OGH 9Ob89/04k

OGH9Ob89/04k15.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt Wien, Wiener Wohnen für den 20. Bezirk, Alserbachstraße 41, 1090 Wien, gegen die beklagte Partei Helene P*****, vertreten durch den einstweiligen Sachwalter Dr. Christian Burghardt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 29. Juni 2004, GZ 40 R 167/04m-16, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Versäumungsurteil des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 12. Mai 2003, GZ 36 C 172/03f-3, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrte von der beklagten Partei die Räumung der Wohnung Wien *****.

Die beklagte Partei blieb trotz ausgewiesener Klagezustellung und Ladung der vorbereitenden Tatsatzung vom 12. 5. 2003 fern. Über Antrag der klagenden Partei erließ das Erstgericht am 12. 5. 2003 ein Versäumungsurteil, welches der beklagten Partei am 16. 5. 2003 durch Hinterlegung (Beginn der Abholfrist: 19. 5. 2003) zugestellt wurde. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 9. 7. 2003, GZ 2 P 74/03s-6, wurde für die beklagte Partei ein Sachwalter bestellt. Dieser stellte den Antrag, die erteilte Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung hinsichtlich des Räumungsurteils aufzuheben sowie ihm das Versäumungsurteil zuzustellen. Mit Beschluss vom 28. 1. 2004 (ON 11) hob das Erstgericht die Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung vom 1. 7. 2003 hinsichtlich des Versäumungsurteils vom 12. 5. 2003 auf. Dieser Beschluss und eine Ausfertigung des Versäumungsurteils wurden dem einstweiligen Sachwalter am 1. März 2004 zugestellt.

Die klagende Partei ließ diesen Beschluss unbekämpft. Gegen das Versäumungsurteil erhob die beklagte Partei, vertreten durch den einstweiligen Sachwalter, am 1. 3. 2004 (Datum der Postaufgabe) Berufung wegen Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 5 ZPO.

Das Rekursgericht wies die Berufung mit der Begründung zurück, das selbst im Falle der Prozessunfähigkeit der Beklagten die formelle Rechtskraft des Versäumungsurteils eingetreten sei und ihr daher nur mehr der Weg der Nichtigkeitsklage zustehe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht die Sachentscheidung über die Nichtigkeitsberufung aufzutragen.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht hat zutreffend auf die seit 1 Ob 6/01s (verstärkter Senat: SZ 74/200) ergangene Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0116036) verwiesen, nach der die formelle Rechtskraft auch dann eintritt, wenn die Prozessunfähigkeit der Partei nicht erkannt wurde. Demzufolge kann die Partei, die ihre Prozessunfähigkeit behauptet, zunächst mit dem ihr zu Gebote stehenden ordentlichen Rechtsmittel den Nichtigkeitsgrund geltend machen. Ist aber die Rechtsmittelfrist verstrichen, daher die formelle Rechtskraft eingetreten, kann sie bis spätestens vier Wochen nach der - jedoch keine Zulässigkeitsvoraussetzung bildenden - Zustellung an ihren gesetzlichen Vertreter durch diesen Nichtigkeitsklage aus dem Grund des § 529 Abs 1 Z 2 ZPO erheben. Da das Versäumungsurteil formell richtig zugestellt und innerhalb der Rechtsmittelfrist kein Rechtsmittel erhoben wurde, ist das Urteil in Rechtskraft erwachsenen (RIS-Justiz RS0001584).

Entgegen der Auffassung der Rekurswerberin hat das Erstgericht mit seinem Beschluss über die Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung keine Disposition über den Eintritt der Rechtskraft selbst getroffen, was im Übrigen auch gar nicht möglich wäre. Auswirkungen dieses - durch das Erstgericht jederzeit abänderbaren - Beschlusses auf ein Exekutionsverfahrens sind hier nicht zu prüfen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

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