OGH 9ObA12/99a

OGH9ObA12/99a17.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Krajcsir und Anton Degen als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Sabine J*****, Vertragsbedienstete, *****, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Stadt Wien, 1082 Wien, Rathaus, vertreten durch Dr. Wolfgang Heufler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Oktober 1998, GZ 9 Ra 234/98t-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10. Oktober 1997, GZ 7 Cga 236/95s-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 13.725,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.287,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 20. 2. 1965 geborene Klägerin ist seit 1. 8. 1989 Vertragsbedienstete der Beklagten. Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes Wien vom 13. 8. 1992 wurde sie mit Wirksamkeit ab 17. 10. 1991 wegen der Folgen eines in der Kindheit erlittenen Verkehrsunfalles als begünstigte Behinderte eingestuft. Am 4. 8. 1995 wurde sie von der Beklagten mit der Begründung entlassen, daß sie für die Erfüllung ihrer Dienstpflichten körperlich ungeeignet sei.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß das Dienstverhältnis über den Zeitpunkt der Entlassung hinaus aufrecht sei. Die Unfähigkeit zur Erfüllung der Dienstpflichten sei lediglich ein Kündigungsgrund, aber kein Entlassungsgrund. Die somit ungerechtfertigte Entlassung habe nicht die Wirkung einer Kündigung, weil eine Kündigung nur unter den im § 8 Abs 2 BEinstG vorgesehenen Bedingungen zulässig sei. Die Entlassung sei daher rechtsunwirksam und habe das Dienstverhältnis nicht beendet.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Entlassung sei gerechtfertigt. Nach der Wiener Vertragsbedienstetenordnung (in der Folge: Wr. VBO) sei eine Kündigung nur bei vorübergehender Dienstunfähigkeit zulässig. Die bei der Klägerin gegebene dauernde Dienstunfähigkeit stelle jedoch einen Entlassungsgrund dar.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging in tatsächlicher Hinsicht davon aus, daß die Beklagte zwar aus medizinischer Sicht arbeitsfähig sei, daß aber im Hinblick auf ihre gehäuften Krankenstände, deren Berechtigung nicht bestritten worden sei, von ihrer Unfähigkeit zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten auszugehen sei. Die Entlassung sei daher gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil iS der Stattgebung des Klagebegehrens ab. Nach § 42 Abs 1 Z 2 Wr.VBO stelle es einen Kündigungsgrund dar, "wenn der Vertragsbedienstete für die Erfüllung seiner Dienstpflicht geistig oder körperlich ungeeignet ist". § 45 Wr.VBO, der die Auflösung des Dienstverhältnisses aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist regle, enthalte eine demonstrative Aufzählung der Entlassungsgründe, wobei allen angeführten Gründen ein erhebliches Verschulden des Vertragsbediensteten zugrunde liege. Die Unfähigkeit des Vertragsbediensteten zur Dienstverrichtung sei nicht als Entlassungsgrund aufgezählt, wohl aber in § 45 Abs 3 Wr.VBO als Grund für einen berechtigten vorzeitigen Austritt. Daraus sei zu schließen, daß der Dienstgeber dem genannten Tatbestand nicht das Gewicht eines Entlassungsgrundes beimesse und im Falle seiner Verwirklichung nur die Kündigung des Vertragsbediensteten in Betracht komme. Da die Klägerin begünstigte Behinderte iS des BEinstG sei, komme der besondere Entlassungsschutz dieses Gesetzes zum Tragen, der dadurch realisiert werde, daß eine unbegründete Entlassung rechtsunwirksam sei. Ihre unbegründete Entlassung habe daher das Dienstverhältnis nicht aufgelöst.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung iS der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Richtig ist, daß § 45 der Wr.VBO, der in seinem Abs 1 normiert, daß das Dienstverhältnis aus wichtigen Gründen ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aufgelöst werden kann, in seinem Abs 2 die wichtigen Gründe, die zur Entlassung berechtigen, nur demonstrativ aufzählt. Ebenso trifft es zu, daß die Wr.VBO in ihren §§ 28 Abs 1 Z 2 und 48 Abs 2 Z 5 von der Möglichkeit einer vom Vertragsbediensteten nicht verschuldeten Entlassung ausgeht. Dessenungeachtet kann § 45 der Wr.VBO nicht im von der Revisionswerberin gewünschten Sinn ausgelegt werden. Schon allein der Umstand, daß § 42 Abs 2 Z 2 der Wr.VBO den von der Beklagten zur Begründung der Entlassung herangezogenen Tatbestand, nämlich das Fehlen der geistigen oder körperlichen Eignung für die Erfüllung der Dienstpflichten, ausdrücklich als Kündigungsgrund normiert, verbietet es, diesen Tatbestand gleichzeitig auch als im Gesetz nicht ausdrücklich genannten Entlassungsgrund zu werten. Dieses Ergebnis wird überdies durch den vom Berufungsgericht hervorgehobenen Umstand bestätigt, daß auch § 45 der Wr.VBO den genannten Tatbestand erwähnt, ihn aber nur als Grund für einen vorzeitigen Austritt des Vertragsbediensteten, nicht aber als Entlassungsgrund aufzählt. Das Berufungsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß der von der Beklagten für die Entlassung der Klägerin angeführte Grund zwar als Kündigungsgrund, nicht aber als Entlassungsgrund anzusehen ist.

Den in der Revision zitierten Entscheidungen 8 ObA 222/95 (= infas

1995 A 142) und 9 ObA 85/93 (= ARD 4492/7/93) - beide beschäftigen

sich mit den Voraussetzungen einer Kündigung - ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen.

Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, daß die somit ungerechtfertigte Entlassung des behinderten Klägers das Dienstverhältnis nicht aufgelöst hat, ist zutreffend (ständige Rechtsprechung; zuletzt RdW 1998, 475). Insofern reicht es aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Auf die Ausführungen der Revisionswerberin zur Frage, ob und inwieweit die Klägerin dienstunfähig ist, braucht daher nicht eingegangen zu werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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