Spruch:
Im übrigen wird der Revision der beklagten Partei nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S
9.135 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.522,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Zu 1.:
Rechtliche Beurteilung
Da die Verbindung mehrerer Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung für die Rechtsmittelzulässigkeit ebenso ohne Bedeutung ist wie die Verbindung von Klage und Widerklage, ist für die Frage der Zulässigkeit der Vollrevision Klage und Widerklage gesondert zu betrachten (9 ObA 216, 217/94).
Gemäß § 46 Abs 1 ASGG ist die Revision in den dem ASGG unterliegenden Rechtssachen nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Gemäß § 46 Abs 3 ASGG ist die Revision auch bei Fehlen dieser Voraussetzungen unter anderem zulässig in Verfahren über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, insgesamt 52.000 S übersteigt oder wenn der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses strittig ist. Verfahren über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Sinne dieser Gesetzesbestimmung sind solche, in denen es um die Berechtigung oder um die Art der Beendigung geht, wobei es allerdings nicht erforderlich ist, daß diese Frage als Hauptfrage zu klären ist. Es muß sich aber um eine Rechtsstreitigkeit handeln, in der die Frage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Bestand des daran geknüpften Leistungsanspruches eine Rolle spielt (8 ObA 182/97s mwN). Für den Bestand der in der Widerklage geltend gemachten Ansprüche spielt die Frage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Rolle. Ein Fall des § 46 Abs 3 ASGG liegt daher nicht vor. Inwieweit über eine rechtliche Beurteilung des Einzelfalles hinaus eine mit der ständigen Rechtsprechung in Widerspruch stehende oder von der Rechtsprechung noch nicht oder nicht einheitlich gelöste Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG vorliegen soll, läßt sich den Ausführungen der Revision nicht entnehmen.
Unabhängig von der gebührenrechtlichen Anzeigepflicht des Urkundenverfassers nach § 31 GebG war der Kläger, wie der Honoraranspruch des Beklagten zeigt, nur im Namen des Beklagten tätig. Seine ursächliche Verantwortung für die Unterlassung der Gebührenanzeige des Vertrages an das Finanzamt steht nicht fest. Es bildet daher keine erhebliche Rechtsfrage, wenn im Innenverhältnis zwischen Kläger und Beklagtem das Berufungsgericht eine Haftung des Klägers verneinte.
In der Kaufvertragssache B*****-L***** war der Beklagte nach den Ausführungen des Berufungsgerichtes seit 4. 3. 1994 (Ersturteil Seite 72) davon informiert, daß B***** und nicht L***** das Vertragshonorar schuldete. Es ist daher keine Verkennung der Rechtslage, daß ohne vorherige Inanspruchnahme des Schuldners eine Haftung des Klägers für dieses Honorar vom Berufungsgericht abgelehnt wurde.
Zu 2.:
Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Da die Feststellung der Bestätigung des Beklagten, einen Betrag von S 90.000 erhalten zu haben (Ersturteil Seite 27), auch die Feststellung des Erhaltes dieses Betrages enthält, bedurfte es für letztere keiner Beweiswiederholung. Die bloße Behauptung in der Rechtsrüge, diesen Betrag dennoch nicht erhalten zu haben, ist im Hinblick darauf, daß nicht ausgeführt wird, aufgrund welcher konkreter anderer Beweismittel - dem Beklagten wurde von den Tatsacheninstanzen ja nicht geglaubt - sich eine gegenteilige Feststellung ergeben hätte, keine gesetzmäßige Ausführung der Mängelrüge.
Im übrigen hat das Berufungsgericht zutreffend den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit verneint, so daß auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).
Ergänzend ist dem die Berufungsausführungen größtenteils wiederholenden Revisionsschriftsatz folgendes zu entgegnen:
Auch nicht strafrechtliche Relevanz genießende Berufspflichtverletzungen des Notarsubstituten, die allenfalls zu einer disziplinarrechtlichen Verantwortung führen können, sind auch unter der hier notwendigen Anlegung eines strengen Maßstabes im Verhältnis zwischen dem Notar als Arbeitgeber und dem Notarsubstituten als Arbeitnehmer nur dann ein Entlassungsgrund, wenn dadurch zu befürchten ist, daß der Angestellte seine dienstlichen Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen werde, so daß objektiv dienstliche Interessen des Dienstgebers schwerwiegend gefährdet sind. Allfällige Berufspflichtverletzungen allein sind daher nicht geeignet, in jedem Fall einen Entlassungsgrund herzustellen. Die Schuldhaftigkeit des Verhaltens des Angestellten setzt aber dabei voraus, daß er auf die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens, wenn dieses bisher offenbar geduldet wurde, besonders hingewiesen wird. Ohne diesen Umstand können in diesem Falle auch eine Vielzahl von angeblichen Unkorrektheiten nicht überraschend einen Entlassungsgrund verwirklichen.
Zu den einzelnen in der Revision relevierten Entlassungsgründen:
W*****-E*****:
Die Unterlassung der Gebührenanzeige des Mietvertrages unabhängig, wen die Anzeigepflicht nach § 31 GebG traf, durch den Dienstnehmer ist nichts anderes als eine Verletzung der Dienstpflichten, die für sich allein zwar pflichtwidrig sein mag, aber noch nicht die Befürchtung entstehen lassen mußte, daß ohne Wiederholung derselben der Angestellte seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen werde.
W*****-B*****, W*****-E*****:
Auch wenn keine Feststellung vorliegt, daß die Streitteile keine quittungs- oder rechnungslose Empfangnahme der Vertragserrichtungskosten vereinbarten, so wußte der Beklagte von der Honorarvereinbarung und vom Geldeingang. Vor dem ergebnislosen Versuch, solche offenbar auch geduldeten Unkorrektheiten abzustellen, kann eine Entlassung auf diese Umstände nicht gestützt werden.
B*****-L*****:
Die offenbar nicht gegen den Willen des Beklagten ausgeübte doppelte Funktion des Klägers, einerseits als Dienstnehmer des Gerichtskommissärs und Notars und andererseits als Erbenmachthaber vermag zwar für unbeteiligte Verkehrskreise nicht durchschaubar sein und das Handeln des Klägers ohne deutliche Distanzierung vom Notariat demselben zugerechnet werden. Jedoch lag es am Beklagten, die Klarstellung gegenüber dem Kläger herbeizuführen und seine außerdienstliche Tätigkeit zu untersagen. Es war seine Sache, vom Kläger nach Nichtzahlung des Honorars durch Nikolaus L***** Aufklärung zu verlangen bzw nach Kenntnis seit 4.3.1994, daß B***** Honorarschuldner war, den Honoraranspruch gegen den Schuldner geltend zu machen. Eigenmächtige Honorarvereinbarungen, in deren Kenntnis der Beklagte war, vermögen Vertrauensunwürdigkeit nicht zu begründen.
N*****:
Ob der Kläger als Erbenmachthaber, sohin bei einer Nebentätigkeit Honorarnachlässe gewährte, hat auf das Dienstverhältnis, in dessen Rahmen die Nebentätigkeit aber auch unter Verwendung des Briefpapiers des Beklagten toleriert wurde, keine Auswirkung.
K*****:
Zu durch die Feststellungen nicht gedeckten Vermutungen, wer die Zahlungsbelege mit der Bezeichnung des Klägers als "Notar" ausgefüllt hat und welche Maßnahmen der Kläger hätte ergreifen müssen, um dies zu verhindern, braucht bei der klaren Feststellung, daß der Kläger die Zahlungsbelege nicht geschrieben hat, nicht Stellung genommen zu werden.
K*****:
Das Berufungsgericht hat den objektiven Verfall (Verwirkung) unter anderem auch dieses Entlassungsgrundes angenommen. Dieser rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes setzt die Revision lediglich entgegen, daß bei derart verantwortungsvollen Berufen wie dem des Notars davon keine Rede sein kann, daß ein gewisser Zeitablauf Dinge ungeschehen macht. Selbst bei Beurteilung des Verhaltens eines leitenden Angestellten, dem der Notarsubstitut durchaus gleichzuhalten ist, mit einem strengeren Maßstab kann im vorliegenden Fall auf angebliche wegen nicht erbrachter Leistungen nicht gerechtfertigte vom Kläger erstellte Honorarnoten an Dritte aus dem Jahr 1988 eine Entlassung am 25. 1. 1993 nicht gestützt werden, wenn dem Beklagten das Entgelt daraus zufloß, ohne daß er Beanstandungen trotz Gelegenheit vornahm. Bei Zukommen des Honorars und objektiv gegebener Kontrollmöglichkeit brauchte ein Notarsubstitut nach den Umständen dieses Falles nach Treu und Glauben nicht mehr mit einer Entlassung zu rechnen, zumal doch dem Dienstgeber auch kein Schaden entstanden ist und daher auch seine Reputation nicht gelitten hat (SZ 59/178).
Es ist ständige Rechtsprechung, daß der Dienstgeber einen gesetzlich zulässigen Entlassungsgrund nachzuweisen hat (RIS-Justiz RS0028971), der Dienstnehmer hingegen das Vorliegen der Entlassung (9 ObA 59/97k).
Ob ein Fehlgeldbetrag aus einer Nebentätigkeit des Klägers als Erbenmachthaber im Prozeß nicht geklärt wurde oder der Kläger seine Rechenschaftspflicht gegenüber seinem Auftraggeber verletzt hat, führte noch nicht zur Beweispflicht des Klägers, weil die Rechtfertigung einer Pflichtwidrigkeit (SZ 51/28) erst den Beweis derselben voraussetzt, der aber dem Beklagten oblag. Damit konnte dieses außerdienstliche Verhalten des Klägers, dessen Pflichtwidrigkeit nicht nachgewiesen wurde, auch das dienstliche Vertrauen des Dienstgebers nicht nachteilig beeinflussen (4 Ob 128/84).
G*****:
Die Vermischung der Tätigkeit des Klägers als Erbenmachthaber und als Gerichtskommissär im Namen des Beklagten vermag dem Beklagten problematisch erscheinen, er hat dagegen jedoch nichts unternommen. Sich daraus ergebende Überschneidungen und Undurchsichtigkeiten für dritte Personen können daher vor der klaren Anordnung der Trennung dieser Tätigkeiten und der Untersagung derselben bzw der Änderung der bisherigen Gepflogenheiten, wie zB die Untersagung der Verwendung des Briefpapiers des Beklagten, nicht zu einer Vertrauensunwürdigkeit des Klägers führen. Die Verletzung einer zwischen dem Kläger und Dritten bestehenden Rechenschaftspflicht oder die Geltendmachung allfälliger unrichtiger Honoraransprüche gegen Auftraggeber des Klägers hat insoweit mangels eines Zusammenhanges mit dem Dienstverhältnis keinen Einfluß auf das dienstliche Vertrauen.
W*****-L*****:
Honorarvergleiche, die nicht den Beklagten betrafen, sondern aus der vom Beklagten nicht untersagten Tätigkeit des Klägers als Erbenmachthaber entstanden, haben keinen Einfluß auf das dienstliche Vertrauensverhältnis zum Beklagten. Selbst Standesrechtsverstöße können in diseem Zusammenhang keinen schwerwiegenden Vertrauensbruch zwischen den Streitteilen begründen.
Ausfolgung von Massen:
Da nach den klaren Feststellungen (Ersturteil S 21, 38) die Ausfolgung von Massen durch die Sekretärin mit Wissen und Zustimmung des Beklagten geschah, kann nach der zutreffenden Begründung des Berufungsgerichtes die eigene Nachlässigkeit des Beklagten nicht als Pflichtwidrigkeit des Klägers geltend gemacht werden. Daß mit der Ausfolgung der Massen vom Kläger zu vertretende Unzukömmlichkeiten aufgetreten wären, hat der Beklagte nicht behauptet noch macht er in der Revision deutlich, worin die Ausfolgung von Massen Vertrauensunwürdigkeit begründet und welche konkreten Verpflichtungen vom Kläger verletzt wurden. Welche Umstände durch eine unterlassene "gezielte Befragung der Parteien" hervorgekommen wären, klärt die Revision ebenso nicht auf.
Veruntreuungen 1982 bis 1985:
Die Wiederholung der bereits vom Berufungsgericht als unzutreffend angesehenen Berufungsausführungen vermag die rechtliche Begründung der Verwirkung der Entlassungsgründe nicht in Zweifel zu ziehen. Der Untergang des Entlassungsrechts bezüglich einzelner Entlassungsgründe durch Verwirkung vermag auch bei Würdigung des Gesamtverhaltens des Dienstnehmers bei Beurteilung neuer Entlassungsgründe nur dann Beachtung finden, wenn die Wiederholung derselben Entlassungsgründe erwiesen ist (4 Ob 127/83). Dies ist jedoch nicht der Fall.
Zahlung von S 4.000 an die Sekretärinnen des Beklagten:
Entscheidendes Kriterium jeder Entlassung ist die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung. Die Quittierung eines Betrages von S 90.000 in der Sache G***** durch den Beklagten hatte mit der Gerichtskommissionstätigkeit teilweise zumindest nichts zu tun, war daher mit dem die Gerichtskommissionsgebühr übersteigenden Betrag kein Honorar, sondern ein "Geschenk" an den Dienstgeber durch den Kläger, zumal eine Gegenleistung nicht feststeht. Diese Geschenkannahme läßt jedoch das "Geschenk" des Klägers an die Sekretärinnen von je S 4.000 unabhängig davon, ob der Beklagte in diesem Zusammenhang von "Schweigegeld" spricht, nicht als so krassen Verstoß gegen die Treuepflicht erscheinen, die nur mit der sofortigen Lösung des Dienstverhältnisses beantwortet werden konnte.
Einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses:
Daß die Inanspruchnahme von Postensuchtagen unabhängig davon, ob sie gesetzlich zustehen, in Kenntnis der Pensionierung des Beklagten keine konkludente Willenserklärung in Richtung einer eivnernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses ist, ist zutreffend. Ein Zusammenhang mit einer Auflösungserklärung besteht insofern nicht, so daß mit Überlegung aller Umstände ausschließlich Gründe, an einer Auflösungserklärung zu zweifeln, übrig bleiben. Dies schließt jedoch die Anwendung des § 863 ABGB aus.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Dabei waren auch die in der Revisionsbeantwortung enthaltenen die Widerklage betreffenden Kosten zuzusprechen, weil die Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision in diesem Umfang hingewiesen hat.
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