European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00079.21I.0217.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.644,66 EUR (darin 274,11 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Beklagte ist eine Limited nach maltesischem Recht (Malta Business Registry Nr. *) mit Sitz in Malta und verfügt über eine aufrechte Lizenz der Malta Gaming Authority für Online-Glücksspiele (Echtgeldpoker‑ und Casinospiele) unter der Domain www.*eu. Eine Konzession für ihre Tätigkeiten in Österreich iSd § 12a GSpG für elektronische Lotterien hat sie nicht, bietet aber über ihre deutschsprachige Website *eu in Österreich Internet‑Glücksspiel (Echtgeldpoker- und Casinospiele) an. Österreichische Kunden können die Website der Beklagten in Anspruch nehmen. Der in Österreich wohnhafte Kläger richtete bei der Beklagten einen Account zur Teilnahme am Online‑Glücksspiel ein. Grundlage und Vertragsbestandteil für die zwischen ihm und der Beklagten abgeschlossenen Glücksspielverträge sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit welchen sich der Kläger bei seiner Registrierung einverstanden erklärte. Bei den angebotenen Spielen handelt es sich laut den AGB ausschließlich um Online‑Glücksspiele. Der Kläger nahm zu privaten Zwecken von 1. 1. 2013 bis 1. 9. 2020 an den von der Beklagten angebotenen Pokerspielen teil und erlitt dabei Spielverluste von 24.050,23 EUR und 940 $. Auf dem Spielerkonto des Klägers wurden sämtliche Zahlungsflüsse, insbesondere die Transferierung der eingelösten Wetteinsätze und erzielten Spielgewinne, zwischen dem Kläger und der Beklagten abgewickelt. Sowohl ein Nutzerkonto als auch ein Spielerguthaben ist nach 10.6 der AGB der Beklagten Voraussetzung für die Teilnahme an von der Beklagten angebotenem Glücksspiel.
[2] Der Kläger begehrt 24.872,77 EUR sA, weil die mit der Beklagten abgeschlossenen Glücksspielverträge mangels Konzession nach dem GSpG nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig seien und der saldierte Verlustbetrag bereicherungsrechtlich rückabzuwickeln sei. Zwischen den Spielern bestehe bereits mangels Kenntnis kein Vertrags- oder synallagmatisches Austauschverhältnis. Vermögensdispositionen hätten zwischen den Spielern und der Beklagten stattgefunden; die Bereicherung sei daher ausschließlich bei dieser eingetreten. Die Beklagte sei auch aufgrund Schutzgesetzverletzung schadenersatzrechtlich verant‑wortlich.
[3] Die Beklagte begründet – sofern noch im Revisionsverfahren relevant – die begehrte Klagsabweisung insbesondere mit der fehlenden Passivlegitimation, weil der dem Pokerspiel zugrundeliegende Vertrag zwischen den Spielern untereinander und nicht mit dem Anbieter der Website zustande gekommen sei. Gewinne und Verluste realisierten sich nur in diesem Verhältnis, sodass auch allfällige bereicherungs‑ und schadenersatzrechtliche Ansprüche auf dieses Verhältnis beschränkt seien. Die Beklagte hebe nur eine Servicegebühr für das Bereitstellen der Pokerplattform ein. Das in Österreich geltende Glücksspielmonopol sei zudem unionsrechtswidrig.
[4] Das Erstgericht gab der Klage statt. Es ging davon aus, dass angesichts mittlerweile ständiger Rechtsprechung der Höchstgerichte die Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols zu verneinen sei. Das von der Beklagten ohne Konzession angebotene Online-Glücksspiel sei daher verboten. Gemäß § 879 Abs 1 ABGB sei der mit dem Kläger geschlossene Vertrag unwirksam, sodass dieser seine Spielverluste zurückfordern dürfe. Der Umstand, dass die beklagte Partei bei den Online-Pokerspielen lediglich an den Tischgebühren, den sogenannten „Rakes“, verdient habe, führe nicht zu einer fehlenden Passivlegitimation, da der Kläger aufgrund des zwischen ihm und der beklagten Partei abgeschlossenen Glücksspielvertrags Verluste erlitten habe. Die Gegenforderung habe die Beklagte nicht konkretisiert. Auf ein Mitverschulden komme es nicht an.
[5] Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten keine Folge. Auch das Berufungsgericht ging davon aus, dass das Glücksspielmonopol unionsrechtskonform sei. Die Beklagte sei Veranstalterin des Online-Pokerspiels und (alleinige) Vertragspartnerin des Klägers. Da es sich um verbotenes Glücksspiel handle, sei der Vertrag nichtig und rückabzuwickeln. Bereicherungsschuldner sei dabei derjenige, dem der Spieler die Einsätze in Erfüllung des mit ihm geschlossenen, ungültigen Glücksspielvertrags geleistet habe, im konkreten die Beklagte.
[6] Die Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil zur Frage der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines (verbotenen) Online-Pokerspiels – soweit ersichtlich – keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
[7] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[8] Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[9] Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
[10] 1. Auf die von ihr im bisherigen Verfahren behauptete Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols kommt die Beklagte in dritter Instanz ausdrücklich nicht mehr zurück. Da die Entscheidungen der Vorinstanzen zudem mit der Judikatur der Höchstgerichte zu dieser Frage in Einklang stehen (RS0130636 [T7]), muss darauf nicht weiter eingegangen werden.
[11] 2. Nach Ansicht der Revisionswerberin liege ein Geschäftsbesorgungsvertrag, konkret ein Treuhandvertrag vor, bei dem in jeder Pokerspielrunde die Einsätze und Spielerguthaben treuhändig entgegengenommen, verwaltet und entsprechend den mit den beteiligten Spielern vereinbarten Auszahlungsbedingungen ausgezahlt würden. Der von der Revisionswerberin als Abwicklungstreuhänderin und Zahlstelle einbehaltene Anteil sei unabhängig von einem aleatorischen Moment, dies im Gegensatz zu sogenannten Bankhalterspielen (Roulette, Black Jack udgl). Die Revisionswerberin partizipiere nicht als Partei am Spiel. Ein Glücksvertrag bestehe nur zwischen den Spielern, wobei angesichts des Treuhandvertrags und der Einordnung als „Geschäft für den, den es angeht“ die fehlende Offenlegung der konkreten Vertragspartner unschädlich sei.
[12] 2. Das Berufungsgericht hat bereits zutreffend ausgeführt (§ 510 Abs 3 ZPO), dass die in der Entscheidung 6 Ob 118/12i angestellten Überlegungen zur (bereicherungsrechtlichen) Passivlegitimation von Lokalbetreibern, die lediglich einen Raum für Glücksspielautomaten oder Kartenspiele zu Verfügung stellen, mangels Vergleichbarkeit der zugrunde liegenden Sachverhalte nicht übertragbar sind. Während dort mangels Feststellung, dass die Lokalbetreiberin selbst auch Betreiberin bzw Aufstellerin des Automaten gewesen wäre, kein Vertragsverhältnis zwischen der Lokalbetreiberin als Anbieterin des Pokerspiels und den Spielern konstruiert werden konnte, fungiert die Beklagte vorliegend gerade als Anbieterin des Online‑Pokerspiels.
[13] 3. Wie der Oberste Gerichtshof in der – einen gleichgelagerten Fall betreffenden – jüngst ergangenen Entscheidung 6 Ob 229/21a dargelegt hat, ist gemäß § 2 Abs 1 und 4 iVm § 4 Abs 1 GSpG bereits das konzessionslose Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder Zugänglichmachen von Glücksspiel durch einen Unternehmer verboten; und zwar auch dann, wenn er nicht selbst am Spiel teilnimmt und etwa die Gewinne in Aussicht stellt, sondern nur auf sonstige Weise an der Durchführung des Spiels mitwirkt. Das wurde durch die Neufassung der Legaldefinition der „Ausspielung“ in § 2 GSpG im Rahmen der GSpG‑Novelle 2008, BGBl I 54/2010, noch einmal bewusst verdeutlicht. In diesem Sinne führen die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (ErläutRV 658 BlgNR 24. GP 5) aus: „Die Veranstaltung/Organisation/das Angebot kann sich beispielsweise durch Mischen und Teilen der Karten, Festlegung von Spielregeln, Entscheidung von Zweifelsfällen, Bewerbung der Möglichkeit zum Spiel, Bereitstellen von Spielort, Spieltischen oder Spielpersonal äußern“. Dies entsprach aber bereits der zuvor geltenden Rechtslage (vgl § 2 Abs 4 GSpG idF BGBl I 69/1997; allgemein zur Behandlung von Hilfs-, Neben- bzw Vorbereitungsgeschäften für Glücksverträge Stefula in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1267 ABGB Rz 5 mwN; siehe weiters – zu einem verbotenen Pyramidenspiel – 5 Ob 506/96). Zudem kommt es nicht darauf an, ob (auch) der Vertragsbeziehung zwischen den Streitteilen ein aleatorisches Element zugrunde liegt oder (nur) zwischen den Teilnehmern des Online‑Pokerspiels untereinander Glücksverträge zustande gekommen sind.
[14] Vor diesem Hintergrund kann keinem Zweifel unterliegen, dass auch der vorliegend zwischen den Streitteilen geschlossene Vertrag, mit dem dem Kläger die Teilnahme an Online‑Pokerspielen auf der Website der Beklagten ermöglicht wurde, nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig ist.
[15] 4. Die Rechtsfolgen der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts wegen Verbots‑ und Sittenwidrigkeit richten sich nach einer Analogie zu § 877 ABGB (Pletzer in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON § 877 Rz 6). Die Rückforderbarkeit wird daher in der Regel nicht durch die Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld ausgeschlossen (Pletzer aaO mwN). Nach neuerer Auffassung kommt hier dem Verbotszweck maßgebliche Bedeutung zu: Erfordert der Verbotszweck eine Rückabwicklung, etwa weil das Verbot den Schutz einer Partei bezweckt oder sich gegen den Leistungstausch an sich wendet, sind ausgetauschte Leistungen stets, also in Abweichung zu §§ 1431 ff ABGB auch bei Kenntnis von der ungültigen Verpflichtung zurückzustellen (Koziol/Spitzer in KBB5 Vor §§ 1431 Rz 2 mwN; Pletzer aaO Rz 6 ff mwN). Will das Verbotsgesetz dagegen nur die Entstehung einer durchsetzbaren Verpflichtung verhindern, begründet die Nichtigkeit für sich allein noch keinen Rückforderungsanspruch. In Hinblick auf die Zielsetzung des Glücksspielgesetzes kann keinem Zweifel unterliegen, dass der Gesetzgeber hier gerade den Schutz der Spieler und nicht bloß die Verhinderung des Entstehens klagbarer Verbindlichkeiten bezweckt.
[16] Nach § 877 ABGB ist der erlangte Vorteil herauszugeben (Pletzer aaO Rz 19). Darunter ist zu verstehen, was in jemandes unbeschränkte Verwendungsmöglichkeit gelangt ist, gleichgültig, ob davon in der Folge ein nützlicher oder allenfalls verlustbringender Gebrauch gemacht wurde und ob davon noch ein Nutzen vorhanden ist oder nicht (Pletzer aaO Rz 19 mwN). Ein späterer Wegfall eines einmal eingetretenen Nutzens befreit den Bereicherungsschuldner demnach nicht (9 Ob 98/04h; Pletzer aaO Rz 19).
[17] 5. Die Passivlegitimation der Beklagten ergibt sich schon daraus, dass diese Empfängerin der Leistung des Klägers war. Schon durch die Einzahlung auf ihr Konto kommt es daher zu einer bewussten und zweckgerichteten Vermögensverschiebung zugunsten der Beklagten auf Grundlage der (unwirksamen) vertraglichen Vereinbarung zwischen ihr und dem Nutzer. Von einer (Vorab-)Zahlung zur Abwicklung eines allfälligen, im Einzahlungszeitpunkt noch gar nicht abgeschlossenen Glücksvertrags mit einem künftigen Mitspieler kann keine Rede sein. Durch die wiederkehrenden Geldüberweisungen des Klägers wurde die Beklagte daher sehr wohl unmittelbar bereichert, ganz unabhängig davon, dass es sich dabei jeweils noch nicht um die Leistung eines Spieleinsatzes im Rahmen eines unerlaubten Glücksvertrags (siehe dazu RS0025607 [T1, T4]; RS0102178 [T6]) handelte.
[18] Ein Belassen der Zahlung oder die Anwendung des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder des § 1432 ABGB, auch wenn die Zahlung nicht geleistet wird, um das verbotene Spiel unmittelbar zu bewirken, sondern „nur“ um am Spiel überhaupt teilnehmen zu können, widerspräche überdies dem Verbotszweck der §§ 2 Abs 1 und 4 iVm § 4 Abs 1 GSpG (Krejci/Böhler in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1274 Rz 81; vgl auch 6 Ob 124/16b; 7 Ob 225/16p). Dies muss umso mehr dann gelten, wenn – wie im vorliegenden Fall – dem Kläger die Identität der anderen Spieler völlig unbekannt war. Die Argumentation der Beklagten liefe vielmehr darauf hinaus, den Kläger auf faktisch nicht durchsetzbare Ansprüche zu verweisen.
[19] Die Rolle der Beklagten geht zudem auch insofern über jene einer bloßen „Abwicklungstreuhänderin“ hinaus, als ein Nutzer, um überhaupt an den von der Beklagten angebotenen Online‑Glücksspielen – nicht bloß am Poker – teilnehmen zu können, zuvor eine Einzahlung auf ein Konto der Beklagten tätigen muss, woraufhin ihm von der Beklagten ein entsprechendes „Spielerguthaben“ eingeräumt wird. Nur in dessen Umfang kann er sich mit Einsätzen an den Spielen, unter anderem am Poker, beteiligen.
[20] 6. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass der Kläger sein Begehren ausdrücklich auch auf Schadenersatz gestützt hat. Dass das Vorgehen der Beklagten rechtswidrig war, wurde bereits ausgeführt. Wird ein Schadenersatzanspruch auf die Verletzung eines Schutzgesetzes gestützt, dann hat der Geschädigte den Schadenseintritt und die Verletzung des Schutzgesetzes als solche zu beweisen. Für Letzteres reicht der Nachweis aus, dass die Schutznorm objektiv übertreten wurde (RS0112234; vgl auch RS0111706 [T1]).
[21] Die Kausalität des Verhaltens der Beklagten für den eingetretenen Schaden liegt zudem auf der Hand, hätte der Kläger doch bei Unterbleiben der verbotenen Veranstaltung bzw Organisation von Glücksspielen durch die Beklagte den gegenständlichen Schaden in seiner konkreten Form nicht erlitten. Dafür, dass der Kläger diesfalls bei einem anderen rechtmäßigen Anbieter Verluste in derselben Höhe erlitten hätte, träfe nach allgemeinen Grundsätzen die Beklagte die Beweislast (RS0027364). Die von der Revision zitierte Rechtsprechung zur hypothetischen Alternativveranlagung bei Anlegerschäden (4 Ob 67/12z uva) ist nicht einschlägig, weil sie nicht iSd § 879 ABGB verbotene Geschäfte, sondern grundsätzlich zulässige Anlageformen betrifft.
[22] 7. Zusammenfassend erweist sich somit die Rechtsansicht der Vorinstanzen als frei von Rechtsirrtum, sodass der unbegründeten Revision ein Erfolg zu versagen war.
[23] 8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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