Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.066,40 (darin S 1.014,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Im Verfahren 35 Cga 2/96a des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht wurde der Oppositionskläger schuldig erkannt, der Oppositionsbeklagten S 275.533,41 brutto samt gestaffelten Zinsen sowie S 23.861,25 an Kosten des Verfahrens erster Instanz und S 7.558,74 an Kosten des Berufungsverfahrens zu zahlen. Die damalige beklagte und nunmehr klagende Partei zahlte am 2. Jänner 1997 S 40.599,96 und am 9. Juni 1997 S 78.214,77, insgesamt sohin S 118.814,73 netto an die frühere Klägerin und jetzige Oppositionsbeklagte. Am 22. September 1997 zahlte sie überdies die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens von insgesamt S 31.419,99. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 5. 11. 1997, 10 E 7625/97b, wurde der Oppositionsbeklagten die Fahrnisexekution für die vollstreckbare Forderung von S 275.533,41 brutto sA bewilligt. Das Bruttoentgelt der Oppositionsbeklagten betrug im Jahre 1995 S 449.261,76. Nach Abzug von 17,65 % Sozialversicherungsbeiträgen (S 79.294,70) ergab sich eine jährliche Lohnsteuerbemessungsgrundlage von S 369.967,06 und eine monatliche adaptierte Lohnsteuerbemessungsgrundlage von S 30.544,09 sowie ein Belastungsprozentsatz von 23,68 %. Daraus folgt, dass dem Bruttobetrag von S 275.533,41 ein Nettobetrag von S 173.141,42 entspricht. Die Sozialversicherungsbeiträge von S 48.631,65 und die Lohnsteuer von S 53.730,34 sind vom Kläger als Dienstgeber an die Gebietskrankenkasse bzw das Finanzamt abzuführen.
Mit seiner Oppositionsklage vom 12. 3. 1998 begehrte der Kläger gegenüber der Beklagten festzustellen, dass deren Anspruch laut der Exekutionsbewilligung des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 5. November 1997 in Höhe von S 275.533,41 sA erloschen sei und die Exekutionsbewilligung nicht zu Recht bestehe. Die Unzulässigkeit der Exekutionsführung wird damit begründet, dass durch Zahlung der Kosten sowie des Betrages von S 118.814,73 in zwei Teilbeträgen die Forderung der Beklagten zur Gänze erfüllt sei. Der Kläger brachte dazu nicht vor, dass die auf die Nettobeträge entfallenden Sozialversicherungsabgaben und Lohnsteuerbeträge tatsächlich abgeführt worden seien; dies konnte auch nicht festgestellt werden.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete ein, dass sie zwar S 118.814,73 netto erhalten habe und die Exekution demnach nicht über den ganzen Betrag geführt hätte werden dürfen, dass aber zumindest die Differenz auf den ihr gebührenden Nettobetrag von etwa S 190.000 noch immer offen sei.
Das Erstgericht stellte fest, dass der Anspruch der beklagten Partei laut Exekutionsbewilligung des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 5. 11. 1997, 10 E 7625/97, wegen S 275.533,41 brutto samt Zinsen und Kosten im Betrag von S 221.176,72 samt Zinsen und Kosten erloschen sei und die Exekutionsbewilligung daher bezüglich dieses Betrages nicht zu Recht bestehe. Das Mehrbegehren, die Exekutionsbewilligung auch hinsichtlich eines Betrages von S 54.356,69 samt Zinsen für erloschen zu erklären, wies es ab. Weiters verurteilte es die beklagte Partei zum (teilweisen) Kostenersatz an die klagende Partei. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass der Oppositionsbeklagten ein Nettobetrag von S 173.171,42 an Kapital zustehe, davon aber nur S 118.814,73 gezahlt worden seien, sodass ein Restbetrag von S 54.356,69 verbleibe. Die in Abzug gebrachten Sozialversicherungs- und Lohnsteuerbeträge seien vom Oppositionskläger als seinerzeitigem Dienstgeber abzuführen.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es feststellte, dass der Anspruch der beklagten Partei über S 275.533,41 brutto samt Zinsen und Kosten, zu dessen Hereinbringung die Exekution bewilligt wurde, im Betrag von S 118.814,73 netto samt Kosten von S 31.419,98 erloschen sei. Das Mehrbegehren, den Anspruch der beklagten Partei auch hinsichtlich eines Betrages von S 156.718,68 brutto samt Zinsen und weiteren Kosten für erloschen zu erklären, wies es hingegen ab. Das Berufungsgericht erklärte die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG für zulässig.
Es vertrat die Rechtsauffassung, dass ein Exekutionstitel, der auf Zahlung eines Bruttolohnes lautet, ausreichend bestimmt sei und die Exekution in einem solchen Fall auf den ganzen Betrag zu bewilligen sei. Der Verpflichtete könne demgegenüber sein Abzugsrecht mit Klage nach § 35 EO geltend machen. Nach § 82 Abs 1 EStG sei der Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug Steuerpflichtiger, Steuerschuldner und Träger der Steuer. Der Arbeitgeber habe aber die Lohnsteuer für den Arbeitnehmer grundsätzlich bei jeder Lohnzahlung einzubehalten (§ 78 Abs 1 EStG). Die einbehaltene Lohnsteuer sei von ihm bis zum 15. des Folgemonats nach der Einbehaltung abzuführen. Der Arbeitgeber hafte für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitnehmer zu entrichtenden Lohnsteuer. Nach § 58 Abs 2 ASVG schulde der Dienstgeber dem Sozialversicherungsträger nicht nur seinen Anteil an den Sozialversicherungsbeiträgen, sondern auch den, welcher auf den Versicherten entfalle; er habe den Gesamtbetrag einzuzahlen. Die auf den Versicherten und den Dienstgeber entfallenden Beiträge schulde der Dienstgeber grundsätzlich allein.
Daraus folge, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich weder von den Abgabenbehörden noch von den Sozialversicherungsträgern unmittelbar auf Zahlung in Anspruch genommen werden könne und dementsprechend auch keinen Anspruch auf Auszahlung der an Dritte abzuführenden Beträge an ihn habe (DRdA 1985/2). Aus der grundsätzlich alleinigen Haftung des Arbeitgebers für die Abzugsbeträge an Sozialversicherung und Lohnsteuer ergebe sich noch keine den Anspruch des betreibenden Arbeitnehmers aufhebende oder hemmende Tatsache. Der Oppositionskläger habe weder ausreichend klar vorgebracht, ob und in welchem Ausmaß er zu Abzügen berechtigt sei, noch, dass er diese Beträge an das Finanzamt bzw den Sozialversicherungsträger abgeführt habe. Der Anspruch könne daher nur im Umfang des gezahlten Betrages von S 118.816,73 samt Kosten des Titelverfahrens für erloschen erklärt werden, nicht jedoch im darüber hinaugehenden Umfang.
Der Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision wurde damit begründet, dass der Lösung der Frage, ob bei einer Oppositionsklage betreffend einen Bruttotitel der Hinweis des Arbeitgebers auf die Verpflichtung zum Lohnsteuer- und Sozialversicherungsabzug eine den Anspruch aufhebende oder hemmende Tatsache darstelle, eine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 46 Abs 1 ASGG zukomme.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass der Titelanspruch im Betrage von insgesamt S 218.814,73 und Kosten von S 31.419,98 für erloschen erklärt und das Mehrbegehren, auch einen Betrag von S 56.718,58 netto samt Zinsen für erloschen zu erklären, abgewiesen werde.
Die beklagte Partei beantragt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach völlig einhelliger Rechtsprechung ist der Arbeitnehmer berechtigt, den Bruttolohn einzuklagen. Das auf den Bruttolohn gerichtete Klagebegehren ist bestimmt und exiquierbar (RIS-Justiz RS0000636). Im Falle des Zuspruches eines Bruttobetrages wird die von der Rechtskraftwirkung des Urteiles nicht berührte Einbehaltungspflicht und Abführungspflicht des Arbeitgebers erst bei Zahlung des geschuldeten Betrages existent (SZ 54/169 ua). Ein solcher, auf einen Bruttobetrag lautender, ausreichend bestimmter Titel ist vollstreckbar; die Exekution ist auf Antrag hinsichtlich des ganzen Betrages zu bewilligen, wenn es auch klar ist, dass Lohnsteuer, Sozialversicherungsbeiträge usw einzubehalten sind. Der Verpflichtete kann jedoch sein Abzugsrecht mit Klage nach § 35 EO geltend machen (3 Ob 15/96 = ARD 4898/17/97; Heller/Berger/Stix 191, Hörmann, Brutto- oder Nettotitel? in NZ 1991, 60, 63). Gemäß § 58 Abs 2 ASVG schuldet nur der Dienstgeber sowohl die auf ihn als auch auf den Versicherten entfallenden Sozialversicherungsbeiträge (VwGH vom 24. 3. 1992, 89/08/0168; Tomandl, System des österreichischen SV-Rechts 1.2.4, 79; 3 Ob 15/96 uva).
Gemäß § 83 Abs 1 EStG 1988 ist wohl der Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug Steuerschuldner, doch haftet gemäß § 82 leg cit der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und die Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer. Der Arbeitnehmer selbst kann - von den hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen des § 83 Abs 2 Z 1 bis 4 abgesehen - von den Abgabenbehörden nicht auf Zahlung der Lohnsteuer in Anspruch genommen werden. Aus dieser Abzugspflicht des Arbeitgebers, welche sich gegenüber dem Arbeitnehmer als Abzugsrecht auswirkt, ergeben sich für die Einwendungen des Arbeitgebers im Oppositionsprozess verschiedene Konstellationen:
Hat der Arbeitgeber die gesamte, dem Arbeitnehmer zustehende Nettoforderung - sei es auch durch exekutive Hereinbringung - gezahlt, muss der Hinweis auf das gesetzliche Abzugsrecht genügen, weil die Einbehaltungspflicht ja erst bei Zahlung des geschuldeten Betrages existent wird (SZ 54/169). In diesem Fall kann es demnach nicht darauf ankommen, dass der Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer, welche auf die getätigte Zahlung entfallen, auch tatsächlich abgeführt hat. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung 3 Ob 15/96 = ARD 4898/17/97 verweist, übersieht sie, dass es dort um die Aufrechnung des Arbeitgebers mit Zahlungen ging, welche ihm vom Finanzamt bzw dem Sozialversicherungsträger vorgeschrieben wurden, jedoch Vorperioden betrafen und nicht die in Exekution gezogenen Beträge. Erwägungen über § 60 ASVG hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge und § 1358 ABGB betreffend bezahlte Lohnsteuerbeträge durch den Arbeitgeber sind daher dann fehl am Platze, wenn die Einbehaltungen in Exekution gezogene Lohnforderung selbst betreffen.
Der Nachweis, dass Sozialversicherungsbeiträge bzw Lohnsteuer bereits abgeführt sind, wird hingegen dann zu verlangen sein, wenn der Arbeitgeber die dem Arbeitnehmer zustehenden Nettobeträge nicht bzw noch nicht zur Gänze befriedigt hat (Arb 6289; RZ 1986, 88). Dies ist aus dem Recht des Arbeitnehmers abzuleiten, eine noch nicht befriedigte Nettoforderung als Bruttobetrag sowohl einzuklagen als auch in Exekution zu ziehen. Nur dann, wenn der seltene Fall eingetreten sein sollte, dass der Arbeitnehmer Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer vor der Zahlung an den Arbeitnehmer abgeführt haben sollte, wird dies zu einer Einschränkung der Exekution auf den noch offenen Nettobetrag führen können.
Dieser Fall liegt aber gegenständlich nicht vor: Trotz einer Teilzahlung stehen noch immer Nettobeträge zur Zahlung an die hier beklagte Arbeitnehmerin offen. Da es der für das Vorliegen der Oppositionsgründe behauptungs- und beweispflichtige Kläger unterlassen hat, darzulegen, welche Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuerbeträge auf den schon entrichteten Nettobetrag entfallen ( - in diesem Umfang könnte er von seinem Abzugsrecht Gebrauch machen -) und nicht einmal behauptet hat, auf den noch nicht gezahlten Nettorestbetrag Sozialversicherungsbeiträge oder Lohnsteuern entrichtet zu haben, ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, dass die über den bezahlten Nettobetrag hinausgehende Forderung nach wie vor als Bruttobetrag in Exekution gezogen werden kann.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO begründet.
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