OGH 9ObA161/15i

OGH9ObA161/15i27.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** O*****, vertreten durch Dr. H. Burmann, Dr. P. Wallnöfer ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 22.337,26 EUR sA und Feststellung (25.751,88 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Oktober 2015, GZ 15 Ra 60/15h‑24, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00161.15I.0127.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

1. Der am ***** 1950 geborene Kläger war von ***** 1969 bis ***** 2011 bei der Beklagten angestellt und sollte unter Berücksichtigung der Abfertigung ab 1. 10. 2012 Anspruch auf eine betriebliche Alterspension haben. Das Pensionssystem der Beklagten wurde durch eine Kollektivvertragsänderung mit Wirksamkeit zum 1. 1. 1997 auf ein beitragsorientiertes Pensionskassensystem umgestellt. Der Kollektivvertrag sieht seither zur Berücksichtigung bereits erworbener Anwartschaften eine Übergangs- und eine Besitzstandspension vor. Übergangspensionisten sind danach alle Männer und Frauen, deren Pensionsanspruch nach dem 31. Dezember 1996 entstanden ist und die spätestens am 31. Dezember 1996 das 50. (Männer) bzw 45. (Frauen) Lebensjahr vollenden oder ein Eintrittsdatum vor dem 1. Jänner 1967 (Männer) bzw vor dem 1. Jänner 1972 (Frauen) aufweisen. Besitzstandspensionisten sind Männer und Frauen, deren Pensionsanspruch nach dem 31. Dezember 1996 entstanden ist und die ein Eintrittsdatum nach dem 1. Jänner 1967 (Männer) bzw nach dem 1. Jänner 1972 (Frauen) aufweisen, sofern sie nicht als Übergangspensionisten anzusehen sind. Den Berechnungen dieser Pensionen liegen unterschiedliche Modalitäten zugrunde. Der Kläger wurde spätestens mit Schreiben vom 18. 9. 1997 von der Beklagten darüber informiert, dass er als „Besitzstandspensions-Anwartschaftsberechtigter“ eingestuft wurde.

Mit dem rückwirkend zum 1. 12. 1999 in Kraft getretenen „Auslagerungs-Kollektivvertrag“ und der im Jahr 2000 in Kraft getretenen Auslagerungs-Betriebsvereinbarung wurden auch die Übergangs- und Besitzstandspensions-Anwartschaften mit Stichtag 31. 12. 2000 auf die Pensionskasse ausgelagert und von der Beklagten dafür „Zielübertragungen“ (Deckungsbeiträge) geleistet. Dies betraf auch die Besitzstandspensions-Anwartschaft des Klägers, worüber er spätestens mit Schreiben vom 15. 12. 2000 informiert wurde. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen war ihm spätestens mit der Mitteilung der Zielübertragung zum Stichtag 31. 12. 2000 bekannt „oder hätte ihm bekannt sein können“, dass für ihn die zukünftige Übergangspension jedenfalls höher als die Besitzstandspension gewesen wäre, lediglich die konkrete Höhe des Unterschiedsbetrags war nicht vorhersehbar.

2. Mit am 12. 9. 2014 eingebrachter Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die seit 1. 10. 2012 angefallenen Pensionsdifferenzen zu jenem Betrag, den er bei Einstufung als Übergangspensions-Anwartschaftsberechtigter erhalten hätte, sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle aus der unrichtigen Einstufung künftig entstehenden Schäden, in eventu auch die Feststellung, dass er als Übergangspensionist einzustufen sei und die Beklagte ihm für künftige Schäden hafte. Er werde im Verhältnis zu gleichaltrigen Frauen, die altersbedingt Anspruch auf die höhere Übergangspension hätten, diskriminiert.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren als verjährt ab.

Rechtliche Beurteilung

In seiner gegen die Berufungsentscheidung gerichteten außerordentlichen Revision zeigt er keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 ZPO auf.

3. Der Kläger stützt sein Begehren auf einen Anspruch nach § 12 Abs 2 GlBG und bringt dazu vor, dass es sich hierbei um keinen Schadenersatz-, sondern um einen erhalten gebliebenen direkten Erfüllungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten handle. Der Anspruch verjähre nach § 15 Abs 1 GlBG in drei Jahren, wobei der erste solche Anspruch erst mit der Fälligkeit der ersten Pensionszahlung entstehe. Hier sei auch keine Verjährung des Grundanspruchs denkbar.

Auch wenn man dem Kläger zugesteht, dass die im Kollektivvertrag und der Betriebsvereinbarung angelegte unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen bezüglich ihrer Qualifikation als Übergangs- oder Besitzstandspensionisten als Diskriminierung aufgrund des Geschlechts anzusehen ist, ist für ihn nichts gewonnen:

Nach § 12 Abs 2 GlBG hat der/die Arbeitnehmer/in, der/die ein geringeres Entgelt als ein/e Arbeitnehmer/in des anderen Geschlechts erhält, gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Bezahlung der Differenz und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. Der Entgeltbegriff ist dabei weit zu verstehen und umfasst etwa auch Betriebspensionen ( Hopf/Mayr/Eichinger , GlBG § 3 Rz 76 mwN). Gemäß § 15 Abs 1 letzter Satz GlBG gilt für die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 12 Abs 2 GlBG die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 ABGB. Die Verjährung beginnt grundsätzlich mit dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem das Recht „zuerst hätte ausgeübt werden können“, seiner Geltendmachung also kein rechtliches Hindernis ‑ zB mangelnde Fälligkeit ‑ mehr entgegensteht (§ 1478 ABGB; Dehn in KBB 4 § 1478 Rz 2 mwN; RIS‑Justiz RS0034343). Die Bestimmungen des GlBG traten zwar erst mit 1. 7. 2004 in Kraft. Hinsichtlich des Differenzanspruchs enthielten aber bereits die früheren Bestimmungen des § 2a Abs 2 und des § 10b Gleichbehandlungsgesetzes 1979 idF BGBl I 1998/44 vergleichbare Regelungen (s Hopf/Mayr/Eichinger , GlGB § 12 Rz 27).

Im vorliegenden Fall ist die Beklagte selbst jedoch nicht mehr zur Leistung einer Betriebspension verpflichtet, weil ihr Pensionssystem bereits in den Jahren 1996/1997 und 2000 auf ein Pensionskassenmodell umgestellt wurde und sie damit dem Kläger gegenüber nur noch verpflichtet war, eine ausreichend dotierte „Zielübertragung“ in die Pensionskasse vorzunehmen. Danach konnte der Kläger von ihr nur noch die Einzahlung eines allenfalls ausstehenden Differenzbetrags zur „Zielübertragung“ verlangen. Bei diesem handelt es sich aber entgegen seiner Ansicht um keine wiederkehrende Leistung der Beklagten mehr. Das Begehren des Klägers auf Zahlung der Differenz der einzelnen von der Pensionskasse ausgezahlten Beträge zu jenen Beträgen, die er bei diskriminierungsfreier Einstufung im Jahr 2000 und richtig berechneter Zielübertragung erhalten hätte, lässt danach unberücksichtigt, dass die Zahlung von monatlichen Pensionsleistungen seither nicht Teil der Verpflichtung der Beklagten zur Entgeltzahlung ist. Der dem Kläger allenfalls verbliebene Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrags ist bei Klagseinbringung am 12. 9. 2014 unter Zugrundelegung einer dreijährigen Verjährungsfrist nach § 12 Abs 2 iVm § 15 Abs 1 letzter Satz GlBG (§ 2a iVm § 10b GlBG 1979) verjährt.

4. Unter schadenersatzrechtlichen Aspekten bringt der Kläger vor, dass die Vorinstanzen die einen Arbeitnehmer treffenden Erkundigungspflichten überspannt hätten.

Ungeachtet der Frage nach dem Verhältnis der Verjährungsbestimmung des § 15 Abs 1 letzter Satz GlBG iVm § 1486 ABGB zu jener des § 1489 ABGB (s dazu Hopf/Mayr/Eichinger , GlBG § 15 Rz 14 mwN), auf das hier nach den zeitlichen Gegebenheiten des Falls nicht weiter eingegangen werden muss, entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass die Reichweite der Erkundungspflicht des Geschädigten nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden kann (RIS‑Justiz RS0113916). Richtig ist zwar, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Voraussetzungen erfolgversprechender Anspruchsverfolgung im Allgemeinen nicht zu verlangen ist (zB RIS‑Justiz RS0034524 [T64]). Dennoch ist die Beurteilung der Vorinstanzen hier nicht weiter korrekturbedürftig:

Der Kläger bringt selbst vor (ON 9 S 10), dass bei der Auslagerung der ursprünglichen Pensionszusagen auf die Pensionskasse danach differenziert wurde, wie lange die Dienstzeit eines Mitarbeiters bis zur Pension war. Bei den Übergangspensions-Anwartschaftsberechtigten (Eintritts-datum Männer: 1967 oder früher; Frauen: 1972 oder früher) sollte der Wert der vormals getätigten direkten Pensionszusage aus Vertrauensschutzgründen möglichst erhalten bleiben; sie seien deshalb auch jene, „die betraglich deutlich höher liegen“. Den Besitzstandspensions-Anwartschaftsberechtigten als jenen Mitarbeitern, die noch längere Zeit bis zum Pensionsantritt hatten, sei der Eingriff einer deutlich geringeren Pensionsleistung dagegen zumutbar gewesen; die direkte Pensionszusage habe nicht erhalten bleiben müssen. Nach diesem Vorbringen war die Umstellung des Pensionssystems schon im Jahr 1996 von dem Grundverständnis getragen, dass den ‑ besonders lange beschäftigten ‑ Übergangspensions-Anwartschaftsberechtigten ein höherer Schutz in ihrem Vertrauen auf die Höhe der ursprünglich zugesagten Betriebspension als den Besitzstandspensionisten zukommen sollte. Auch dem Kläger war bereits 1996/1997 bekannt, dass die Beklagte zwischen Übergangs- und Besitzstandspensionisten unterschied und dass für diese Differenzierung in Entsprechung des für Männer und Frauen unterschiedlichen sozialversicherungs-rechtlichen Pensionsantrittsalters jeweils an das unterschiedliche Alter von Männern und Frauen angeknüpft wurde. Ihm wurde 1997 von der Beklagten auch bekannt gegeben, dass er aufgrund seines Alters und seines Geschlechts als Besitzstandspensions-Anwartschaftsbe-rechtigter eingestuft wurde. Im Jahr 2000 wurde ihm auch der auf Basis einer Besitzstandspensions-Anwartschaft errechnete Betrag für die Zielübertragung bekannt gegeben. Wenn die Vorinstanzen im Ergebnis der Ansicht waren, dass ihm damit spätestens im Jahr 2000 erkennbar war, dass er im Gegensatz zu einer gleichaltrigen Frau nicht in den Genuss der günstigeren Übergangspension kommen würde, so ist dies vertretbar und nicht weiter zu beanstanden.

5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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