OGH 9ObA187/92

OGH9ObA187/922.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Erich Deutsch und Mag.Michael Zawodsky in der Rechtssache der klagenden Partei M***** U*****, Elektrizitätswärterin, *****, vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach dem ***** verstorbenen Dr.J***** L*****, Unternehmer, zuletzt *****, vertreten durch den mit Beschluß des Bezirksgerichtes Kufstein vom 11.Jänner 1987, A 379/87 bestellten Verlassenschaftskurator M***** L*****, diese vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wegen S 130.763 sA , infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29.April 1992, GZ 31 Ra 24/92-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 21.November 1991, GZ 7 Cga 55/91-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur Verhandlung und Urteilsfällung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin behauptet, sie habe mit dem *****1987 verstorbenen Dr.L***** am 15.11.1974 einen Dienstvertrag geschlossen. Ihre Tätigkeit habe in der Wartung des Elektrizitätswerkes P***** bestanden. Buchhaltungsarbeiten (auch für andere Kraftwerke des Dr.L*****) habe sie nicht zu erbringen gehabt. 1975 sei sie in das Angestelltenverhältnis übernommen worden. Die Witwe des Dr.L***** habe sie am 29.10.1987 ungerechtfertigt entlassen, obwohl sie dazu nicht legitimiert gewesen sei.

Die Klägerin begehrte (nach erstmaliger Ausdehnung des Klagebegehrens) von der Verlassenschaft des Dr.L***** die Zahlung eines Betrages von S 94.028,10 sA und die Ausstellung eines Dienstzeugnisses. Ferner begehrte sie die Feststellung, daß das Dienstverhältnis aufrecht sei. Für den Fall, daß die Witwe des bisherigen Dienstgebers zum Aussprechen der Entlassung legitimiert gewesen sein sollte, stellte sie das Eventualbegehren auf Zahlung von S 351.081,80 an Kündigungsentschädigung, Urlaubszuschuß, Weihnachtsremuneration und Abfertigung.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens; sie bestritt zunächst das Vorliegen eines Dienstverhältnisses nicht, behauptete aber, daß die Entlassung gerechtfertigt erfolgt sei, weil der Klägerin bei der Führung der Buchhaltung für mehrere Elektrizitätswerke des Erblassers grobe Pflichtwidrigkeiten unterlaufen seien.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 23.6.1988 beantragte die Beklagte die Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Beendigung des Grundbuchsverfahrens TZ 1582/88 des BG Sch***** mit der Begründung, daß die Klägerin um die Einverleibung des Eigentumsrecht an jener Liegenschaft angesucht habe, auf der sich "das gegenständliche E-Werk" (nämlich das E-Werk P*****) befinde. Die zweite Instanz habe den Einverleibungsbeschluß des Erstgerichtes aufgehoben, derzeit sei beim Obersten Gerichtshof ein Revisionsrekursverfahren anhängig.

Der Klagevertreter stellte diesen Sachverhalt außer Streit, sprach sich aber gegen die Unterbrechung des Verfahrens aus, weil sich Dr.L***** das lebenslängliche Nutzungsrecht an der verkauften Liegenschaft vorbehalten habe und daher einen Dienstvertrag mit der Klägerin abschließen konnte.

Das Erstgericht gab dem Antrag der Beklagten statt und unterbrach das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des Grundbuchsverfahrens TZ 1582/88 des BG Sch*****. Einen Ausspruch darüber, ob das Verfahren in der Hauptsache nur auf Antrag oder von Amts wegen aufgenommen werde, enthielt die Entscheidung nicht. Die Frage, ob Dr.L***** überhaupt Eigentümer dieses E-Werks und damit Dienstgeber der Klägerin war, sei für den Rechtsstreit präjudiziell; auch wenn sich Dr.L***** das lebenslängliche Fruchtgenußrecht vorbehalten hätte, könne nach seinem Tod nur der Eigentümer der Liegenschaft Betreiber des Elektrizitätswerkes sein.

Dieser Beschluß wurde dem Klagevertreter am 26.9.1988 zugestellt und von den Parteien nicht angefochten. Zu dieser Zeit war der Unterbrechungsbeschluß bereits überholt, weil die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, mit der die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Klägerin an den Liegenschaften EZ 86 und 526 KG P***** bewilligt worden war, dem Klagevertreter schon am 22.8.1988 zugestellt wurde.

Die beklagte Verlassenschaft brachte aber (gemeinsam mit einer zweiten Klägerin) schon am 2.9.1988 gegen die Klägerin beim Landesgericht St.Pölten eine Löschungsklage mit dem Begehren ein, die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Klägerin ob den Liegenschaften EZ 86 und 524 KG P***** als unwirksam festzustellen, diese Eintragung zu löschen und den vorherigen Grundbuchsstand wiederherzustellen. In diesem Rechtsstreit erging erst am 26.8.1991 zu 1 Cg 4/90 das Ersturteil, mit dem das Landesgericht St.Pölten die Löschungsklage abwies. Die Kläger erhoben dagegen Berufung. Das Verfahren ist derzeit noch anhängig. Nach der Zustellung der Entscheidung im Löschungsprozeß am 17.9.1991 beantragte die Klägerin am 1.10.1991 die Fortsetzung des Verfahrens und schränkte ihre Ansprüche auf eine Abfertigungsforderung von S 130.763 sA ein. Alle anderen Ansprüche ließ sie fallen.

Die Beklagte wendete daraufhin Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens ein.

Die Klägerin erwiderte, daß der vom Erstgericht angenommene Unterbrechungsgrund durch die Einbringung der Löschungsklage beim Landesgericht St.Pölten weiter bestanden habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Da das Verfahren ausdrücklich nur bis zur rechtskräftigen Beendigung des Grundbuchsverfahrens unterbrochen wurde und die Klägerin seit der Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im Grundbuchsverfahren am 22.8.1988 Eigentümerin sei, könne infolge der weiteren dreijährigen Untätigkeit nicht von einer gehörigen Fortsetzung des Verfahrens im Sinne des § 1497 ABGB gesprochen werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge.

Für die Frage ob eine ungewöhnliche Untätigkeit vorliege, komme es nicht nur auf die Dauer, sondern auch auf die Gründe der Untätigkeit an. Für das Vorliegen beachtlicher Gründe treffe den Kläger die Behauptungs- und Beweislast. Auch in jenen Fällen, in denen (wie hier) die Fortsetzung des Verfahrens zunächst nicht der Klägerin, sondern dem Erstgericht oblegen sei, hätte sie nicht auf unbegrenzte Zeit untätig bleiben dürfen, weil sie habe erkennen müssen, daß das Gericht von sich aus nicht tätig werden würde. Im Sinne der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes EvBl 1992/34 sei ein Kläger erst bei einer Untätigkeit von drei Jahren so zu behandeln als ob er von vorneherein nicht innerhalb von drei Jahren ab dem Beginn des Laufes der Verjährungsfrist die Klage angebracht hätte; erst dieser Zeitraum rechtfertige die Fiktion, daß einem Kläger nichts mehr an der Verfolgung seines Prozeßzieles liege. Da die Klägerin länger als drei Jahre untätig geblieben sei, sei das Verfahren verspätet fortgesetzt worden. Auch die von der Beklagten gegen die Klägerin angestrengte Löschungsklage rechtfertige die mehr als dreijährige Untätigkeit der Klägerin nicht. Aus dieser Klage habe die Klägerin den Schluß ziehen müssen, daß die Beklagte auch nach dem negativen Ausgang des Grundbuchsverfahrens das Ziel des Rückerlangens der Liegenschaft mit großer Beharrlichkeit verfolge und daß eine gütliche Bereinigung der Rechtssache nicht zu erwarten sei. Die Klägerin hätte daher, da ihr kein Verjährungsverzicht zugesagt worden sei, das Verfahren ohne Rücksicht auf die Löschungsklage fortsetzen müssen.

Die Klägerin bekämpft diese Entscheidung mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern,daß ihrem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, kommt es für die Beurteilung der Frage, ob der Kläger im Sinne des § 1497 ABGB die Klage gehörig fortgesetzt hat, nach Lehre und Rechtsprechung nicht allein auf die Dauer, sondern auch auf die Gründe der Untätigkeit an (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 10 zu § 1497; Schwimann/Mader, ABGB V, § 1497 Rz 20; SZ 36/50; 41/151; 43/176; Arb 9.861; SZ 52/30; 54/177; EvBl 1992/34). Der Kläger hat diese Gründe zu behaupten und zu beweisen (SZ 43/176; 45/97; 49/106; JBl 1980, 98; EvBl 1992/34 ua).

Einen solchen Grund hat die Klägerin geltend gemacht, hat sie doch darauf hingewiesen, daß der vom Erstgericht angenommene Unterbrechungsgrund "durch das Verfahren 1 Cg 40/90 des Landesgerichtes St.Pölten weiter bestanden habe". Es ist zwar richtig, daß das Erstgericht das Verfahren nur bis zur rechtskräftigen Erledigung des Grundbuchsverfahrens TZ 1582/88 des Bezirksgerichtes Sch***** unterbrochen hat. Mit der Erledigung dieses Verfahrens war aber die Frage, ob die Klägerin nach der materiellen Rechtslage Eigentümerin der Liegenschaften EZ 524 und EZ 86 KG P***** ist, nicht abschließend geklärt, hat doch die Beklagte bereits am 2.9.1988 (gemeinsam mit einer zweiten Anfechtungswerberin) Klage auf Löschung der Grundbuchseintragung erhoben. Diese Klage ist im Ergebnis auf dasselbe Ziel gerichtet wie die Rekurse der Beklagten im Grundbuchsverfahren. Mit der Einbringung dieser Klage blieb aber die Frage, ob den arbeitsrechtlichen Ansprüchen der Klägerin die Tatsache entgegensteht, daß sie (- und zwar, wenn man den Feststellungen im nicht rechtskräftigen Löschungsprozeß folgt, bereits seit Abschluß des Kaufvertrages und eines Übergabsvertrages am 30.4.1974 -) Eigentümerin der Liegenschaften EZ 584 und EZ 86 KG P***** sowie des darauf befindlichen E-Werkes und damit jenes Unternehmens geworden ist, in dem sie auf Grund eines mit Dr.L***** 1972 abgeschlossenen Dienstvertrages gearbeitet hat, nicht abschließend geklärt. Damit hatte aber die Klägerin beachtliche Gründe, zunächst nur der Löschungsklage der Beklagten entgegenzutreten, bis zur Erledigung dieses Verfahrens aber die arbeitsgerichtliche Klage, die durch den Ausgang des Löschungsprozesses allenfalls entscheidend beeinflußt werden kann, vorläufig nicht fortzusetzen. Trotz der langen Untätigkeit der Klägerin ist daher Verjährung nicht eingetreten, weil es besondere, im Verhältnis zwischen den Parteien gelegene Gründe für angezeigt erscheinen ließen zunächst den Ausgang des Löschungsprozesses abzuwarten, der immer noch nicht beendet ist.

Der Revision ist daher Folge zu geben.

Da der Abweisungsgrund der Verjährung nicht vorliegt, bedarf es einer Verhandlung in erster Instanz, um die Sache spruchreif zu machen. Daher war auch das Urteil der ersten Instanz aufzuheben und die Streitsache an diese zurückzuverweisen (§ 510 Abs 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.

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