OGH 9Ob7/21a

OGH9Ob7/21a24.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A***** H*****, vertreten durch BLS Rechtsanwälte Boller Langhammer Schubert GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. W***** L*****, vertreten durch Univ.‑Prof. Dr. Max Leitner und Dr. Mara‑Sophie Häusler, LL.M., Rechtsanwälte in Wien, wegen 57.728,46 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. Dezember 2020, GZ 15 R 141/20w‑25, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0090OB00007.21A.0324.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Den Rechtsanwalt treffen nach § 9 RAO und § 1009 ABGB eine Reihe von Pflichten, wie unter anderem Warn-, Aufklärungs-, Informations- und Verhütungspflichten, die alle Ausprägung seiner Kardinalspflicht sind, nämlich der Pflicht zur Interessenswahrung und zur Rechtsbetreuung (RS0112203). Welche konkreten Pflichten aus den von der Rechtsprechung allgemein entwickelten Grundsätzen abzuleiten sind, richtet sich immer nach dem erteilten Mandat und den Umständen des Einzelfalls (RS0112203 [T10]). Zu den allgemein zu erwartenden Sorgfaltspflichten des Anwalts gehört jedenfalls auch, seinen Mandanten vor der erkennbaren Gefahr der Verjährung seines Anspruchs zu schützen (RS0038682 [T14]).

[2] Nach ständiger Rechtsprechung dürfen die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten eines Anwalts nicht überspannt und von ihm nur der Fleiß und die Kenntnis verlangt werden, die seine Fachkollegen gewöhnlich haben (RS0026584). Ob der Rechtsanwalt im Einzelfall die gebotene Sorgfalt eingehalten hat, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls geprüft werden und stellt regelmäßig keine Frage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0026584 [T21]).

[3] Die mit der außerordentlichen Revision des Beklagten angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts über die Sorgfaltspflichtverletzung des Beklagten bewegt sich im Rahmen der dargestellten Grundsätze der Rechtsprechung zur Haftung eines Rechtsanwalts. Der Beklagte hätte die Klägerin nicht nur über die drohende Verjährung ihrer Ansprüche gegenüber A*****, sondern insbesondere auch über die Bereitschaft der Rechtsschutzversicherung, die Kosten für „Gemeinschaftsklagen oder sonstige gemeinschaftliche Formen außergerichtlicher und gerichtlicher Interessenwahrnehmung“ im Fall der Vertretung durch die von ihr genannten Rechtsanwaltskanzleien zu übernehmen, aufklären müssen. Er hätte es nicht bei der bloßen Weiterleitung des Schreibens der Rechtsschutzversicherung als Anhang einer E‑Mail „zur Kenntnisnahme“ bewenden lassen dürfen, zumal er dieses Angebot der Rechtsschutzversicherung weder in seinem Abschlussbericht noch im abschließenden Telefonat mit der Klägerin erörterte oder auch nur erwähnte.

[4] Die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision stützt der Beklagte weiters auf Überlegungen zu einer Haftungsminderung im Falle eines unentgeltlichen Beratungsverhältnisses. Der Behandlung dieses Einwands durch den Obersten Gerichtshof steht aber das im Revisionsverfahren geltende Neuerungsverbot des § 504 Abs 2 ZPO entgegen. Der Beklagte hat sich im erstinstanzlichen Verfahren nicht auf eine Unentgeltlichkeit seiner Beratungstätigkeit und eine daraus folgende Haftungsminderung gestützt.

[5] Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Beklagten zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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