OGH 9ObA166/05k

OGH9ObA166/05k16.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Frederik H*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Peter Armstark, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei P***** ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Maria Brandstetter, Rechtsanwältin in Wien, wegen EUR 38.824 brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse EUR 2.701,66) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. September 2005, GZ 8 Ra 97/05a-29, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 20. April 2005, GZ 11 Cga 58/04k-25, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in seinem Zuspruch von EUR 36.740,34 brutto samt 9,47 % Zinsen aus EUR 18.501 seit 14. Februar 2004, aus EUR 3.069,29 seit 31. Mai 2004, aus EUR 5.797,55 seit 30. Juni 2004, aus EUR 5.286 seit 31. Juli 2004 und aus EUR 4.086,50 seit 31. August 2004 als Teilurteil bestätigt wird, wird darüber hinaus, somit hinsichtlich des auf die „Prämie für September 2004" entfallenden Betrages von EUR 2.083,66 sA aufgehoben. Die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt in Ansehung des Teilurteils der Endentscheidung vorbehalten; darüber hinaus sind Kosten des Rechtsmittelverfahrens weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1. 10. 2003 bis 13. 2. 2004 bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch Entlassung, nachdem der Kläger am 12. 2. 2004 die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. 8. 2004 erklärt hatte.

Der Kläger begehrte zuletzt (AS 111) den Betrag von EUR 38.824 brutto samt gestaffelten Zinsen. Er brachte vor, unberechtigt entlassen worden zu sein. Überdies sei die Entlassung verfristet ausgesprochen worden. Gemäß Punkt IV des Dienstvertrages sei ein Bruttomonatsentgelt von EUR 3.500 14 Mal jährlich, zahlbar im Nachhinein am Monatsletzten, vereinbart wurden, zuzüglich eine einmalige Prämie in Höhe von brutto EUR 25.040, zahlbar in 14 gleichen Teilen ab Oktober 2003. Diese Prämie sei vereinbart worden, weil der Kläger von einem Arbeitgeber abgeworben worden sei, der ihn mit einem höheren Bruttogehalt entlohnt habe. Die Prämie sollte für die Übergangszeit, während der noch keine Bestandsprovisionen fließen würden, den Einkommensverlust ausgleichen. Es stünden ihm daher folgende Ansprüche zu: Kündigungsentschädigung einschließlich Prämien und anteiligen Sonderzahlungen bis einschließlich 31. 5. 2004 EUR 18.501 und EUR 3.069,29, Kündigungsentschädigung einschließlich Prämie und anteiliger Sonderzahlung für Juni 2004 EUR 5.797,55, für Juli 2004 EUR 5.286. Dazu komme ein am 31. 8. 2004 fällig gewordener Betrag, der sich wie folgt zusammensetze: das Bruttogehalt von EUR 4.666,67 abzüglich eines erzielten Eigenverdienstes von EUR 4.381 ergibt einen Rest von EUR 285,67; dazu kommen EUR 1.786 Prämie samt aliquotem Anteil (wie eine Sonderzahlung) von EUR 595,33 und Urlaubsersatzleistung EUR 1.419,50, zusammen EUR 4.086,50; am 30. 9. 2004 sei die letzte, mit der Entlassung in keinerlei Zusammenhang stehende monatliche Prämie von EUR 1.786 zuzüglich aliquotem Anteil von EUR 297,66, zusammen EUR 2.083,66, fällig geworden. Die Summe ergebe den Klagebetrag von EUR 38.824 brutto sA. Obwohl der Kläger sein ursprüngliches Klagevorbringen ausdrücklich aufrecht erhielt, vertrat er die Auffassung (AS 110), dass die Prämie kein normaler, laufender Gehaltsbestandteil sei.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und wendete ein, den Kläger berechtigt entlassen zu haben. Da die Verfristung der Entlassung im Revisionsverfahren nicht mehr strittig ist, braucht auf das diesbezügliche Vorbringen nicht mehr eingegangen zu werden. Die Beklagte erhob keinen Einwand der Anrechnung iSd §§ 29 Abs 1 AngG bzw 1162b ABGB. Zur Einmalprämie brachte die Beklagte vor, dass es sich dabei um einen Bezugsbestandteil gehandelt habe, der daher im Rahmen einer Kündigungsentschädigung das Schicksal des Grundgehalts teile, somit für keinen längeren Zeitraum als diese zustehe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Betreffend die „Einmalprämie" traf es folgende Feststellungen: Die Streitteile vereinbarten bei Abschluss des schriftlichen Dienstvertrages die Zahlung einer Prämie von EUR 25.004 brutto, zahlbar in 14 gleichen Teilen ab Oktober 2003. Diese Fixprämie wurde von der Beklagten gewährt, weil der Kläger allenfalls gegenüber dem vorhergehenden Arbeitsvertrag einen Gehaltsverlust erlitten hätte. Von der variablen Prämie (gemeint: der ab 1. 10. 2004 anfallenden Bestandsprämie in Höhe von 15 % der vereinnahmten Managementgebühren) hätte er in den ersten zwölf Monaten noch nichts gehabt. Über das Gehalt hinaus sollte daher der Kläger eine einmalige Prämie in der Höhe von EUR 25.004, zahlbar in 14 gleichen Teilen mit den Monatsbezügen Oktober 2003 bis einschließlich September 2004, erhalten (das Erstgericht stützte diese Feststellungen sowohl auf die PV des Klägers als auch auf den vorgelegten Dienstvertrag Beilage ./A; S 6 in ON 25). Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die Prämie nicht von der Beendigung abhängig sei. Vielmehr sei der Einmalbetrag lediglich in verschiedene Fälligkeiten geteilt worden. Es stehe dem Kläger daher auch die für September 2004 begehrte Prämie zu.

In ihrer Berufung rügte die Beklagte diese Rechtsauffassung und brachte vor, dass die Prämie als Gehaltsbestandteils vereinbart und daher im Rahmen der Kündigungsentschädigung auch nur bis Ende August 2004 hätte zuerkannt worden können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge. Zur „Geltendmachung der Prämie durch den Kläger" führte das Berufungsgericht - unter nahezu wörtlicher Übernahme des diesbezüglichen Vorbringens des Klägers in seiner Berufungsbeantwortung - aus, dass der Kläger die Prämie ohnehin nur als aliquoten monatlichen Gehaltsteil im Rahmen der Kündigungsentschädigung eingeklagt habe und daher von einer überhöhten Einklagung nicht gesprochen werde könne (S 15, 16 in ON 29).

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, die zulässig und teilweise berechtigt ist.

Rechtliche Beurteilung

Nicht berechtigt ist die Revision insoweit, als darin geltend gemacht wird, der Kläger müsse sich auf seine Kündigungsentschädigung an Eigenverdienst noch andere als die zuerkannten Summen anrechnen lassen. Dabei übersieht die Beklagte, dass es an ihr als Dienstgeber gelegen wäre, einen anrechnungspflichtigen Erwerb zu behaupten und zu beweisen (RIS-Justiz RS0021543; RS0028309). Der diesbezüglich erst im Rechtsmittel erhobene Einwand verstößt gegen das Neuerungsverbot und ist daher unbeachtlich.

Insoweit konnte das angefochtene Urteil als Teilurteil bestätigt werden.

Zulässig und berechtigt ist die Revision hingegen - im Rahmen des Aufhebungsantrages - betreffend die Zuerkennung des Teilbetrages von EUR 2.083,66 aus dem Titel der Prämie samt Sonderzahlung für September 2004. In diesem Umfang ging das Berufungsgericht nämlich auf die Rechtsrüge gar nicht ein, weil es - aktenwidrig - die Auffassung vertrat, der Kläger habe ohnehin nur Kündigungsentschädigung begehrt. Dies trifft aber gerade für die auf September 2004 entfallende Prämie nicht zu.

Auch die Nichterledigung einzelner Berufungsgründe fällt unter die typischen Mängel des Berufungsverfahrens, welche gemäß § 503 Z 2 ZPO mit Revision geltend gemacht werden können (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 120). Dazu kommt im vorliegenden Fall überdies, dass das Erstgericht einen Dienstvertrag nicht nur aufgrund der Vertragsurkunde, sondern auch aufgrund der Aussage des Klägers ausgelegt hat. Somit liegt auch eine Tatsachenfrage vor, deren Beurteilung dem Revisionsgericht verwehrt ist.

Das Berufungsgericht wird daher, um die Mängelfreiheit des Verfahrens herzustellen, im zweiten Rechtsgang die Rechtsrüge der Beklagten zu erledigen haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 392 Abs 2 iVm § 52 Abs 2 ZPO.

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