OGH 9ObA114/89

OGH9ObA114/8914.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Herbert Bauer und Dr.Bernhard Schwarz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Leopold S***, Angestellter, Wien 2., Elderschplatz 1/2/3/13, vertreten durch Dr.Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W*** P*** G*** mbH, Rankweil, Köhlerstraße 14, vertreten durch Dr.Rolf Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen 277.238,10 S brutto (Revisionsstreitwert 262.337,02 S) sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7.Dezember 1988, GZ 32 Ra 102/88-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18.Jänner 1988, GZ 13 Cga 156/86-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 10.506,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.751,10 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Da die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils zur Frage der fehlenden Einwilligung des Klägers in die einseitige Provisionskürzung zutrifft, genügt es, auf ihre Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Den Ausführungen der Revisionswerberin ist ergänzendes folgendes zu entgegnen:

Da Schweigen grundsätzlich keinen Erklärungswert hat (Koziol-Welser, Grundriß I8 84; Rummel ABGB § 863 Rz 15) und im Arbeitsrecht auf die sich aus dem ungleichgewichtigen Charakter des Arbeitsverhältnisses ergebende besondere Situation der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen ist, könnte ein stillschweigender Verzicht des Klägers auf die vollen Provisionsbezüge sogar aus der widerspruchslosen Entgegennahme der verringerten Bezüge nur dann erschlossen werden, wenn besondere Umstände vorlägen, die einen derartigen Verzicht unzweifelhaft erscheinen ließen, sodaß die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstieße (vgl Arb.6.909, 8.788, 9.406, 9.510, 10.451;

I*** 1987 A 99). Da nun der Kläger die einseitige Kürzung der Provision keineswegs widerspruchslos hinnahm, sondern gegen den Abzug von 1/3 "Arbeitgeberanteil" sofort protestierte und auch in der Folge wiederholt diesen Abzug bemängelte, konnte die beklagte Partei aus der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und der Entgegenahme des verringerten Entgelts ein Einverständnis des Klägers zur einseitigen Reduktion seines Entgeltanspruches nicht mit Grund annehmen; die nunmehrige Geltendmachung verstößt daher nicht gegen Treu und Glauben (siehe Arb.8.788 ua; im gleichen Sinn auch die einen ähnlich gelagerten Fall der einseitigen Provisionskürzung betreffende Entscheidung 9 Ob A 305/88). In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, daß nach herrschender Lehre die These "protestatio facto contraria non valet" abgelehnt wird, da die Partei durch ihre ausdrückliche Erklärung klarstellt, den möglicherweise aus ihrem Verhalten allein erschließbaren Geschäftswillen nicht zu haben (siehe Bydlinski Privatautonomie 94 f; Rummel in Rummel ABGB § 863 Rz 25). Bei ihrer Argumentation, der Kläger hätte kündigen können, wenn er mit der einseitigen Gehaltskürzung nicht einverstanden gewesen wäre, übersieht die Revisionswerberin im übrigen, daß die Vertragsänderung ausschließlich von der beklagten Partei angestrebt wurde und es daher an ihr gelegen wäre, eine sogenannte "Änderungskündigung" auszusprechen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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