OGH 9Ob96/01k

OGH9Ob96/01k27.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Neumayr als weitere Richter in der Erlagssache der Erlegerin S***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Thomas Kustor, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Erlagsgegner

1) Dr. Richard H*****, Rechtsanwalt, ***** 2) Tom A*****, Rechtsanwalt, ***** vertreten durch Dr. Alfred Noll, Rechtsanwalt in Wien, wegen Hinterlegung nach § 1425 ABGB, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Ersterlagsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. Februar 2001, GZ 42 R 39/01y-11, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Ersterlagsgegners wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Im vorliegenden Fall hatte der Ersterlagsgegner die Erlegerin zunächst mit der Versteigerung einer wertvollen autographen Partitur beauftragt. Nachdem das Bundesdenkmalamt bescheidmäßig festgestellt hatte, dass die Erhaltung dieser Partitur im öffentlichen Interesse gelegen ist, und der Zweiterlagsgegner Eigentum an dieser Partitur behauptet und von der Erlegerin die Herausgabe verlangt hatte, forderte der Ersterlagsgegner seinerseits die Rückgabe der Partitur von der Erlegerin. Diese hinterlegte sie hierauf bei Gericht.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 1425 ABGB steht es dem Schuldner "bevor", die "abzutragende Sache" bei dem Gericht zu hinterlegen, wenn eine Schuld aus dem Grunde, weil der Gläubiger unbekannt, abwesend, oder mit dem Angebotenen unzufrieden ist, oder aus anderen wichtigen Gründen nicht bezahlt werden kann. Im vorliegenden Fall kommt nur ein "anderer wichtiger Erlagsgrund" im Sinne des § 1425 ABGB in Frage. Ein solcher liegt etwa vor, wenn mehrere Forderungsprätendenten auftreten und der Schuldner bei zumutbarer Prüfung nicht erkennen kann, wer von ihnen berechtigter Gläubiger ist (Reischauer in Rummel, ABGB**2 Rz 1 und 4 f zu § 1425; Schwimann/Harrer/Heidinger, ABGB**2 VII § 1425 Rz 12; SZ 30/79; JBl 1999, 315; EvBl 2000/164 mwN).

Wohl ist eine in Verwahrung gegebene Sache grundsätzlich an den Hinterleger rückzustellen, so dass sich dessen Rückstellungsbegehren allein auf den Vertrag stützen kann, ohne dass er sein Eigentum an der hinterlegten Sache behaupten und beweisen müsste, weil auch eine fremde, nicht dem Hinterleger gehörende Sache Gegenstand eines Verwahrungsvertrages sein kann. Dem allein fordernden Hinterleger kann der Verwahrer nicht einwenden, dass ein Dritter der Eigentümer sei (MietSlg 32.121 mwN). Der Verwahrungsvertrag berührt aber anderseits den dinglichen Herausgabeanspruch des Eigentümers nicht. Begehrt der Eigentümer vom Verwahrer die Herausgabe der Sache, kann der Verwahrer den Herausgabeanspruch nicht unter Hinweis auf den Verwahrungsvertrag ablehnen (Schubert in Rummel, ABGB3 Rz 2 zu § 961; NZ 1991, 314). Sieht sich sohin der Verwahrer dem konkurrierenden Ausfolgungsanspruch des Hinterlegers und des angeblichen Eigentümers gegenüber, dessen dingliches, gegen jeden Dritten durchsetzbares Recht durch das persönliche Rechtsverhältnis zwischen Hinterleger und Verwahrer nicht berührt wird, dann kann der Verwahrer, dem bei zumutbarer Prüfung nicht erkennbar ist, wer der Eigentümer der Sache ist, die Sache gerichtlich hinterlegen (MietSlg 32.121 mwN). Diese Überlegungen zum Verwahrungsvertrag können auch auf den vorliegenden Vertrag zwischen Ersterlagsgegner und Erlegerin, in dem die Verwahrung eine Nebenpflicht darstellt, übertragen werden.

Nach ständiger Rechtsprechung hat der Erleger in seinem Erlagsgesuch einen Erlagsgrund anzugeben; das Erlagsgericht hat sodann zu prüfen, ob der angegebene Grund zur Hinterlegung im Sinne des § 1425 ABGB an sich taugt. Insoweit obliegt dem Erlagsgericht eine Schlüssigkeitsprüfung; sie verhindert, dass die Gerichte aus beliebigen Gründen mit Verwahreraufgaben belastet werden (Reischauer aaO, Rz 17 zu § 1425 ABGB mwN; JBl 1999, 315). Diese Schlüssigkeitsprüfung ist hier erfolgt. Dass mit dieser Prüfung im vorliegenden Fall eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 14 Abs 1 AußStrG verbunden wäre, vermag der Revisionsrekurswerber ebenso wenig aufzuzeigen wie eine Fehlbeurteilung des Rekursgerichtes.

§ 348 ABGB betrifft den Fall des Zusammentreffens mehrerer Besitzwerber (Reischauer aaO Rz 7 zu § 1425 ABGB mwN); im vorliegenden Fall konkurriert der Anspruch des Ersterlagsgegners mit dem behaupteten Eigentum des Zweiterlagsgegners.

Da bei der Entscheidung über die Annahme eines gerichtlichen Erlags nur zu prüfen ist, ob ein an sich tauglicher Hinterlegungsgrund vorliegt, beschränkt sich diese Anfechtungsbefugnis darauf, die Unschlüssigkeit der Behauptung eines mit dem eigenen Ausfolgungsanspruch konkurrierenden Rechts geltend zu machen. Ob dieses Recht tatsächlich besteht, kann hingegen im Erlagsverfahren nicht geklärt werden (Reischauer aaO Rz 17 zu § 1425 ABGB; JBl 2001, 109; RIS-Justiz RS0106153, RS0112198). Die Klärung der Frage, ob der Erlag berechtigt war, kann nämlich nicht im außerstreitigen Erlagsverfahren, sondern immer nur im Prozess erfolgen (RIS-Justiz RS0033469).

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