwa nur einer prozessualen Einrede des Beklagten Rechnung trägt und seine Klage allein aus diesem Grunde zurückzieht.
Im vorliegenden Fall ist es eindeutig, daß der Kläger die gegen ein "Reisebüro S***, Geschäftsführer Frau Mag.Inge G***", gerichtete Klage nur deshalb zurückgezogen hat, um einer allenfalls für ihn nachteiligen Entscheidung über den von der Beklagtenseite eingewendeten Mangel der Prozeßfähigkeit (insofern auch Parteifähigkeit) zuvorzukommen. Die beklagte Partei ist vom Kläger nicht nur falsch cezeichnet worden, sondern seine Klage hatte sich auch gegen ein nicht parteifähiges "Reisebüro" gerichtet. Es mag zutreffen, daß eine unrichtige Parteibezeichnung im Sinne des § 235 Abs. 5 ZPO über Antrag des Klägers auf die Beklagte richtig gestellt und damit auch eine mangelnde Partei- und Prozeßfähigkeit geheilt hätte werden können; das Erstgericht hatte sich jedoch vorerst die Zulassung der "Änderung der Parteibezeichnung" vorbehalten, so daß eine diesbezügliche Erledigung des Antrags des Klägers zu seinen Gunsten noch nicht vorhersehbar war. Abgesehen davon, daß es zweifelhaft ist, ob der Kläger seine gegen ein "Reisebüro" gerichtete Klage überhaupt gegen die nunmehr Beklagte zurückgenommen hat, da bis zur Klagerückziehung noch keine Berichtigung der Parteibezeichnung erfolgte, ist sohin klar, daß er nur einer formellen Einrede (insbesondere § 6 Abs. 1 ZPO) des als beklagte Partei in Anspruch genommenen "Reisebüros" Rechnung tragen wollte und dre Klage allein aus diesem Grund zurückgezogen hat. Es kann daher der Auffassung des Berufungsgerichtes, der Kläger hätte seine Klage nach der Ersten Tagsatzung, aber noch vor Erledigung der Einrede der Beklagten, nur mit deren Zustimmung oder unter Anspruchsverzicht zurückziehen dürfen, obwohl er deutlich erkennbar nur der Einrede der Beklagten entsprechen wollte, nicht beigepflichtet werden. Die vom Kläger aus diesem Grund erklärte Zurücknahme der Klage bedurfte vielmehr keiner Zustimmung der bis dahin ohnehin nur als parteiunfähiges Gebilde bezeichneten Beklagten. Das Berufungsgericht hat daher unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund über die Berufungen der Parteien zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 50 und 41 ZPO begründet.
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