Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien haben die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist seit 1.Februar 1986 Hausbesorgerin für das den Klägern als Wohnungseigentümern gehörige Haus *****. Sie bewohnt gemeinsam mit ihrem Ehemann L***** S***** und dem gemeinsamen Sohn die Hausbesorgerwohnung in diesem Haus.
Mit Schreiben vom 6.Dezember 1988 sprachen die Kläger die Entlassung der Beklagten auf Grund eines von der Hausbewohnerin Dr.L***** B***** behaupteten Vorfalles zwischen ihr und dem Ehemann der Beklagten vom 1. Dezember 1988 aus.
Im Vorprozeß 15 Cga 2512/88 des Erstgerichtes begehrten die klagenden Parteien unter Berufung auf diese Entlassung die Räumung der Dienstwohnung. Die Klage wurde mit Urteil des Erstgerichtes vom 1. Juni 1989 abgewiesen. In diesem in Rechtskraft erwachsenen Urteil wurde festgestellt, daß sich L***** S***** nicht im Haus aufhielt, als Dr.L***** B***** die Dienstwohnung der Beklagten aufsuchte. Ob und bejahendenfalls zu welchem Zweck Dr.L***** B***** dort anläutete und ob und von wem sie dort beschimpft und tätlich angegriffen wurde, konnte nicht festgestellt werden.
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 5.Juni 1990, 10 U 394/89, wurde L***** S***** schuldig erkannt, am 1.Dezember 1988 in *****, Dr.L***** B***** durch Versetzen eines heftigen Stoßes gegen eine Wand geworfen und ihr dadurch eine Schulterprellung links mit Blutunterlaufungen zugefügt und dadurch das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB begangen zu haben; von der Anklage, er habe Dr.L***** B***** hiebei auch öffentlich beschimpft und dadurch das Vergehen der Beleidigung nach § 115 Abs 1 iVm § 117 Abs 3 StGB begangen, wurde L***** S***** hingegen mangels ausreichender Publizität gemäß § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen.
Das Landesgericht für Strafsachen Wien als Berufungsgericht wies mit Urteil vom 9.November 1990 die Berufung wegen Nichtigkeit als unbegründet zurück und gab der Schuldberufung keine Folge.
Die Beklagte ist schwanger; sie gab den Klägern die Schwangerschaft am 15.November 1990 bekannt.
Am 21.November 1990 wurde die Beklagte neuerlich entlassen.
Mit der am 30.November 1990 erhobenen Klage begehren die klagenden Parteien neuerlich die Räumung der Dienstwohnung. Als Grund wurde die rechtskräftige Verurteilung des Ehegatten der Beklagten durch das Strafgericht angeführt. Allein der Umstand der rechtskräftigen Verurteilung erschüttere die Vertrauensbasis zwischen den Streitteilen derart, daß die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses gerechtfertigt sei. Die Beklagte habe sich auch dadurch vertrauensunwürdig gemacht, daß sie sowohl im Verfahren 15 Cga 2512/88 des Erstgerichtes als auch im Strafverfahren ihren Ehegatten gedeckt und sich damit gegen die klagenden Parteien gestellt habe. Sie habe trotz Belehrung in keinem der Verfahren von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch gemacht. Die Beklagte habe es unterlassen, Abhilfe gegen ihren Ehegatten zu schaffen; sie habe ihn bei der Verschleierung einer strafbaren Handlung unterstützt.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Voraussetzungen des Entlassungstatbestandes des § 20 Z 2 HBG seien nicht erfüllt. Die Beklagte sei weder zur Abhilfe aufgefordert worden noch sei ihr dies angesichts des gemeinsamen Kindes sind der aufrechten Ehegemeinschaft zumutbar. Die Entlassung sei darüber hinaus auch deshalb unwirksam, weil die Beklagte schwanger sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Entlassungstatbestand des § 20 Z 2 HBG nicht auf die Tatsache einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung, sondern auf die Begehung der strafbaren Handlung abstelle; Tatbestandselement sei nicht die strafgerichtliche Verurteilung, sondern die einer solchen Verurteilung zugrundeliegende Straftat. Allein die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des L***** S***** begründe daher nicht den Entlassungstatbestand nach § 20 Z 2 HBG. Gegenüber dem Vorprozeß machten die klagenden Parteien im vorliegenden Verfahren drei neue Tatsachenkomplexe geltend, und zwar die Abgabe einer weiteren Entlassungserklärung am 21.November 1990, die strafgerichtliche Verurteilung des L***** S***** und das Verhalten der Beklagten im Strafverfahren. Im übrigen beriefen sich die klagenden Parteien wieder auf den bereits Gegenstand des Vorprozesses bildenden Vorfall vom 1.Dezember 1988. Das behauptete neue Vorbringen schließe die Zurückweisung der Klage wegen rechtskräftig entschiedener Sache aus. Zu beachten sei aber, daß die klagenden Parteien den nunmehr geltend gemachten Räumungsanspruch nicht nur auf denselben rechtserzeugenden Sachverhalt, sondern auch auf die gleiche Kette von Schlußfolgerungen stützten und daher bis auf das Sachverhaltselement des neuerlichen Ausspruches der Entlassung ein identisches Rechtsschutzbegehren stellten. Auch im Vorverfahren sei der neuerlich relevierte Vorfall vom 1.Dezember 1988 als zentraler Punkt untersucht und nicht nur beiläufig in den Urteilsgründen erwähnt worden. Bei dieser Sachlage könne dem Postulat der Rechtssicherheit nur durch konforme Entscheidungen Rechnung getragen werden. Die gegenteilige Auffassung würde es den klagenden Parteien ermöglichen, unter Berufung auf ein und denselben Lebenssachverhalt immer wieder neue Entlassungserklärungen abzugeben und Räumungsklagen einzubringen. Sie könnten auf diese Weise die Frage, ob der Vorfall vom 1.Dezember 1988, wie von den klagenden Parteien behauptet, stattgefunden habe, in weitgehend unbeschränkter Wiederholung prüfen zu lassen. Es liege daher auf der Hand, die Möglichkeit der neuerlichen Aufrollung des Falles dem beschränkten Instrumentarium der Wiederaufnahmsklage vorzubehalten. Gehe man aber weiterhin von der Maßgeblichkeit der Entscheidung im Vorprozeß aus, könnten der Beklagten weder ihre Aussage in diesem Rechtsstreit noch die im Strafverfahren zum Vorwurf gemacht werden.
Abschließend wies das Erstgericht darauf hin, daß § 12 MSchG ausschließlich auf das Verhalten der Arbeitnehmerin abstelle und keine dem § 20 Z 2 zweiter Halbsatz HBG vergleichbare Regelung enthalte. Das von den klagenden Parteien geltend gemachte Verhalten der Beklagten erfülle aber keinen der Entlassungstatbestände des § 12 MSchG.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,-- übersteige. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Bestimmung des § 12 MSchG auch auf Hausbesorgerinnen unbeschränkt anzuwenden sei und keiner der darin aufgezählten Entlassungsgründe von den klagenden Parteien vorgebracht worden sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Parteien aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die behaupteten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
Die von den Revisionswerbern angestrebte neuerliche Beweisaufnahme war im Hinblick auf die vom Erstgericht zutreffend erkannte inhaltliche Bindungswirkung des im Vorprozeß ergangenen Urteils entbehrlich. Auch wenn das Urteil im Vorprozeß mangels völliger Identität des geltend gemachten Rechtsschutzanspruches keine formelle Rechtskraftwirkung hat, führte es zufolge seiner materiellen Rechtskraft zur inhaltlichen Bindung des Erstgerichtes auch im vorliegenden Prozeß. Parteien und wesentlicher rechtserzeugender Sachverhalt - Vorfall vom 1.Dezember 1988 als Entlassungsgrund - sind nämlich identisch und beide Prozesse stehen in einem so engen inhaltlichen Zusammenhang, daß die gebotene Rechtssicherheit und Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung ein und derselben in beiden Fällen entscheidenden Rechtsfrage nicht gestatten (siehe RZ 1977/49; RZ 1980/31; JBl 1980, 541; SZ 52/151; SZ 55/74; JBl 1990, 52). Diese Bindungswirkung hindert nicht die Urteilsfällung über den neuen Anspruch, schließt jedoch die Verhandlung, Beweisaufnahme und neuerliche Prüfung des rechtskräftig entschiedenen Anspruches im Rahmen der Entscheidung über das neue, begrifflich aber untrennbar mit dem Inhalt der rechtskräftigen Vorentscheidung verbundene Klagebegehren aus. Die Rechtsfrage, ob der Vorfall vom 1. Dezember 1988 die Entlassung der Beklagten rechtfertigte, bildete sowohl im Vorprozeß als auch im vorliegenden Rechtsstreit den Hauptgegenstand des Verfahrens, sodaß zufolge der inhaltlichen Bindung an die rechtskräftige Entscheidung im Vorprozeß ohne neuerliche Beweisaufnahme davon auszugehen war, daß der Ehegatte der Beklagten das von den klagenden Parteien als Entlassungsgrund geltend gemachte Verhalten nicht gesetzt hat.
Zu Unrecht wenden sich die Revisionswerber auch gegen die rechtliche Beurteilung durch die Vorinstanzen.
Geht man von dieser inhaltlichen Bindung aus, dann ist auch dem weiteren Vorwurf, die Beklagte habe ihren Ehemann im Strafverfahren gedeckt, der Boden entzogen.
Da, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat, nur die Straftat selbst, nicht aber die strafgerichtliche Verurteilung Tatbestandselement des § 20 Z 2 HBG ist, bildete die strafgerichtliche Verurteilung allein kein (neues) strafbares Verhalten im Sinne des § 20 Z 2 HBG und löste daher auch nicht eine (neue) Abhilfeverpflichtung der Beklagten aus. Da der zufolge inhaltlicher Bindung an das im Vorprozeß ergangene rechtskräftige Urteil zugrunde zu legende Sachverhalt daher weder nach § 20 HBG noch nach § 12 MSchG eine Entlassung rechtfertigte, erübrigt es sich, zu der in der Revision relevierten Frage Stellung zu nehmen, welches dieser beiden Gesetze im vorliegenden Fall anzuwenden ist.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.
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