OGH 9ObA122/87

OGH9ObA122/8716.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr. Walter Zeiler und Anton Degen als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Leopoldine R***, Pensionistin, Wien 18., Karlweisgasse 23/1/8, vertreten durch Dr. Andre A***-D***, Sekretär der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, Wien 1., Teinfaltstraße 7, dieser vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer und Dr. Martin Riedl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 110.304 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. April 1987, GZ 33 Ra 1018/87-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 20. Juni 1986, GZ 4 Cr 1822/86-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.147,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 3. Juli 1925 geborene Klägerin war vom 18. August 1941 bis 26. April 1945 Postangestellte. Mit 27. April 1975 wurde ihr Arbeitsverhältnis nahtlos in ein Dienstverhältnis als Vertragsbedienstete beim Österreichischen Postsparkassenamt übergeleitet. Mit Wirksamkeit vom 1. Februar 1961 wurde die Klägerin in ein definitives öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis übernommen, welches bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Postdienst bis 31. Juli 1962 dauerte. Gemäß den §§ 26 und 27 GehG 1956 erhielt sie eine Abfertigung in Höhe des 25fachen des letztgebührenden Monatsbezuges.

Nachdem die Klägerin fast 11 Jahre nicht berufstätig gewesen war, ging sie am 2. April 1973 ein Dienstverhältnis als Vertragsbedienstete zur Beklagten ein. Sie arbeitete im Österreichischen Postsparkassenamt. Dieses Dienstverhältnis wurde unter Wahrung des Abfertigungsanspruches per 31. Dezember 1985 einvernehmlich aufgelöst. Die Klägerin bezog eine Abfertigung in Höhe des vierfachen des für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Monatsentgelts und der Haushaltszulage.

Mit der Behauptung, die Beklagte hätte gemäß § 35 Abs 5 VBG 1948 auch ihre Vordienstzeiten im Postsparkassenamt bei der Bemessung der Abfertigung berücksichtigen müssen, begehrt die Klägerin eine restliche Abfertigung in Höhe des achtfachen Monatsentgelts von unbestritten S 110.304,-- brutto sA. Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Die Klägerin habe anläßlich des Ausscheidens aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis die ihr gebührende Abfertigung erhalten, welche sie bisher nicht rückerstattet habe. Eine Einrechnung dieser Vordienstzeiten in den Abfertigungsanspruch sei daher gemäß § 35 Abs 5 Z 3 VBG 1948 ausgeschlossen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsansicht, daß Dienstzeiten in früheren Dienstverhältnissen zu inländischen Gebietskörperschaften zwar in die Dauer des für die Höhe der Abfertigung maßgeblichen Dienstverhältnisses einzurechnen seien, eine Zurechnung aber gemäß § 35 Abs 5 VBG dann ausgeschlossen sei, wenn der Vertragsbedienstete die bereits erhaltene Abfertigung nicht zurückerstattet habe. Da die Klägerin dies nicht getan habe, sei für die Berechnung der Abfertigung lediglich ihre Dienstzeit vom 2. April 1973 bis 31. Dezember 1985 heranzuziehen. Die daraus zustehende Abfertigung habe sie erhalten. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es stellte ergänzend fest:

Die Klägerin erhielt bei ihrem Ausscheiden aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis eine Abfertigung von S 57.775,--. Der vom Dienstgeber nach § 311 Abs 3 lit b ASVG zu zahlende Überweisungsbetrag betrug nur S 35.430,22. Diesen Betrag zahlte die Klägerin zur Wahrung ihrer Pensionsansprüche bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten ein. Anläßlich der Wiedereinstellung der Klägerin wurde über eine Anrechnung ihrer früheren Dienstzeiten ebenso wenig gesprochen wie über die Möglichkeit, die in der seinerzeitigen Abfertigung enthaltene "reine Abfertigungskomponente" von S 22.344,87 an das Postsparkassenamt zurückzuerstatten. Die Klägerin zahlte auch nichts zurück. Durch die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses sollte die Klägerin nicht schlechter gestellt sein als bei einer Selbstkündigung.

Das Berufungsgericht billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß gemäß § 35 Abs 5 VBG 1948 frühere Dienstzeiten zu einer inländischen Gebietskörperschaft nur dann für die Bemessung der Abfertigung einzurechnen seien, wenn sie nicht anderwärtig, zum Beispiel für die Bemessung des Ruhegenusses, angerechnet werden (Z 1), der Abfertigungsanspruch für diese Zeit überhaupt erloschen sei (Z 2) oder diese Zeit durch eine früher erhaltene und nicht rückerstattete Abfertigung abgegolten worden sei (Z 3). Zweck dieser Bestimmungen sei die Sicherstellung, daß dieselben Dienstzeiten für Ansprüche aus der Beendigung des Dienstverhältnisses nur einmal berücksichtigt würden. Der Vertragsbedienstete habe die Möglichkeit zwischen zwei Varianten zu wählen: Er könne seine frühere Abfertigung behalten und seine neuerliche Abfertigung nur nach der Dauer seines neuen Dienstverhältnisses berechnen lassen oder andererseits seine frühere Abfertigung rückerstatten und seine Abfertigungsansprüche nach der Dauer der Gesamtdienstzeit zu einer inländischen Gebietskörperschaft berechnen lassen.

Gehe man von diesem Zweck des Gesetzes aus, müsse

§ 35 Abs 5 Z 3 VBG 1948 auch dann angewendet werden, wenn es sich um eine Vertragsbedienstete handle, die aus einem früheren Dienstverhältnis als Beamtin bereits eine Abfertigung erhalten und nicht rückerstattet habe. Dies gelte zumindest für die "reine Abfertigungskomponente", da eine Doppelberücksichtigung von Dienstzeiten für die Bemessung von Ansprüchen aus der Beendigung des Dienstverhältnisses zu vermeiden sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Soweit die Klägerin als nichtig im Sinne der §§ 503 Abs 1 Z 1, 477 Abs 1 Z 4 ZPO rügt, daß das Berufungsgericht keinen Beschluß betreffend den Schluß der mündlichen Verhandlung gefaßt habe, ist ihr das Protokoll über die Berufungsverhandlung vom 29. April 1987 (AS 52) entgegenzuhalten, in dem eine solche Beschlußfassung ausdrücklich festgehalten ist (§ 215 Abs 2 ZPO).

In ihrer Rechtsrüge wiederholt die Revisionswerberin ihre bereits im Berufungsverfahren vorgetragenen Argumente, daß eine Beamtenabfertigung ein Rechtsinstitut sui generis sei und daher nicht dem Abfertigungsbegriff des Vertragsbedienstetengesetzes unterstellt werden könne. Diese Ausführungen entsprechen nicht der Rechtslage.

Der arbeitsrechtliche Abfertigungsbegriff ist vielschichtig (vgl. Martinek-Schwarz AngG6 443 ff; Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte Rz 158 ff mwH). Soweit sich neben der Funktion der Abfertigung als Versorgung und Überbrückung die Entgeltfunktion in den Vordergrund geschoben hat

(vgl. Mayer-Maly/Marhold Österreichisches Arbeitsrecht I 118;

Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser Arbeitsrecht2 I 129;

Migsch aaO Rz 160), kann diese im Dienstrecht der Beamten nicht nur auf einen finanziellen Anreiz zum Ausscheiden aus dem pragmatischen Dienstverhältnis und auf eine Entfertigung der Pensionsanwartschaften reduziert werden. Die erst nach einer gewissen Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses gesetzlich gebührende Abfertigung beträgt ebenso wie nach § 23 Abs 1 Angestelltengesetz oder § 35 Abs 4 Vertragsbedienstetengesetz auch nach § 27 Abs 1 und 2 Gehaltsgesetz ein Vielfaches des Monatsentgelts, wobei gerade die Verknüpfung mit dem Monatsbezug den Entgeltcharakter der Abfertigung hervorhebt.

Auch aus der Entwicklung der Beamtinnenabfertigung nach den §§ 26, 27 GehG ist entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht zu entnehmen, daß damit ein Rechtsinstitut sui generis geschaffen werden sollte. Nach der ursprünglichen Rechtslage hatte der Dienstgeber beim Ausscheiden weiblicher Bediensteter nach § 26 Abs 3 GehG einerseits die Abfertigung und andererseits den Überweisungsbetrag gemäß § 311 ASVG zu leisten. Da nicht alle Bediensteten mangels einer Weiterversicherung in die Lage kamen, aus dem Überweisungsbetrag in Form einer späteren Pension Nutzen zu ziehen, sah die 1. Gehaltsnovelle eine Erhöhung der Abfertigung insoferne vor, daß die Leistung des Überweisungsbetrages zu entfallen hat, wenn eine Abfertigung geleistet wird, die mindestens um 20 % höher ist als der vom Dienstgeber zu leistende Überweisungsbetrag (639 BlgNR 8. GP, 10; Zach Gehaltsgesetz § 27 Anm. 6, I 125; § 311 Abs 3 lit b ASVG). Durch die 41. Gehaltsgesetznovelle wurde dem § 27 Gehaltsgesetz ein vierter Absatz angefügt, wonach eine Beamtin, die gemäß § 26 Abs 3 GehG aus dem Dienstverhältnis ausgetreten ist und die innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung dieses Dienstverhältnisses in ein Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft aufgenommen wird, dem Bund die erhaltene Abfertigung insoweit zurückzuerstatten hat, als diese den Überweisungsbetrag nach § 311 ASVG übersteigt. Damit sollte eine zusätzliche Honorierung des Wechsels des Dienstverhältnisses verhindert werden, wobei die Rechtsnatur des neuen Dienstverhältnisses ohne Bedeutung ist (Zach aaO § 27 Anm. 11 bis 14, I 126 a). Noch deutlicher kommt der Entgeltcharakter der Abfertigungskomponente nach dem Gehaltsgesetz in den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur 41. Gehaltsgesetznovelle zum Ausdruck; hier wird zum Artikel I Z 7 angemerkt, daß diese Begünstigung (Abfertigung) entsprechend vergleichbaren Regelungen, "wie sie für das Angestelltengesetz und ähnliche Gesetze vorgesehen sind" auf Adoptivmütter ausgedehnt werde (149 BlgNR 16. GP, 17).

Entspricht aber zumindest die Abfertigungskomponente den vergleichbaren Regelungen anderer arbeitsrechtlicher Sondergesetze und ist die Rechtsnatur des neuen Dienstverhältnisses zu einer inländischen Gebietskörperschaft (Bund, Länder und Gemeinden; Arb. 8.199) ohne Bedeutung, ist auf die neuerliche Abfertigung der Klägerin die Zurechnungsregel des § 35 Abs 5 Z 3 VBG 1948 jedenfalls hinsichtlich der festgestellten Abfertigungskomponente anzuwenden. Die Klägerin hat von dem Betrag, der ihr als "reine Abfertigung" zugekommen ist, nichts zurückerstattet. Ihrem Begehren steht daher, wie das Berufungsgericht richtig erkannte, schon aus diesem Grunde der zitierte Ausschluß der Zurechnung ihrer Vordienstzeiten entgegen. Insoweit kann auch nicht von einer Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten allgemeinen Sachlichkeitsgebotes gesprochen werden (vgl. Arb. 7.436, 8.970). Die in der Revision aufgeworfene Frage, ob allenfalls auch der in der Abfertigung enthaltene Überweisungsbetrag, den die Klägerin zur Wahrung ihrer Pensionsansprüche bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten eingezahlt hat, rückerstattet hätte werden müssen (vgl. VwGH 28. November 1974, Zl. 270/74 in Zach Gehaltsgesetz III Rspr §§ 26, 27/3-4), kann auf sich beruhen, da die Klägerin, wie festgestellt, überhaupt keine Rückzahlung geleistet hatte. Die dazu angestellten Erwägungen sind nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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