OGH 9ObA145/02t

OGH9ObA145/02t26.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Hötzl und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei T*****, Betriebsrat für das fliegende Personal der T***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Harald Bisanz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kündigungsanfechtung (Streitwert EUR 7.267,28), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. März 2002, GZ 8 Ra 51/02g-23, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. November 2001, GZ 34 Cga 52/01f-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 499,39 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 83,23 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der klagende Betriebsrat begehrt die Unwirksamerklärung der Kündigung eines seit 1988 bei der Beklagten tätigen Flugkapitäns. Dieser hatte am 8. 1. 2001 anlässlich eines Flugs von Helsinki nach Wien ein Aupairmädchen, das in Österreich für ihn tätig werden sollte, in der Absicht, es gratis nach Wien mitzunehmen, als Crewmitglied ausgegeben. Dies ist ihm zunächst auch gelungen. Eine S*****-Angestellte, der der Vorfall verdächtig vorgekommen war, verständigte jedoch davon die Beklagte. Nach einem Gespräch mit dem Flugkapitän, der bis zu diesem Zeitpunkt noch immer kein Flugticket nachgekauft hatte, wurde diesem vom einem Vertreter der Personalabteilung der Beklagten am 11. 1. 2001 mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis zum 30. 6. 2001 - dies war im Hinblick auf die Kündigungsfrist des Klägers der nächstmögliche Kündigungstermin - gekündigt werde. Die Frage des Flugkapitäns, ob es eine andere Möglichkeit gebe, wurde verneint. Am 8. 2. 2001 wurde der Betriebsrat von der beabsichtigten Kündigung verständigt. Das mit 27. 2. 2001 datierte Kündigungsschreiben wurde dem Flugkapitän schließlich am 16. 3. 2001 übergeben.

Dass die Kündigung wesentliche Interessen des Klägers beeinträchtigt, ist nicht mehr strittig. Er ist 39 Jahre alt, für vier eheliche und ein uneheliches Kind sowie für seine Ehegattin sorgepflichtig und hat Schulden in der Höhe von rd. S 4,5 Millionen. Es droht ihm mehrmonatige Arbeitslosigkeit. Mit einer Anstellung als Flugkapitän kann er in absehbarer Zeit nicht rechnen.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass die Kündigung nicht sozialwidrig sei. Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodass es insofern ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegenzuhalten:

Gemäß § 105 Abs 3 Z 2 lit a kann der Arbeitgeber den Nachweis erbringen, dass die Kündigung durch Umstände begründet ist, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren. Dass diese Umstände die Weiterbeschäftigung unzumutbar machen würden, ist nicht erforderlich. Es reicht vielmehr aus, dass die in der Person des Arbeitnehmers gelegenen Umstände die betrieblichen Interessen soweit nachteilig berühren, dass sie bei objektiver Betrachtungsweise einen verständigen Betriebsinhaber zur Kündigung veranlassen würden und die Kündigung als eine gerechte, dem Sachverhalt adäquate Maßnahme erscheinen lassen (SZ 63/198; DRdA 1994/32). Dass diese Voraussetzung erfüllt ist, kann im hier zu beurteilenden Fall, in dem das Verhalten des Gekündigten einen Entlassungsgrund verwirklichte, nicht zweifelhaft sein. Die Meinung der klagenden Partei, der Arbeitgeber könne sich auf einen Entlassungsgrund nur berufen, wenn ihm die Weiterbeschäftigung unzumutbar sei, übersieht, dass der Arbeitgeber das Verhalten des Arbeitnehmers eben nicht zum Anlass für eine Entlassung genommen hat.

Richtig ist, dass der arbeitsrechtliche Unverzüglichkeitsgrundsatz auch für die Geltendmachung von Verfehlungen des Arbeitnehmers als personenbezogenen Rechtfertigungsgrund für eine Kündigung (§ 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG) gilt (Arb 11.992 mwN). Daraus ist aber hier für die klagende Partei nichts zu gewinnen, weil der Vertreter der Personalabteilung der Beklagten dem Flugkapitän gegenüber sofort erklärt hat, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum nächstmöglichen Termin beenden werde und über sein Nachfragen auch klargestellt hat, dass diese auf diesem Standpunkt beharren werde. Soweit die klagende Partei dies in der Revision in Frage stellt, weicht sie vom festgestellten Sachverhalt ab. Ein Schwebezustand, in dem der Arbeitnehmer im Unklaren über sein weiteres Schicksal gelassen wurde, hat daher nicht bestanden; für die Annahme, die Beklagte werde von einer Kündigung Abstand nehmen, bestand keine Veranlassung. Die Beklagte hat deutlich gemacht, dass sie zu einer Weiterbeschäftigung des Flugkapitäns über die Kündigungsfrist hinaus nicht bereit ist. Dass sie seine Weiterbeschäftigung bis zum Ende der Kündigungsfrist als zumutbar erachtete, ist - wie schon ausgeführt - nicht entscheidend, weil sie den Flugkapitän nicht entlassen, sondern gekündigt hat.

Die daher durchzuführende Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers an seiner Weiterbeschäftigung und der Interessen der Beklagten an der Beendigung des Dienstverhältnisses fällt zugunsten der Beklagten aus. Dass wesentliche Interessen des Piloten durch die Kündigung beeinträchtigt wurden, trifft zwar zu. Dem steht aber ein Verhalten des Arbeitnehmers gegenüber, das sogar die Entlassung gerechtfertigt hätte und das im Hinblick auf die gerade bei einem Piloten erforderliche Vertrauensbasis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (9 ObA 190/98a) besonders schwer ins Gewicht fällt. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der von der Beklagten verzeichnete Kostenbetrag war wie im Spruch ersichtlich zu reduzieren. Dem Kostenverzeichnis liegt eine Bemessungsgrundlage von EUR 72.672,83 (= S 1.000.000,-) zugrunde; tatsächlich wurde der Streitgegenstand in erster Instanz jedoch mit S 100.000,- (= EUR 7.267,28) bewertet.

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