Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 4.348,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 724,80 Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Im H*****-Krankenhaus der Beklagten sind derzeit mindestens sechs Ärzte angestellt, die bereits das ius practicandi als praktische Ärzte haben (§ 2 Abs 1 ÄrzteG), sich jedoch noch in Ausbildung zum Facharzt befinden. Diese Ärzte werden von der Beklagten so wie die nur in Facharztausbildung stehenden Ärzte (ohne ius practicandi) in die Gehaltsgruppe B IV der Dienstordnung B für die Ärzte und Dentisten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.B) eingereiht.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der klagende Angestelltenbetriebsrat die Feststellung, daß Ärzte mit ius practicandi, die nach der Ausbildungsordnung in Facharztausbildung stehen, in die Gehaltsgruppe B III der DO.B einzustufen seien. Die niedrigere Einstufung der mit Alleinverantwortlichkeit im Tag- und Nachtdienst betrauten Ärzte führe zu einer nicht vertretbaren Ungleichbehandlung gegenüber jenen Ärzten, die das ius practicandi noch nicht hätten. In anderen Krankenanstalten seien Ärzte mit ius practicandi, die noch in Facharztausbildung stehen, bereits in die Gehaltsgruppe B III eingestuft. Diesbezügliche Verhandlungen mit der Beklagten seien ergebnislos geblieben.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Gemäß § 36 DO.B seien die Ärzte in erster Linie auf Grund ihrer dauernden Verwendung einzureihen. Die Ausbildung allein sei kein geeignetes Kriterium für die Einstufung in eine Gehaltsgruppe. Im Zusammenhalt mit § 36 Abs 1 DO.B komme somit die Einreihung eines Arztes mit ius practicandi, der noch in Facharztausbildung steht, in die Gehaltsgruppe B III nur dann in Betracht, wenn dieser Arzt neben der Ausbildung zum Facharzt dauernd als praktischer Arzt verwendet werde. Dies sei aber bei den in Facharztausbildung stehenden praktischen Ärzten im H*****-Krankenhaus nicht der Fall. Nur in Ausnahmefällen könne es bei einem kurzfristigen Ausfall des Facharztes dazu kommen, daß ein in Ausbildung stehender Arzt den Dienst allein versehe. Aus diesen Ausnahmefällen lasse sich aber keine dauernde Verwendung ableiten.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. § 36 DO.B sehe zwar vor, daß für die Einreihung von Ärzten in eine Gehaltsgruppe die Ausbildung und die dauernde Verwendung maßgeblich seien. Dieser allgemeine Grundsatz werde aber durch die näheren Einreihungsvoraussetzungen im § 38 DO.B präzisiert. Ärzte, die schon zur selbständigen Berufsausübung berechtigt sind, seien danach von einer Einstufung in B IV ausdrücklich ausgeschlossen. Für diese Ärzte komme folglich nur die Einreihung in die Gehaltsgruppe B III in Frage, welche lediglich die Anerkennung als Facharzt oder praktischer Arzt voraussetze. Dabei komme es darauf, ob daneben allenfalls noch ein Ausbildungsverhältnis bestehe, nicht an.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Weg zum Facharzt in der Regel entweder über die Facharztausbildung im engeren Sinn (Turnus zum Facharzt) oder über die Ausbildung zum praktischen Arzt mit nachfolgender Spezialisierung zum Facharzt führe. Atypische Fälle, in denen etwa ein Facharzt die Ausbildung zum praktischen Arzt oder eine weitere Facharztausbildung anstrebe, seien bei einer generalisierenden Betrachtung zu vernachlässigen. Die Gehaltsgruppe B IV unterscheide zwar nicht zwischen Ärzten mit ius practicandi, die in Facharztausbildung stehen und solchen, die sich ohne allgemeine Turnus unmittelbar in Facharztausbildung befinden, doch sei eine solche Unterscheidung auch nicht erforderlich. Die einschränkende Einreihungsvoraussetzung der Gehaltsgruppe B IV, "sofern sie noch nicht zur selbständigen Berufsausübung berechtigt sind", sei nämlich im Wege harmonisierender Auslegung dahin zu ergänzen, daß diese Ärzte "noch nicht die Berechtigung zur selbständigen Berufsausbildung haben, die sie erst nach ihrer Ausbildung anstreben". Dies entspreche auch dem generellen Vorrang des Tätigkeitsprinzips, daß noch in Ausbildung stehende Dienstnehmer geringer entlohnt würden als bereits ausgebildete Dienstnehmer.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Bereits in der seit 1.2.1970 geltenden Stammfassung der DO.B lautete § 36 Abs 1 dahin, daß die Ärzte auf Grund ihrer dauernden Verwendung und ihrer Ausbildung einzureihen sind. Für die in Krankenanstalten beschäftigten Ärzte war § 38 DO.B maßgeblich; für die im H*****-Krankenhaus der Beklagten beschäftigten Ärzte galt § 39 DO.B. Nach § 38 DO.B waren Assistenten, das sind Ärzte, die nach den Bestimmungen der Ärzteausbildungsordnung als Fachärzte anerkannt oder ausdrücklich zu Assistenten bestellt wurden, in die Gehaltsgruppe B III einzustufen. In die Gehaltsgruppe B IV fielen einerseits Sekundarärzte, das sind Ärzte, die nach den Bestimmungen der Ausbildungsordnung als praktische Ärzte anerkannt waren oder in Ausbildung zum Facharzt standen, und andererseits Turnusärzte, das sind Ärzte, die in Ausbildung zum praktischen Arzt standen. Der nur für das H*****-Krankenhaus geltende § 39 DO.B bestimmte davon abweichend, daß Sekundarärzte, das sind Ärzte, die nach den Bestimmungen der Ärzteausbildungsordnung nicht als Fachärzte anerkannt und nicht zu Assistenten bestellt sind, in die Gehaltsgruppe C IV einzureihen sind.
Mit Wirkung vom 1.5.1987 entfiel die Sonderbestimmung des § 39 für die Ärzte des H*****-Krankenhauses. Die Einreihungsvoraussetzungen in die Gehaltsgruppe B III blieben unverändert. Die bisherigen Turnusärzte wurden aus der Gehaltsgruppe B IV herausgenommen und für sie eine neue Gehaltsgruppe B V geschaffen. Am 1.1.1991 trat eine Neuregelung in Kraft, die auch den § 38 Abs 1 DO.B umfaßte. Seither sind Ärzte, die nach den Bestimmungen der Ärzteausbildungsordnung als Fachärzte oder praktische Ärzte anerkannt sind - nach Maßgabe des § 36 - in die Gehaltsgruppe B III einzureihen. In die Gehaltsgruppe B IV fallen nunmehr Ärzte, die nach den Bestimmungen der Ausbildungsordnung in Ausbildung zum Facharzt stehen, sofern sie noch nicht zur selbständigen Berufsausübung berechtigt sind. Mit Wirkung vom 1.7.1991 wurde § 36 Abs 1 DO.B dahin geändert, daß die Ärzte auf Grund ihrer dauernden Verwendung einzureihen sind.
Die historische Entwicklung der Einreihungsvoraussetzungen zeigt eine deutliche Aufwertung der anerkannten praktischen Ärzte. Waren sie ursprünglich noch den in Ausbildung zum Facharzt aber auch zum praktischen Arzt stehenden Ärzten gleichgestellt, so verbesserte sich ihre Einstufung mit Wirkung vom 1.1.1991 durch Aufnahme in die Gehaltsgruppe B III Z 2. Der Beklagten ist allerdings darin beizupflichten, daß die Einreihung nach Maßgabe des § 36 DO.B zu erfolgen hat, der unter anderem auf eine "dauernde Verwendung" abstellt. Das Tatbestandsmerkmal der dauernden Verwendung steht aber schon begrifflich im Widerspruch zu einem Ausbildungsverhältnis, das naturgemäß mit einer wechselnden Verwendung verbunden ist. Damit schließt ein Ausbildungsverhältnis wohl eine dienstliche "Verwendung" mit ein, auch wenn diese Verwendung nur unter Aufsicht und nur in Ausnahmsfällen selbstverantwortlich erfolgt. In diesem Sinn kommt es auch zu einer "Verwendung" eines anerkannten praktischen Arztes, auch wenn dieser noch in einer zusätzlichen Ausbildung steht.
Der Standpunkt der Beklagten, daß es in erster Linie auf die tatsächliche Verwendung ankomme, könnte nur bei isolierter Berücksichtigung der Einreihungsvoraussetzungen der Gehaltsgruppe B III Z 2 DO.B geteilt werden. Eine solche Betrachtung übersieht aber das logisch aufgebaute zusammenhängende Entgeltsystem. Bei der Prüfung, in welche Gehaltsgruppe der Arzt einzustufen ist, sind nämlich auch die Bestimmungen der Gehaltsgruppe B IV abgrenzend heranzuziehen, wonach Ärzte, die nach den Bestimmungen der Ärzteausbildungsordnung in Ausbildung zum Facharzt stehen in diese Gehaltsgruppe einzustufen sind, aber nur, sofern sie noch nicht zur selbständigen Berufsausübung berechtigt sind. Wie der Revisionswerber zutreffend ausführt, wäre diese Einschränkung überflüssig, wenn damit - wie das Berufungsgericht meint - nur ausgedrückt werden soll, daß diese Ärzte noch nicht die Berechtigung zur selbständigen Berufsausübung haben, die sie erst durch die Ausbildung anstreben. In diesem Fall hätte nämlich bereits die Einreihungsvoraussetzung der "Ausbildung zum Facharzt" allein genügt. Nach Beendigung ihrer Ausbildung sind anerkannte Fachärzte ohnehin in B III Z 2 DO.B einzustufen. Kollektivvertragliche Normen dürfen aber - so wie andere Rechtsvorschriften (ÖBl 1971, 51) - ohne ersichtlichen Grund nicht so verstanden werden, daß sie überflüssig und somit inhaltslos werden (Arb 10.447 uva). Die Normadressaten, denen nur der Text des Kollektivvertrags zur Verfügung steht, müssen sich darauf verlassen können, daß die Absicht der Parteien in diesem Text in erkennbarer Weise ihren Niederschlag gefunden hat (vgl Kuderna, Die Auslegung kollektivrechtlicher Normen und Dienstordnungen sowie deren Ermittlung im Prozeß, DRdA 1975, 161 ff, 167; RZ 1990/89 = WBl 1990, 214 ua).
Setzt man sohin die Einreihungsvoraussetzungen der Gehaltsgruppen B III und B IV miteinander in eine sinnvolle Beziehung, bedarf es keiner weiteren Erörterung, daß anerkannte Fachärzte oder praktische Ärzte, die als solche (dauernd) verwendet werden, jedenfalls in die Gehaltsgruppe B III einzureihen sind. In die Gehaltsgruppe B IV sind aber andererseits nur solche Ärzte einzustufen, die in Facharztausbildung stehen, soferne sie noch keine andere Berechtigung zur selbständigen Berufsausübung, sei es als Facharzt oder als praktischer Arzt, besitzen. Damit wird unter anderem verhindert, daß etwa ein praktischer Arzt, der bereits in die Gehaltsgruppe B III einzustufen gewesen wäre, dadurch, daß er sich einer zusätzlichen Facharztausbildung unterzieht, in die Gehaltsgruppe B IV zurückfällt. Die zusätzliche, im gewissen Rahmen bereits zur selbstverantwortlichen Tätigkeit (Nachtdienst) berechtigende Qualifikation rechtfertigt demgemäß die höhere Einreihung. Nach dem Wortlaut und dem Sinn dieser als lex specialis anzusehenden Bestimmung tritt in diesem Fall das Erfordernis der dauernden Verwendung in den Hintergrund; es kommt nur auf die Berechtigung zur selbständigen Berufsausübung an. Auf allfällige besondere Verhältnisse im H*****-Krankenhaus der Beklagten ist entgegen ihrer Ansicht schon deshalb nicht Bedacht zu nehmen, weil die ursprünglich ohnehin vorhandene Ausnahmeregelung der DO.B (§ 39) mit Wirkung vom 1.5.1987 aufgehoben wurde. Ein Wertungswiderspruch ist in der sachlich zu begründenden Besserstellung der anerkannten praktischen Ärzte nicht zu erkennen. Ein bereits ausgebildeter Arzt mit ius practicandi soll besser entlohnt werden als ein noch nicht ausgebildeter. Kann aber im vorliegenden Fall die dauernde Verwendung nicht ausschlaggebend sein, trifft die Einreihungsvoraussetzung der Gehaltsgruppe B III Z 2 DO.B auf die in der Klage angeführten Ärzte mit ius practicandi, die überdies noch in Facharztausbildung stehen, zu. Sie sind demnach in die Gehaltsgruppe B III einzustufen.
Auf die Mängelrüge ist nicht weiter einzugehen.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 ZPO begründet.
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