OGH 9ObA2202/96f

OGH9ObA2202/96f30.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Manfred Dafert und Helmuth Prenner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Heinz R*****, vertreten durch Dr.Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei V***** GesmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Dieter Zaponik, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung (Streitwert S 2.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15.Mai 1996, GZ 7 Ra 43/96-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. November 1995, GZ 22 Cga 52/95x-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 1.791,36 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten S 298,56 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der seit dem 12.10.1992 bei der beklagten Partei als Linienarbeiter beschäftigte Kläger hat am 29.5.1993 die Ehe geschlossen und lebt in seiner Wohnung in Eisenerz mit seiner Ehefrau Petra und der am 25.8.1993 geborenen gemeinsamen Tochter. Am 5.12.1994 stellte der Hausarzt bei seiner Ehefrau eine eitrige Angina mit Fieber fest, so daß sie nicht in der Lage war, das Kleinkind zu versorgen. Sie war bettlägerig, benötigte fremde Hilfe und mußte mit Speisen, Getränken und mit Medikamenten versorgt werden. Das Kleinkind konnte sie nicht betreuen, es sollte von der Erkrankten ferngehalten werden, weil die Gefahr einer Ansteckung bestand. Die Erkrankung der Frau heilt in etwa 8 - 10 Tage, das Fieber kann 2 - 3 Tage, aber auch länger anhalten.

Die Ehefrau des Klägers wurde von ihrer Großmutter aufgezogen. Ihre Mutter zog erst etwa zwei Jahre vorher von Vorarlberg in eine rund 4 km entfernte Wohnung und wäre bereit gewesen, sich während der Erkrankung der Tochter um sie und das Enkelkind zu kümmern.

Da aber zu der Schwiegermutter des Klägers kein enger Kontakt bestand, man sich nur etwa zweimal im Monat sah, das Kleinkind weinte, wenn es von den Eltern entfernt wurde, sich von der Großmutter nicht hochheben ließ und deren Erziehungsstil dem Kläger zu streng vorkam, bat er nicht seine Schwiegermutter zu Hilfe, sondern wollte die Betreuung seiner kranken Frau und des Kleinkindes selbst übernehmen.

Er begab sich am 5.12.1994 mit seinem Kind in den Betrieb der beklagten Partei und vereinbarte, vorerst Urlaub zu nehmen, bis sein Dienstgeber entscheide, ob ein Pflegeurlaub anerkannt werde.

Die Ehefrau des Klägers bedurfte vom 5.12.1994 bis zum 9.12.1994 der Bettruhe. Sie hatte noch Fieber. Der Kläger versorgte sie mit Tee und Mahlzeiten, holte die vom Arzt verordneten Arzneimittel aus der Apotheke, verabreichte sie der Erkrankten, überzog ihr Bett und betreute die 15 Monate alte 10 kg schwere Tochter.

Die beklagte Partei verweigerte die Pflegefreistellung, weil die Betreuung durch die Schwiegermutter des Klägers gereicht hätte und der Kläger nicht wegen der Pflege seiner erkrankten Frau und der Betreuung des Kindes an der Arbeitsleistung gehindert war. Sie beließ es bei Abwesenheit wegen Urlaubes.

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß der vorläufig als Urlaub in Anspruch genommene Zeitraum 5.12.1994 bis 9.12.1994 als Pflegefreistellung zu gelten habe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und bestritt die Voraussetzungen für das Vorliegen des Anspruches auf Pflegefreistellung, weil die Mutter der Ehefrau die Pflege übernehmen hätte können.

Das Erstgericht erkannte für den Zeitraum 5. bis 9.12.1994 im Sinne des Klagebegehrens, wies jedoch den für den 8.12.1994 (Feiertag) gestellten Antrag, für diesen Tag Pflegefreistellung zu konsumieren, rechtskräftig ab.

In rechtlicher Hinsicht sei von der Pflegebedürftigkeit der Gattin der Klägers und dem Fehlen einer Betreuungsperson für die 15 Monate alte Tochter für den Zeitraum 5. bis 9.12.1994 auszugehen. Trotz des nahen Verwandtschaftsverhältnisses könne die Mutter der Gattin des Klägers nicht als andere geeignete Person zur Pflege der erkrankten Ehefrau und zur Betreuung des Kindes angesehen werden, weil keine besonders gute Beziehung zur Schwiegermutter bestand.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung und die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Schwiegermutter des Klägers nicht als geeignete andere Person zur Pflege bzw zur Betreuung anzusehen sei, weil kein besonders enger Kontakt bestanden habe, sie trotz ihrer Bereitschaft zur Pflege und Betreuung mit dem Enkelkind noch nie allein gewesen sei, dieses weinte, wenn die Eltern es bei der Großmutter allein lassen wollten und sich das Kind von der Großmutter nicht einmal hochnehmen ließe. Überdies sei dem Kläger der Erziehungsstil der Großmutter zu streng erschienen.

Das Berufungsgericht erklärte die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG für zulässig.

Gegen dieses Urteil richtet die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei wies darauf hin, daß die Revision nicht zulässig sei und stellte den Antrag, der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - für den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508 a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichtes liegen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision nicht vor.

Ausgehend von den getroffenen Feststellungen der Vorinstanzen bildet die Frage, ob in diesem Einzelfall die Schwiegermutter des Klägers als andere geeignete Person zur Pflege und Betreuung der Gattin des Klägers und des gemeinsamen Kindes zur Verfügung stand und daher die Pflege durch den Kläger nicht notwendig war, keine erhebliche Rechtsfrage.

Die Notwendigkeit der Pflege hängt ua von der Art und Intensität der Krankheit, dem Alter der Erkrankten, der Familiensituation des Arbeitnehmers und anderen maßgeblichen Umständen ab (Kuderna, UrlG2, 212). Ob die Voraussetzungen für eine Pflegefreistellung gegeben sind, ist daher jeweils von den Umständen der jeweiligen Sachverhaltskonstellation abhängig. Die davon abhängige Lösung der Rechtsfrage hat daher über die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles hinaus keine erhebliche Bedeutung (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 502). Eine krasse Verkennung der Rechtslage ist überdies nicht erkennbar.

Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen (§ 508a Abs 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Da die klagende Partei auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, diente die Revisionsbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte