OGH 9ObA118/13p

OGH9ObA118/13p29.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Mag. Johann Schneller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei C***** H*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Eishockeyverein *****, vertreten durch Mayer & Herrmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen 33.778 EUR netto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 26. Juni 2013, GZ 10 Ra 31/13x‑28, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits‑und Sozialgerichts Wien vom 14. November 2012, GZ 29 Cga 9/12y‑24, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1891,44 EUR (darin 315,24 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger, ein österreichischer Eishockeyprofi, schloss mit dem beklagten Eishockeyverein am 15. 6. 2011 einen schriftlichen Dienstvertrag ab. Dieser beinhaltet ua folgende Bestimmungen:

3. Vertragsdauer

Die Vereinbarung wird für die Dauer vom 1.8.2011 bis zum Ende der Saison 2011/2012 geschlossen. Der Verein hat das Recht, bis 30.9.2011 24.00 Uhr den Vertrag einseitig ohne Angabe von Gründen aufzukündigen. Im Falle der Kündigung durch den Verein wird dem Spieler das Gehalt anteilig bis zum Kündigungszeitpunkt ausbezahlt.

5. Sondervereinbarung

Der Spieler verpflichtet sich, die Fitness-Voraussetzungen des Vereins am 1.8.2011 zu erfüllen. Sollte der Spieler negativ abschneiden, hat dieser die Möglichkeit, sich 30 Tage später einem zweiten Test zu unterziehen. Sollte der Spieler auch den zweiten Test nicht positiv bestehen, so hat der Verein das Recht, den Vertrag aufzulösen. Sollte der Spieler in Doping-Angelegenheiten verwickelt sein, hat der Verein das Recht, den Vertrag mit sofortiger Wirkung fristlos aufzulösen.

Die Vereinbarung einer Probezeit war von der Beklagten gefordert worden, weil der Kläger zuletzt 2004 bei ihr engagiert war und mittlerweile auch ein Trainerwechsel stattgefunden hat. Mit der Sondervereinbarung wollte die Beklagte sichergehen, dass der Kläger nach seiner bei der WM im Frühjahr 2011 erlittenen Verletzung wieder fit war.

Anfang August 2011 bestand der Kläger den Leistungstest und fing an zu trainieren. Ende August 2011 erlitt er beim Training einen Bruch des Wadenbeins. Am 29. 8. 2011 löste die Beklagte deshalb den Spielervertrag mit dem Kläger auf.

Der Kläger begehrt von der Beklagten 33.778 netto sA an vereinbartem Entgelt bis Ende der Saison 2011/2012. Ein gesetzlich zulässiges Probearbeitsverhältnis sei nicht vereinbart worden.

Die Beklagte wendete ein, dass die abgeschlossene „Try‑Out‑Vereinbarung“ (Punkt 3 des Dienstvertrags) im Eishockeysport üblich und im konkreten Fall für den Kläger auch von Vorteil gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts Folge und dem Klagebegehren zur Gänze statt. Die „Try‑Out‑Vereinbarung“ sei unwirksam, weil sie nicht nur die gesetzlich vorgesehene Maximaldauer von einem Monat überschreite, sondern das einseitige Auflösungsrecht ausschließlich der Beklagten zugestehe. Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, dass die Beurteilung der Vertragsklausel über die einseitige Beendigungsmöglichkeit des Dienstverhältnisses während der ersten zwei Monate in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehe.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen oder Verfahrensrechts iSd § 502 Abs 1 ZPO abhängt. Die Behauptung der Beklagten, eine „Try‑Out‑Vereinbarung“ sei international nicht nur branchenüblich, sondern für den Eishockeysport „geradezu unabdingbar“, findet im Akteninhalt keine Deckung. Die Frage der Gültigkeit der im Einzelfall zwischen den Parteien abgeschlossenen Vereinbarung lässt sich auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beantworten. Die Begründung dieser Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

§ 1158 Abs 2 ABGB für Arbeiter und § 19 Abs 2 AngG für Angestellte - die beiden Bestimmungen werden völlig deckungsgleich interpretiert (Reissner in ZellKomm² § 1158 ABGB Rz 6) - sehen die Möglichkeit vor, ein Dienstverhältnis auf Probe für die Höchstdauer von einem Monat zu vereinbaren. Während dieses Zeitraums kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil ohne Angabe eines Grundes mit sofortiger Wirkung jederzeit gelöst werden (RIS‑Justiz RS0028290). Der Zweck eines Probearbeitsverhältnisses liegt darin, dem Arbeitgeber die Möglichkeit zu geben, sich von der Eignung des Arbeitnehmers für die zugedachte Stelle zu überzeugen, bevor er ihn endgültig in den Dienst nimmt; umgekehrt soll auch der Arbeitnehmer Gelegenheit haben, die Verhältnisse im Betrieb kennenzulernen (RIS‑Justiz RS0028444). Die enge zeitliche Begrenzung der Zulässigkeit der Vereinbarung eines Probemonats dient der Vermeidung der Umgehung des arbeitsrechtlichen Bestandschutzes (8 ObA 3/11s; 9 ObA 141/90). Ob bei teilnichtiger Vereinbarung einer mehr als einmonatigen Probezeit ab dem Beginn des zweiten Monats (insgesamt gesehen) ein befristetes Arbeitsverhältnis oder aber ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit anzunehmen ist, hängt vom Willen der Parteien ab (9 ObA 173/07t; RIS‑Justiz RS0028231).

Dass der Kläger mit der „Try‑Out‑Vereinbarung“ einverstanden war, macht die Regelung unter dem Gesichtspunkt des § 1158 Abs 2 ABGB bzw § 19 Abs 2 AngG nicht arbeitsrechtlich zulässig. Nur für den Arbeitnehmer günstigere Gestaltungen sind erlaubt (§ 40 AngG; Neumayr in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.01 § 1158 Rz 25). Der Zweck der zwischen den Parteien vereinbarten „Try‑Out‑Regelung“, nämlich die Erprobung des Spielers, ist offensichtlich. Dass auch (insbesondere durchschnittlichen) Spielern im Einzelfall durch eine derartige Regelung Vorteile erwachsen können, weil sie sonst vielleicht gar keinen Vertrag bekämen, mag durchaus sein. Weshalb diese Zwecke aber nicht mit einer gesetzlich zulässigen Probezeitvereinbarung, insbesondere beinhaltend eine jederzeitige beidseitige Lösungsmöglichkeit, erreicht werden könnten, vermag die Beklagte nicht aufzuzeigen. Kann mit einer Probezeit von einem Monat nicht das Auslangen gefunden werden, so stehen andere ‑ arbeitsrechtlich zulässige ‑ Gestaltungsmöglichkeiten (zB Vereinbarung eines befristeten Arbeitsverhältnisses zur Probe) zur Verfügung.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, eine Auslegung der Klausel im Sinne einer geltungserhaltenden Reduktion komme nicht in Frage, weil beim Weglassen des die Unwirksamkeit bewirkenden Teils, nämlich der Einseitigkeit des Lösungsrechts, kein vereinbartes Gestaltungsrecht mehr übrig bliebe, ist nicht zu beanstanden. Auch dem Argument des Berufungsgerichts, das unzulässige einseitige Auflösungsrecht durch ein gegenseitiges zu ersetzen, würde scheitern, weil man diesfalls nicht reduzieren, sondern durch Hinzufügen eine neue, vom ursprünglichen Konsens der Parteien nicht getragene Vereinbarung schaffen würde, vermag die Beklagte nichts entgegenzusetzen.

Das Berufungsgericht wich mit seiner Entscheidung auch nicht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu 9 ObA 154/03t ab, wonach die Auflösung ein Probearbeitsverhältnisses auch während krankheitsbedingter Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers jederzeit erfolgen könne. Die Berechtigung des Klagebegehrens ist hier ohnehin nicht Folge einer sittenwidrigen, sondern einer arbeitsrechtlich unzulässigen vorzeitigen Vertragsauflösung.

Die Revision der Beklagten ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen.

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