OGH 9ObA12/96

OGH9ObA12/9628.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Karl Heinz Kux (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag.Kurt Retzer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ireneusz K*****, Pfarrer in Ruhe, ***** vertreten durch Dr.Karl Haas und Dr.Georg Lugert, Rechtsanwaltspartnerschaft in St.Pölten, wider die beklagte Partei Diözese S*****, ***** vertreten durch Dr.Walter Hagel, Rechtskonsulent, ebendort, wegen S 310.000 sA und Feststellung (Streitwert S 50.000), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. September 1995, GZ 7 Ra 111/95-11, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. März 1995, GZ 6 Cga 45/94t-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird zum Teil und zwar dahin Folge gegeben, daß die Beschlüsse, mit denen die Vorinstanzen das Leistungsbegehren zurückgewiesen haben, aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens über die Leistungsklage aufgetragen wird.

Hingegen wird dem Revisionsrekurs, soweit er sich gegen die Zurückweisung des Feststellungsbegehrens richtet, nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Kläger wurde mit 1.7.1988 zum römisch-katholischen Pfarrer der Pfarrgemeinde M***** ernannt. Mit Schreiben vom 28.6.1990 verzichtete er zum 1.9.1990 auf diese Pfarre.

Mit der vorliegenden Klage begehrt er die Feststellung, daß dieser Verzicht unwirksam sei und die beklagte Partei ihm S 310.000 sA an ausständigem Rentenbezug zu zahlen habe. Zufolge von Unstimmigkeiten sei ihm seitens der beklagten Partei nahegelegt worden, im Sinne der cann 187 ff CIC auf die Pfarre zu verzichten. In seinem Verzichtsschreiben vom 28.6.1990 habe der Kläger darauf hingewiesen, daß dieser Verzicht nicht frei von Zwang und Irrtum erfolge. Er habe nur deshalb verzichtet, weil ihm von befugten Vertretungsorganen der beklagten Partei wiederholt mitgeteilt worden sei, daß er durch die Resignation und die nachfolgende Pensionierung keinerlei besoldungsrechtliche Nachteile erleiden werde. Entgegen dieser Zusage habe er jedoch die im Pfarrhof befindliche Dienstwohnung räumen müssen.

Gemäß § 15 der BesoldungsO der beklagten Partei habe ein Pfarrer im Ruhestand Anspruch auf eine Pension im Ausmaß von 100 % des letzten Aktivbezuges. Zu diesem Aktivbezug seien auch die Sachbezüge wie die kostenlose Beistellung einer Dienstwohnung zu zählen. Dennoch habe die beklagte Partei ihm keine andere Dienstwohnung zur Verfügung gestellt, wodurch ihm seit 31.5.1991 ein Mietaufwand von S 270.000 entstanden sei. Überdies entgehe ihm seit der Pensionierung die sogenannte Mensa-Communis-Zulage, die mit insgesamt S 40.000 aushafte. Der Kläger sei dadurch besoldungsrechtlich schlechter gestellt als vor seiner Verzichtserklärung. Der Verzicht sei daher nicht frei von Zwang und Irrtum erklärt worden und somit unwirksam. Ungeachtet der Rechtsunwirksamkeit des Verzichts sei der Bischof nach kanonischem Recht verpflichtet, bei einem Verzicht auf die Pfarre für die Versorgung und Wohnung des Verzichtenden Sorge zu tragen. Der Kläger habe daher nach kanonischem Recht einen Anspruch darauf, daß seine Wohnbedürfnisse durch die beklagte Partei befriedigt werden.

Der Kläger habe an die beklagte Partei wiederholt Forderungen, die aus dem Dienstverhältnis resultieren, gestellt; diese seien jedoch abgelehnt worden. In seinem Schreiben vom 6.2.1993 an den Papst habe er die Wiedergutmachung der moralischen und materiellen Schäden gefordert. Der Brief sei nicht einmal beantwortet worden. Demzufolge sei die Klage auch wegen der "Verweigerung des Rechtswegs" zulässig.

Die beklagte Partei beantragte, die Klagebegehren wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen. Beim Amtsverzicht des Klägers habe es sich um eine Maßnahme gehandelt, welche den innerkirchlichen Angelegenheiten im Sinne des Art 15 StGG 1867 zuzurechnen sei. Eine Entscheidung über die Wirksamkeit eines Amtsverzichtes würde verfassungswidrigerweise in die Autonomie der Ämterbesetzung eingreifen. Da die Regelung des standesgemäßen Unterhalts von Geistlichen allein den zuständigen kirchlichen Organen übertragen sei (BesoldungsO für die Priester der Diözese*****), betreffe auch das Leistungsbegehren die inneren Angelegenheiten der katholischen Kirche. Die Besoldung eines katholischen Priesters gründe sich nicht auf einen Dienstvertrag, sondern auf seinem Weihetitel.

Beide Begehren wären daher allein im kirchlichen Verwaltungsverfahren geltend zu machen gewesen. Der Amtsverzicht und dessen Gültigkeit seien ausdrücklich in den can 187 bis 189 CIC 1983 geregelt. Ein Verzicht, der auf Grund schwerer, widerrechtlich eingeflößter Furcht, arglistiger Täuschung, eines wesentlichen Irrtums oder auf Grund von Simonie erfolgte, sei nach can 188 CIC ungültig. Dem Kläger wäre es freigestanden, ein Feststellungsverfahren einzuleiten und die Erlassung eines Dekrets nach den can 48 bis 58 CIC zu beantragen. Dagegen wäre der sogenannte hierarchische Rekurs nach den can 1732 bis 1739 CIC offengestanden. Gegen die Entscheidung der Kleruskongregation in Rom als oberster Instanz hätte der Kläger allenfalls noch eine Beschwerde bei der zweiten Sektion der Signatura Apostolica einbringen können. Ein solches Feststellungsbegehren habe der Kläger aber bei der Kirchenbehörde gar nicht gestellt.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Sowohl die Abgabe eines Amtsverzichtes als auch das Begehren auf Vorsorge einer Wohnung seien den inneren Angelegenheiten der katholischen Kirche zuzurechnen. Der Kläger hätte seine Ansprüche im kirchlichen Verwaltungsverfahren geltend machen und die Erlassung eines Dekrets nach den can 58 bis 68 CIC beantragen können. Der ordentlichen Gerichtsbarkeit sei ein solches Begehren entzogen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es vertrat unter Zitierung reichhaltiger Literatur die Rechtsauffassung, daß gemäß Art 15 des StGG 1867 weder die Gesetzgebung noch die Vollziehung des Bundes und der Länder eine Kompetenz zur Regelung der inneren Angelegenheiten einer gesetzlich anerkannten Kirche hätten. Diese sei vielmehr ein echter Selbstverwaltungskörper eigener Art und vom staatlichen Standpunkt aus eine Verwaltungsbehörde. Nach dem Konkordat 1933 habe die katholische Kirche eine öffentlich-rechtliche Stellung und ihr Recht, im Rahmen ihrer Zuständigkeit Gesetze, Dekrete und Anordnungen zu erlassen, sei anerkannt. Gemäß Art XI des Konkordats stehe die Besetzung der kirchlichen Benefizien (früher can 1409 CIC 1917) der Kirchenbehörde zu. Die Bereiche der Amtsenthebung bzw des Amtsverzichtes (can 187 bis 189 und 1742 bis 1745 CIC) seien zweifelsfrei dem inneren Bereich der Kirche zugehörig. Der CIC 1983 sehe in seinem can 1737 bis 1739 ein eigenes Beschwerdeverfahren vor, in dem gegen einen kirchlichen Verwaltungsakt binnen fünfzehn Tagen Rekurs eingelegt werden könne.

Dem Kläger könne auch nicht darin beigepflichtet werden, daß die Frage der Bezüge die Entlohnung für geleistete Dienste betreffe und keine Regelung des standesgemäßen Unterhalts nach dem CIC 1983 sei. In der römisch-katholischen Kirche sei die rechtliche Beziehung zwischen Organwalter und Kirche auf Grund der Art ihrer Organisation (Weihetitel als Basis einer Unterhaltsverpflichtung) nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses geregelt. Der Kläger verweise in seiner Klage ausdrücklich auf seine Dienstwohnung und die Mensa Communis auf Grund seines geistlichen Amtes; das Leistungsbegehren nehme auf die Vorfrage des rechtsgültigen Verzichtes und die innerkirchliche Pensionierung Bezug. Zufolge des Zusammenhanges und des Umstandes, daß auch die Frage der "Entlohnung" (des standesgemäßen Unterhalts) im CIC 1983 (can 273 bis 289) geregelt ist, sei dieser Bereich ebenfalls der weltlichen Jurisdiktion entzogen. Auch wenn innerkirchliche Besoldungsvereinbarungen bestanden haben sollten, bleibe die Regelung des CIC 1983 dafür die Rechtsgrundlage.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die Klage (wohl der Rechtsweg) zulässig sei. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zum Teil berechtigt.

In seinem Revisionsrekurs macht der Kläger geltend, daß sich der autonome Bereich der Kirche vorzüglich auf Lehre, Disziplin, Gottesdienst, Seelsorge und Amtsorganisation beziehe, während die Vermögensverhältnisse zu den äußeren Verhältnissen zu zählen seien. Über weltliche Rechtssachen der Geistlichen hätten die weltlichen Gerichte zu entscheiden. Innere Angelegenheiten seien all jene Belange, die weder verfassungsrechtlich geregelt seien noch gegen sonstige staatliche Anordnungen verstießen. Gemäß Art 82 B-VG gehe alle Gerichtsbarkeit vom Bund aus und nach Art 83 B-VG dürfe niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Das kirchliche Arbeitsrecht sei somit im Kontext der staatlich verbürgten Grundrechte zu verstehen, wobei die Grenze des Bereiches der inneren Angelegenheiten in dem Bereich anzusiedeln sei, der durch die Generalklauseln des Privatrechts (insbesondere der §§ 16 und 869 ABGB) bestimmt werde.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten:

Gemäß Art 15 StGG ordnet und verwaltet jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft ihre inneren Angelegenheiten selbständig, ist aber wie jede Gesellschaft den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. Das Ordnen ist auf die Aufstellung von Regelungen zu beziehen, das Verwalten auf ihre Durchführung. Nach dem Konkordat 1933 (Art I § 2) ist das Recht der katholischen Kirche, im Rahmen ihrer Zuständigkeit Gesetze, Dekrete und Anordnungen zu erlassen, anerkannt. Daraus folgt, daß die Ausgestaltung der gesamten inneren Ordnung von gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften der Autonomiegarantie des StGG unterliegt (vgl auch § 132 Abs 4 ArbVG; § 1 Abs 3 ARG; § 5 Abs 1 Z 7 ASVG idF der 41.Nov; Art 17 der Richtlinie 93/104 , AMBl 1993 Nr L 307/18; Mayer-Maly/Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht I 3; Mayer-Maly, Arbeitsverhältnis eines Religionslehrers, DRdA 1989 31 ff, 32). Für die Zulässigkeit des Rechtswegs ist es daher vorerst entscheidend, ob die Beklagte nach innerkirchlichen Normen eine Zuständigkeit zur Entscheidung derartiger Streitigkeiten überhaupt in Anspruch nimmt (4 Ob 41/74 = Arb 9286 = SZ 47/135 = ZAS 1976/15 mwH). Wie das Berufungsgericht zutreffend aufzeigte, sind Amtsverzicht, standesgemäßer Unterhalt und ein entsprechendes Beschwerdeverfahren in dem neuen kirchlichen Gesetzbuch (CIC) geregelt, dem auch vom Kläger ein unter dem sozialen Standard der allgemeinen Staatsgesetze liegender Standard nicht unterstellt wird.

Lehre und Judikatur sind sich darüber weitgehend einig, daß zu den inneren Angelegenheiten jene zu zählen sind, die den inneren Kern der kirchlichen Betätigung betreffen und in denen ohne Autonomie die Kirchen und Religionsgesellschaften in der Verkündung der von ihnen gelehrten Heilswahrheiten und der praktischen Ausübung ihrer

Glaubenssätze eingeschränkt werden (4 Ob 41/74 = Arb 9286 = SZ 47/135

= ZAS 1976/15 mwH). Zu den inneren Angelegenheiten gehören daher auch

die Verfassung und Organisation der Kirche, etwa die Einrichtung und Abschaffung von Ämtern, die Abberufung von Ämtern oder die Art der Amtsführung (vgl Melichar, Die verfassungsrechtliche Stellung der gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften, JBl 1957 57 ff, 124; Schrammel, Tendenzschutz in der Betriebsverfassung, FS Strasser [1983] 559 ff, 575 ff; Kronawetter, Zum Dienstverhältnis kirchlich bestellter Religionslehrer, DRdA 1991, 198 ff, 199; auch Kalb, Konfessionelle Privatschule-Lehrerkündigung, DRdA 1996 41 ff, 42; ZAS 1976/15 [krit Gampl]; 14 ObA 29/87 = Arb 10.665 = SZ 60/80 = JBl 1988, 62 mwH). Die in den can 1740 bis 1747 CIC geregelte Amotion eines investierten katholischen Pfarrers (Amtsenthebung, Amtsverzicht) betrifft eine der Organisationsstruktur der katholischen Kirche eigentümliche innere Angelegenheit, sodaß diesbezüglich der Rechtsweg ausgeschlossen ist. Es kommt den staatlichen Gerichten nicht zu, die Voraussetzungen des Amtsverzichts des Klägers zu überprüfen, oder gar diesen Verzicht als wirkungslos zu erklären, woraus der Kläger dann allenfalls einen Anspruch auf Wiedereinsetzung als Pfarrer ableiten könnte. Die in der Revision aufgestellte Behauptung, er habe einen nicht zur Kenntnis genommenen Rekurs gemäß den can 1737 bis 1739 CIC erhoben, ist eine unbeachtliche Neuerung. In erster Instanz beschränkte sich das Vorbringen darauf, daß er Forderungen gestellt und einen Brief an den Papst geschrieben habe. Von einem Verfahren nach kanonischem Recht ist dabei keine Rede.

Aber auch die Frage der Besoldung eines katholischen Pfarrers kann nicht schlechthin als außerhalb der Kirchenautonomie liegend beurteilt werden (can 281 CIC; vgl 6 Ob 611/87 = EvBl 1988/32; auch Gampl in ZAS 1976, 141). Anders als bei evangelischen Amtsträgern (vgl 4 Ob 41/74 = Arb 9286 = SZ 47/135 = ZAS 1976/15 mwH) beruht die Tätigkeit eines priesterlichen Amtsträgers auf Weihe und Inkardination (can 265 f, 273 ff und 523 CIC; Mayer-Maly aaO 32 f). Wer in ein besonderes Rechtsverhältnis zur Kirche tritt, um in der Nachfolge Christi zu leben, ist nicht Arbeitnehmer der Kirche (Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche2 29). Unter dem Aspekt eines einheitlichen Lebensverhältnisses besteht für eine Unterscheidung zwischen dem geistlichen Amtsverhältnis und einem weltlichen Arbeitsverhältnis kein Raum. Die geltend gemachten Leistungsansprüche gründen, soweit sie lediglich aus dem geistlichen Amt abgeleitet werden, auf dem Weiheverhältnis. Gemäß den can 1746 f CIC darf der amovierte Pfarrer sein Amt aber nicht mehr ausüben und hat das Pfarrhaus umgehend zu räumen.

Der Kläger begründet seine Ansprüche auf Ersatz der Wohnungskosten und einer Zulage aber nicht nur aus dem kanonischen Recht, sondern auch auf eine davon unabhängige wiederholte Zusage von vertretungsbefugten Organen der beklagten Partei. Wenn es auch unerheblich ist, ob die konkrete inhaltliche Ordnung selbst in Form eines Kirchengesetzes oder durch Vertrag begründet wurde, hätte die beklagte Partei nach den maßgeblichen Behauptungen des Klägers mit diesen individuellen Zusagen den Weg des Privatrechts beschritten und wäre später vertragsbrüchig geworden (vgl Mayer-Maly aaO 33). Diesbezüglich muß im Sinne eines umfassenden staatlichen Rechtsschutzmonopols der Rechtsweg zulässig sein, zumal die Frage, ob eine verbindliche Zusage in Wohnungssachen gemacht wurde und diese einzuhalten ist, nicht in Angelegenheiten der Kirchenautonomie (etwa Sittenwidrigkeit der Entlohnung) eingreift.

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