OGH 9ObA190/98a

OGH9ObA190/98a2.9.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Barbara Hopf und Franz Becke als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Herbert S*****, Pilot, ***** vertreten durch Dr. Hansjörg Pichler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei T***** AG, ***** vertreten durch Dr. Johann Paul Cammerlander ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unwirksamerklärung einer Entlassung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. April 1998, GZ 15 Ra 45/98z-29, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. November 1997, GZ 47 Cga 307/95w-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 18. 9. 1969 geborene Kläger war seit 9. 1. 1992 als Pilot bei der Beklagten beschäftigt. Er verdiente zuletzt S 57.000,- brutto monatlich, 14 mal jährlich. Ab 1. 11. 1995 wurde er als Kapitän mit Dienstort S***** eingesetzt. Da seine dortige Wohnung noch nicht bezugsfertig war, ersuchte er am 13. 11. 1995 die Crew-Control der Beklagten, ihm ein Hotelzimmer zur Verfügung zu stellen. Als dieses Ersuchen abgelehnt wurde, erklärte er, daß er krank sein werde, wenn er kein Zimmer zur Verfügung gestellt bekomme. Am 14. 11. 1995 meldete sich der Kläger um 6.35 Uhr krank. Am Nachmittag des selben Tages suchte er seinen Hausarzt auf, der ihm wegen eines grippalen Infektes und Schnupfens Arbeitsunfähigkeit attestierte. Der Kläger hätte aufgrund seines Zustandes am 14. 11. 1995 seiner Arbeit nicht nachgehen können.

Wegen der Ankündigung, er werde im Falle der Verweigerung eines Hotelzimmers krank sein, wurde der Kläger am 15. 11. 1995 entlassen. Nach der Entlassung gelang es ihm trotz zahlreicher Bewerbungen zunächst nicht, eine Anstellung bei einer Fluglinie zu erlangen. In Österreich wäre nur - allerdings erst nach Ablegung eines Eignungstests - eine Beschäftigung als Co-Pilot bei L***** in Betracht gekommen. Erst nach einer (unter Mitwirkung des dem Verfahren beigezogenen Sachverständigen erreichten) Erweiterung seiner Typenberechtigung gelang es dem Kläger, am 26. 12. 1996 eine Anstellung als Co-Pilot bei einer deutschen Regionalfluglinie mit einem monatlichen Grundgehalt von DM 2.565 incl. Zulagen zu erhalten. Seit 1. 8. 1997 arbeitet er bei dieser Fluglinie als CPT Stufe 1 mit einem Gesamtgehalt von DM 7.763 (13 mal jährlich). Der Kläger ist alleinstehend und hat keine Sorgepflichten.

Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, daß das Verhalten des Klägers keinen Entlassungsgrund verwirklichte.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtauffassung, daß zwar durch die Entlassung wesentliche Interessen des Klägers beeinträchtigt worden seien, daß aber mit seiner am 13. 11. 1995 erfolgten Ankündigung, er werde im Falle der Verweigerung eines Hotelzimmers krank sein, ein in seiner Person gelegener Umstand zur Beendigung des Dienstverhältnisses führte und daß die Abwägung des Interesses des Klägers an einer Weiterbeschäftigung gegenüber dem Interesse der Beklagten an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugunsten der Beklagten ausfalle; die Anfechtung der Entlassung wegen Sozialwidrigkeit sei daher nicht berechtigt. Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodaß es ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit gerügte Differenz zwischen den von ihm behaupteten und den vom Erstgericht festgestellten Zahlungen seines neuen Dienstgebers in den ersten fünf Monaten des neuen Dienstverhältnisses von insgesamt DM 5.778,70 ist für die Entscheidung nicht von Bedeutung. Auch auf der Grundlage der vom Kläger für diesen Zeitraum zugestandenen Einkünfte (die über dem vom Erstgericht für diesen Zeitraum festgestellten "Grundgehalt von DM 2.565 incl. Zulagen" liegen), erweist sich nämlich die angefochtene Entscheidung als zutreffend.

Der vom Kläger geltend gemachte Verfahrens- mangel (Unterbleiben der ergänzenden Parteienvernehmung) wurde schon vom Berufungsgericht verneint und kann daher im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden (SZ 62/88; Arb 11.174; Arb 11.217; Arb 11.265 uva).

Daß die Interessen des Klägers durch die Entlassung wesentlich beeinträchtigt wurden, hat das Berufungsgericht ohnedies anerkannt. Es hat aber die Ankündigung des Klägers, im Falle der Nichterfüllung seiner Forderung nach einem Hotelzimmer krank zu sein, zutreffend als einen in der Person des Arbeitnehmers gelegenen und die betrieblichen Interessen nachteilig berührenden Grund für die Beendigung des Dienstverhältnisses iS § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG gewertet. Daß der Kläger am nächsten Tag tatsächlich krank war, ändert daran nichts, weil schon die bloße - als Druckmittel gebrauchte - Ankündigung geeignet ist, das Vertrauen des Dienstgebers in den Dienstnehmer zu erschüttern und der Dienstgeber an der Berechtigung eines tatsächlich folgenden Krankenstandes Zweifel haben muß und zu Überprüfungen genötigt ist. Bei der daher notwendigen Abwägung der Interessen des Klägers an seiner Weiterbeschäftigung und der Beklagten an der Beendigung des Dienstverhältnisses (Schwarz in Cerny/Haas-Laßnigg/ Schwarz, ArbVG III Anm 5 zu § 106, Anm 19 zu § 105) ist zu berücksichtigen, daß der Kläger zum Zeitpunkt der Entlassung erst 26 Jahre alt war, keine Sorgepflichten hat und mittlerweile eine neue Anstellung gefunden hat, die ihm ein Einkommen ermöglicht, das zwar das früher bezogene nicht erreicht, aber immer noch überdurchschnittlich ist. Auch den in der Revision behaupteten Vorteilen des früheren Dienstverhältnisses im Hinblick auf das von den Fluglinien eingehaltene Senioritätsprinzip kommt nicht die vom Kläger gewünschte Bedeutung zu, weil das Tatbestandsmerkmal der wesentlichen Interessenbeeinträchtigung jenen Arbeitnehmern Bestandschutz gewähren soll, die auf ihren Arbeitsplatz zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes angewiesen sind (RdW 1994, 253); auf die Beibehaltung des konkreten Arbeitsverhältnisses kann es dabei - ungeachtet der Vorteile einer längeren Betriebszugehörigkeit - nicht ankommen (SZ 63/68; 9 ObA 108/98t). Demgegenüber kommt dem Verhalten des Klägers, das zum Ausspruch der Entlassung führte, im Hinblick auf die gerade bei einem Piloten erforderliche Vertrauensbasis zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer erhebliches Gewicht zu. Auch der Oberste Gerichtshof ist daher der Ansicht, daß das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Dienstverhältnisses jenes des Klägers an dessen Fortsetzung überwiegt.

Stichworte