European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:009OBA00101.13P.1126.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Der klagende Betriebsrat vertritt die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Medizinischen Universität *****, und zwar sowohl Mitarbeiter, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis (zum Bund), als auch Mitarbeiter, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis (zur Medizinischen Universität *****) stehen. Für die zur Dienstleistung zugewiesenen Beamten hat der Betriebsrat gleichzeitig die Funktion des Dienststellenausschusses im Sinne des Bundes‑Personalvertretungsgesetzes wahrzunehmen. Die beklagte Gesellschaft mit beschränkter Haftung wurde von der Tiroler Landesregierung gegründet. Ihr kommt die Rechtsträgerschaft an verschiedenen Tiroler Landeskrankenanstalten zu; darunter auch am A.ö. Landeskrankenhaus (Univ.‑Kliniken) Innsbruck (§ 1 TILAK‑Gesetz, LGBl 2004/62; 9 ObA 68/10f).
Im Klinischen Bereich der Medizin kann der Forschungs- und Lehrbetrieb nur im Zusammenwirken mit einer Krankenanstalt durchgeführt werden. Der Bund betreibt jedoch keine eigenen Universitätsspitäler, sondern nützt Landeskrankenanstalten ‑ wie zB das A.ö. Landeskrankenhaus Innsbruck ‑ zur Durchführung universitärer Aufgaben in Lehre und Forschung. Aufgrund dieser historisch gewachsenen Doppelgestalt der Universitätskliniken (bzw Klinischen Institute) sind diese gleichzeitig Organisationseinheit der Universität sowie der Krankenanstalt und haben sowohl einen universitären (insbesondere Lehre und Forschung) als auch einen krankenanstaltlichen (insbesondere Untersuchung und Behandlung von Menschen) Funktionsbereich mit einer entsprechenden Verzahnung aller Bereiche (§ 29 UG). Entsprechend der Doppelfunktion der Organisationseinheiten hat das in ärztlicher bzw zahnärztlicher Verwendung stehende wissenschaftliche Universitätspersonal auch die krankenanstaltlichen Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen. Das Personal der Medizinischen Universität nimmt in dieser Funktion Aufgaben eines anderen Rechtsträgers wahr. Ein gesondertes Dienst- bzw Arbeitsverhältnis zum Krankenanstaltenträger wird dadurch nicht begründet. Am A.ö. Landeskrankenhaus (Univ.‑Kliniken) Innsbruck sind somit Bedienstete aufgrund unterschiedlicher Rechtsgrundlagen tätig, nämlich einerseits zugewiesene Bedienstete des Landes Tirol (§ 2 TILAK-Gesetz) und andererseits an der Medizinischen Universität Innsbruck tätige Personen, die zum einen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund, zum anderen in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Medizinischen Universität Innsbruck stehen (9 ObA 68/10f).
Unstrittig sind von der gegenständlichen Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 ASGG mindestens drei wissenschaftliche Mitarbeiter der Medizinischen Universität Innsbruck betroffen, für die der klagende Betriebsrat einschreitet.
Mit der vorliegenden Klage gemäß § 54 Abs 1 ASGG begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte die Mitarbeiter der Medizinischen Universität *****, soweit sie in der Patientenversorgung tätig seien, an den Sozialleistungen des § 41 Abs 6 Tir KAG zu beteiligen habe. In eventu möge festgestellt werden, dass der Betriebsrat der Beklagten als Auszahlungsstelle der Krankenanstalt die vom Kläger vertretenen Mitarbeiter/innen der Medizinischen Universität Innsbruck, soweit sie in der Patientenversorgung tätig seien, an den durch die Sozialleistungen des § 41 Abs 6 Tir KAG idgF finanzierten Leistungen aliquot zu beteiligen habe. Der Kläger stützt die festzustellende Teilhabe der genannten Mitarbeiter an den Sozialleistungen sowohl auf § 41 Abs 6 Satz 2 Tir KAG, wonach der Anstaltsträger vom Hausanteil (siehe dazu § 41 Abs 5 und Abs 6 Satz 1 Tir KAG) einen Betrag von mindestens 3,33 % der Honorare für Sozialleistungen für das Anstaltspersonal zu verwenden habe, als auch auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Letzterer verbiete es der Beklagten, ohne sachlichen Grund (im Wege des Betriebsrats der Beklagten) zwar die Landesbediensteten, nicht jedoch die in der Patientenversorgung tätigen Bundesbediensteten an den Sozialleistungen zu beteiligen. Dass ein individueller Anspruch auf Sozialleistungen bestehe, habe die Beklagte durch jahrelange betriebliche Übung bestätigt, indem sie dem Betriebsrat der Beklagten die aus den ärztlichen Sonderklassenhonoraren einbehaltenen Gelder „für Sozialleistungen für das Anstaltspersonal“ zur Verfügung gestellt habe.
Da die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Krankenanstalt überlassen seien, handle es sich um eine rechtlich mit Leiharbeitern vergleichbare Situation. In diesem Fall könne der Betriebsrat mit einer Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 ASGG gegen den entleihenden Unternehmer vorgehen, wenn ‑ wie hier ‑ die unmittelbare Rechtsbeziehung des überlassenen Arbeitnehmers gegenüber dem entleihenden Unternehmer betroffen sei.
Die Beklagte bestritt sowohl Haupt- als auch Eventualbegehren und beantragte Klagsabweisung. Unter anderem wendete sie ein, dass der Kläger nicht zur Erhebung einer Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 ASGG befugt sei, weil § 41 Abs 6 Tir KAG keine subjektiven Rechte verleihe. Ein Feststellungsbegehren über „fremde Ansprüche“ sei nicht zulässig. Jedenfalls hinsichtlich des Eventualbegehrens sei sie passiv nicht klagslegitimiert, weil sich dieses Begehren gegen ihren Betriebsrat richte.
Das Erstgericht wies beide Begehren ab. § 41 Abs 6 Tir KAG räume dem Anstaltspersonal keinen subjektiven Rechtsanspruch auf Erhalt bestimmter Sozialleistungen ein.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des klagenden Betriebsrats keine Folge. Es fehle ihm an der Aktivlegitimation, weil die Überlassung der als ärztliches Personal an der Universitätsklinik Innsbruck tätigen Bundesbediensteten durch den Bund an das Land Tirol als klassische Arbeitskräfteüberlassung im Sinne des AÜG oder als eine der Arbeitskräfteüberlassung vergleichbare Konstellation zu qualifizieren, eine Klageführung des Betriebsrats des Überlasserbetriebs gegen den Beschäftiger aber nicht zulässig sei. Der Beklagten mangle es an der Passivlegitimation, weil ein Feststellungsverfahren gemäß § 54 Abs 1 ASGG nur vom bzw gegen den Arbeitgeber im arbeitsvertragsrechtlichen Sinn geführt werden könne, die Beklagte aber nicht Arbeitgeber sei.
Das Berufungsgericht erachtete die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO für nicht zulässig, weil es sich bei seiner Entscheidung im Einzelfall auf klare Rechtsgrundlagen und eine gefestigte höchstgerichtliche Judikatur stützen habe können.
Rechtliche Beurteilung
In seiner Zulassungsbegründung macht der Kläger geltend, dass vom Obersten Gerichtshof bislang nicht entschieden worden sei, in welchem (Arbeits‑/Rechts‑)Verhältnis die vom Kläger vertretenen Arbeitnehmer zur Krankenanstalt bzw zu deren Rechtsträger stünden. Mit dieser allgemeinen Überlegung wird keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt. Die vom Revisionswerber behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Im Übrigen ist Folgendes zusammenfassend festzuhalten:
1. Nach § 54 Abs 1 ASGG können die parteifähigen Organe der Arbeitnehmerschaft im Rahmen ihres Wirkungsbereichs sowie der jeweilige Arbeitgeber in Arbeitsrechtssachen nach § 50 Abs 1 ASGG auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen, die mindestens drei Arbeitnehmer ihres Betriebes oder Unternehmens betreffen, klagen oder geklagt werden. Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, dass eine derartige Feststellungsklage nicht gegen irgendeinen Arbeitgeber gerichtet werden kann. Der Begriff „Arbeitgeber“ ist vor allem im Sinne des Vertragspartners der vom klagenden Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmer zu verstehen (§ 51 Abs 1 ASGG; 9 ObA 77/10d; Neumayr in ZellKomm² § 54 ASGG Rz 15; Kuderna ASGG², § 54 Anm 5; Majoros in Mazal/Risak, Das Arbeitsrecht, System und Praxiskommentar Kap XXII Rz 23). Passiv klagslegitimiert ist im Falle einer Klage durch den Betriebsrat gemäß § 54 Abs 1 ASGG nur der „jeweilige“ Arbeitgeber (RIS‑Justiz RS0125572). Dies ist bei der vorliegenden Klage der Bund für die bundesbediensteten wissenschaftlichen Mitarbeiter und die Medizinische Universität ***** für die auf Basis eines privatrechtlichen Dienstverhältnisses beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter der Medizinischen Universität *****.
2. § 51 Abs 2 ASGG stellt nun Arbeitgebern Personen gleich, für die von einem Arbeitnehmer aufgrund eines Arbeitsverhältnisses mit einem anderen wie von einem eigenen Arbeitnehmer Arbeit geleistet wird. Damit sind die Fälle der Arbeitskräfteüberlassung gemeint. Der Beschäftiger wird also nach § 51 Abs 2 ASGG dem Arbeitgeber gleichgestellt (Neumayr in ZellKomm² § 51 ASGG Rz 6; Majoros in Mazal/Risak aaO Rz 6). Der Kläger muss daher bei der vorliegenden „Überlassung“ iSd § 29 Abs 4 Z 1 UG 2002 ‑ da er nicht gegen den Überlasser vorgeht ‑ den beklagten Krankenanstaltenträger als “Beschäftiger“ iSd § 51 Abs 2 ASGG ansehen. Andernfalls wäre die Klage nach § 54 Abs 1 ASGG gegen eine dem jeweiligen Arbeitgeber gleichgestellte Person von vornherein zum Scheitern verurteilt. Dass die Beklagte nämlich nicht Arbeitgeber der wissenschaftlichen Mitarbeiter der Medizinischen Universität ***** ist, steht außer Frage.
Der Wirkungsbereich des Betriebsrats ist beschränkt auf den Betrieb, für den er gewählt wurde. In Angelegenheit einer Arbeitskräfteüberlassung fallen nach der Rechtsprechung nur Feststellungsklagen nach § 54 Abs 1 ASGG, welche die aufrecht bleibenden arbeitsvertraglichen Beziehungen der überlassenen Arbeitnehmer zum Überlasser betreffen, in den Wirkungsbereich des Betriebsrats des Überlasserbetriebs; Feststellungsklagen, welche die Rechtsbeziehungen überlassener Arbeitnehmer zum Beschäftiger betreffen, sind hingegen vom Betriebsrat des Beschäftigerbetriebs einzubringen (9 ObA 24/09h; RIS‑Justiz RS0125572).
Mit der vorliegenden Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 ASGG werden vom klagenden Betriebsrat nicht die arbeitsrechtlichen Beziehungen der wissenschaftlichen Mitarbeiter zur Medizinischen Universität ***** geltend gemacht. Die Aktivlegitimation des Klägers bzw die Passivlegitimation der Beklagten wurde daher zu Recht verneint.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.
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