Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 3.861,71 EUR samt 8,38 % Zinsen seit 1. 8. 2011 zu bezahlen, abgewiesen wird.
Die klagende Partei ist verpflichtet, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.008,07 EUR (darin 168,01 EUR USt) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, die mit 1.170,32 EUR (darin 518 EUR Barauslagen, 108,72 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 1.095,98 EUR (darin 648 EUR Barauslagen, 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger, der bei der Beklagten vom 24. 1. 1994 bis 31. 7. 2011 angestellt war, begehrt von ihr 3.861,78 EUR sA mit dem Vorbringen, dass das ihm im Zeitraum August 2010 bis Juli 2011 abgerechnete und ausbezahlte Überstundenentgelt von durchschnittlich 643,63 EUR brutto pro Monat zu Unrecht nicht in die Berechnung seines Abfertigungsanspruchs einbezogen worden sei. Die Differenz ergebe den Klagsbetrag.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass die Berechnung der Abfertigung korrekt erfolgt sei. Die Überstunden würden nicht die durch den Kläger regelmäßig geleisteten Überstunden widerspiegeln, weil sich die Abrechnung der Überstunden im letzten Jahr auch auf bereits früher erworbene Überstunden bezogen habe und die Abrechnung und Auszahlung in Hinblick auf die Beendigung des Unternehmens vorgenommen worden sei. Im Bemühen um den Abbau der Gutstunden seien teilweise Auszahlungen der in früheren Perioden geleisteten Gutstunden erfolgt. Für den Zeitraum August 2010 bis Juli 2011 seien vom Kläger Gutstunden im Umfang von 47,76 Stunden geleistet worden, wovon 64,68 Stunden aus der Fahrtzeit zum Arbeitsplatz (deren Bezahlung widerrufen worden sei) abzuziehen seien. Er habe im Juli 2011 noch 130,90 Gutstunden konsumiert. Insgesamt liege ein negativer Gleitzeitkontostand vor.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, dass dem Kläger aufgrund der Beendigung des Dienstverhältnisses eine Abfertigung in Höhe von 32.310 EUR brutto ausbezahlt wurde. Zwischen den Parteien bestand eine Gleitzeitvereinbarung, im Rahmen derer regelmäßig Überstunden geleistet wurden. In den Monaten August 2010 bis Juli 2011 erhielt der Kläger von der Beklagten aus dem Titel Überstunden nachstehende, bei der Berechnung der Abfertigung nicht berücksichtigte Beträge ausbezahlt:
August 2010 EUR 489,60 brutto
EUR 318,23 brutto
Oktober 2010 EUR 760,98 brutto
EUR 494,62 brutto
November 2010 EUR 706,64 brutto
EUR 459,31 brutto
Mai 2011 EUR 656,13 brutto
EUR 426,47 brutto
Juni 2011 EUR 2.023,01 brutto
EUR 1.314,92 brutto
Juli 2011 EUR 44,64 brutto
EUR 29,02 brutto
gesamt EUR 7.723,57 brutto.
In rechtlicher Hinsicht stellt das Erstgericht die von der Rechtsprechung zu § 23 AngG entwickelten Grundsätze zur Bemessungsgrundlage für die Abfertigung dar. Der Argumentation der Beklagten, dass der aus dem Titel Überstunden ausbezahlte Betrag deswegen nicht Berücksichtigung zu finden hätte, weil es sich tatsächlich um Überstunden aus früheren Gleitzeitperioden handle, könne nicht gefolgt werden. Bei der Abgeltung von Zeitguthaben handle es sich nämlich um laufendes Entgelt, das über größere Zeiträume hinweg (die Gleitzeitperiode) erarbeitet worden sei. Das Gleitzeitguthaben werde dabei aber nicht „laufend existent“, sondern entstehe erst am Ende des Durchrechnungszeitraums. Ob ein Gleitzeitguthaben anfalle, könne nämlich aufgrund der Natur des Gleitzeitmodells erst am Ende der Gleitzeitperiode festgestellt werden. Eine individualisierbare Zuordnung zu den einzelnen Kalendermonaten der Gleitzeitperiode sei daher nicht möglich. Eine „Aufrollung“ der einzelnen monatlichen Zeiträume, aus denen ein Überstundenguthaben stamme, sei nicht tunlich, weil dieses Guthaben gleichsam als Ergebnis eines „Arbeitszeitkontokorrents“ das rechnerische Ergebnis von Gut- und Fehlstunden sei und als solches daher keinem bestimmten Zeitraum zugeordnet werden könne. Es könne daher rechtlich nur jenem Zeitraum zugeordnet werden, in dem die Abgeltung ausbezahlt werde. Das Klagebegehren bestehe daher zu Recht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge, sondern teilte die Ansicht des Erstgerichts. Der Umstand, dass es im Lauf der Jahre 2010 und 2011 zu Auszahlungen früher erworbener Gutstunden aus der festgestellten Gleitzeitvereinbarung gekommen sei, könne an der Beurteilung nichts ändern, zumal eine Gleitzeitvereinbarung schon ihrer Natur nach mit sich bringe, dass Mehrarbeitsleistungen erst am Ende der Gleitzeitperiode unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben abgegolten werden. Angesichts des als Obergrenze anzusetzenden Ein‑Jahres‑Zeitraums zur Ermittlung des „durchschnittlichen Entgelts“ komme auch dem Motiv der Arbeitgeberin, in bestimmten Zeiträumen überdurchschnittliche Auszahlungen für bereits zuvor erbrachte Mehrarbeitsleistungen zu tätigen, keine Bedeutung zu. Dem Arbeitnehmer solle für den durch die Abfertigung abgedeckten Zeitraum der zuletzt bezogene Durchnittsverdienst gesichert und damit eine gewisse Kontinuität des zuletzt bezogenen Verdienstes für diesen fiktiven Zeitraum gewährleistet werden. Die Abfertigung dürfe ihn weder übersteigen noch hinter ihm zurückbleiben.
In ihrem dagegen gerichteten ‑ als außerordentliche Revision zu behandelnden (§§ 502 Abs 5 Z 4 iVm 505 Abs 4 ZPO) ‑ Rechtsmittel beantragt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, dass die dem Kläger im letzten Jahr vor dem Ende seines Dienstverhältnisses ausbezahlten Überstunden nicht der Bemessung der Abfertigung zugrunde zu legen seien, weil eine Gleitzeitregelung bestanden habe und die Auszahlung auch für in früheren Perioden geleistete Gutstunden erfolgt sei. Auch in Hinblick auf die Entscheidung 9 ObA 22/11t sei darin kein „für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührendes Entgelt“ iSd § 23 Abs 1 AngG zu sehen.
Es entspricht der herrschender Ansicht, dass nach § 23 Abs 1 AngG das für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührende Entgelt die Basis für die Berechnung des Abfertigungsanspruchs darstellt. Nach Lehre und Rechtsprechung ist darunter der sich aus den mit einer gewissen Regelmäßigkeit ‑ wenn auch nicht jeden Monat ‑ wiederkehrenden Bezügen ergebende Durchschnittsverdienst zu verstehen. Die Abfertigung darf diesen als Bemessungsgrundlage dienenden Durchschnittsverdienst weder übersteigen noch hinter ihm zurückbleiben (RIS‑Justiz RS0028943). Schwankt die Höhe des Entgelts innerhalb des letzten Jahres vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ist ein Zwölftel des gesamten Entgelts dieses Jahres als Bemessungsgrundlage der Abfertigung zugrunde zu legen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob diese Schwankungen durch variable Prämien, Zulagen, Provisionen, Sonderzahlungen oder Überstundenentgelte bewirkt werden (RIS‑Justiz RS0043295).
Auf die Fälligkeit der Ansprüche kommt es nicht an (8 ObA 16/09z; 9 ObA 22/11t mwN). In der Entscheidung 9 ObA 22/11t wurde betont, dass § 23 Abs 1 zweiter Satz AngG nicht auf das „im“ letzten Monat gebührende Entgelt heranzuziehen sei, sondern auf jenes „für“ diesen Monat, was darauf hindeute, dass es dem Gesetzgeber nicht darum gegangen sei, welche Entgelte im letzten Monat fällig und auszuzahlen seien, sondern welche als Gegenleistung „gebührten“. Bei der Berechnung der Abfertigung gehe es auch darum, dauerhaften Veränderungen im letzten Jahr Rechnung zu tragen (Holzer in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 23 Rz 26, 36). Daher sei auch bei einer Gewinnbeteiligung jene heranzuziehen, die für das letzte Jahr gebühre, und nicht jene, die in diesem ‑ mehr oder weniger zufällig ‑ ausbezahlt worden sei.
Die Vorinstanzen sprechen sich offenkundig gegen eine periodengerechte Abgrenzung eines Zeitguthabens je nachdem, ob die Leistungen vor oder im letzten Jahr des Dienstverhältnisses erbracht wurden, aus. Sie begründen dies damit, dass das Gleitzeitguthaben im Sinn eines „Arbeitszeitkontokorrents“ erst am Ende des Durchrechnungszeitraums als rechnerisches Ergebnis von Gut- und Fehlstunden existent wird, sodass eine individualisierbare Zuordnung eines aus dem Guthaben resultierenden Entgeltanspruchs zu den einzelnen Kalendermonaten der Gleitzeitperiode nicht in Betracht kommt (vgl ‑ jedoch in anderem Zusammenhang ‑ VwGH 21. 4. 2004, 2001/08/0048, ZAS 2005/31 mAnm Drs).
Dies vermag aber nichts daran zu ändern, dass ein aus einem Zeitguthaben resultierender Entgeltanspruch dann, wenn das Ende des Durchrechnungszeitraums noch vor dem für die Abfertigungsbemessung maßgeblichen Jahr liegt und nur die Auszahlung in dieses Jahr fällt, nach der dargelegten Rechtsprechung jedenfalls kein Entgelt mehr ist, das iSd § 23 Abs 1 AngG „für diesen Zeitraum gebührt“.
Doch auch dann, wenn das Ende des Durchrechnungszeitraums in das letzte Jahr fällt, ein Zeitguthaben besteht und keine Zuordnung der einzelnen Guthabensstunden zu den Monaten ihrer Erwirtschaftung vorgenommen wird, zeigt sich im vorliegenden Fall kein anderes Ergebnis:
Die Vereinbarung, dass Zeitguthaben erwirtschaftet werden können und durch Zeitausgleich abzubauen sind, führt lediglich zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit, ohne dass die Gewährung eines auf die Normalarbeitszeit anzurechnenden Freizeitausgleichs ein zusätzliches Entgelt für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft darstellen könnte (vgl RIS‑Justiz RS0051784; RS0051781). War in diesem Sinn vereinbart, dass der Arbeitnehmer die durchschnittlich im Monat geleisteten Überstunden durch Zeitausgleich ausgleicht, kann aber ein Teil davon nicht mehr vor Beendigung des Dienstverhältnisses ausgeglichen werden, so wurde bereits ausgesprochen, dass der dafür bezahlte Geldersatz in die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung nicht einzubeziehen ist, weil es bei dieser bloß einmaligen Zahlung an den Minimalvoraussetzungen für die Annahme eines regelmäßigen Charakters dieses Bezugs mangelt (RIS‑Justiz RS0028524; ebenso K. Mayr in ZellKomm² § 23 AngG Rz 27; Schindler in Mazal/Risak, Arbeitsrecht, Kap XX Rz 60).
Im vorliegenden Fall bestritt der Kläger das Vorbringen der Beklagten nicht, dass die aus der Gleitzeit resultierenden Gutstunden des Klägers generell durch Zeitausgleich abgebaut werden sollten und die Auszahlung des Zeitguthabens im letzten Jahr vor Beendigung des Dienstverhältnisses lediglich in Hinblick darauf erfolgte, dass die Beklagte ihren Standort schloss und der Kläger die Überstunden nicht mehr durch Zeitausgleich abbauen konnte. Wie eben dargelegt, ist die Auszahlung eines offenen Zeitguthabens zum Ende eines Dienstverhältnisses nicht abfertigungswirksam. Es kann allerdings keinen Unterschied machen, ob der Geldersatz nun einmalig am Ende des Dienstverhältnisses ausbezahlt wird oder ob der Arbeitgeber ‑ gewissermaßen als Vorgriff auf diese Einmalzahlung ‑ über die letzte Zeit der Beschäftigung des Dienstnehmers Teilleistungen auf diesen Anspruch erbringt. Anderes könnte nur dann gelten, wenn eine Übereinkunft dahin besteht, vom Ausgleich eines Zeitguthabens durch Zeitausgleich abzugehen und dem Arbeitnehmer die Gutstunden regelmäßig als Überstunden zu entlohnen. Dass dies hier nicht der Fall war, zeigt sich daran, dass dem Kläger auch die im letzten Jahr seiner Beschäftigung erwirtschafteten Zeitguthaben nicht monatlich abgegolten wurden, sondern die Streitteile prinzipiell am Abbau der Zeitguthaben durch Zeitausgleich festhalten wollten (Abbau der restlichen 130 Stunden durch Zeitausgleich im Juli 2011). Daraus wird ersichtlich, dass selbst jene Gutstunden, die der Kläger im letzten Jahr seiner Beschäftigung leistete, nicht dazu angetan waren, seinen Normallohn mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu erhöhen.
Unabhängig davon, ob es sich um ein vor oder im letzten Beschäftigungsjahr erwirtschaftetes Zeitguthaben handelte, führt der dafür bezahlte Geldersatz daher nicht zu seiner Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage für den Abfertigungsanspruch des Klägers.
Der Revision ist danach Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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