OGH 9Ob65/10i

OGH9Ob65/10i22.10.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshof Dr. Hradil, Dr. Hopf, Dr. Tarmann-Prentner und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Kreuz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** S*****, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gahleithner & Partner OG in Wien, wegen 55.014,77 EUR sA und Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. Juli 2010, GZ 38 R 235/09d-21, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Sowohl die Frage, wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen ist, als auch jene, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht gilt, betrifft den Einzelfall, weshalb ihr im Allgemeinen keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042828).

Unrichtig ist, dass sich die Klägerin zur Frage der Benützung der in Rede stehenden Wohnung durch die Beklagte nur auf einen Mietvertrag (samt qualifizierten Zinsrückständen) berufen habe. Schon in der Klage hat sie vorgebracht, dass für den Fall, dass kein Mietvertrag bestehe, das Räumungsbegehren auf titellose Benützung gestützt werde. Im Schriftsatz ON 5 hat sie die Behauptung der titellosen Benützung mit dem gleichzeitig erklärten Widerruf der (an sich bestrittenen) Zusage gegenüber der Beklagten, kostenlos in der Wohnung wohnen zu dürfen, verknüpft.

Wenn das Berufungsgericht dieses Vorbringen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung dahin auslegt, dass sich die Klägerin in einem noch ausreichenden Ausmaß auf ein Prekarium gestützt habe, ist darin keine mit dem Wortlaut unvereinbare, gegen die Denkgesetze verstoßende oder sonst grob unrichtige Beurteilung zu erkennen. Der Hinweis der Klägerin auf den Widerruf einer Zusage zur Benützung einer Wohnung samt daraus abgeleiteter Titellosigkeit des Gebrauchs deutet ausreichend klar auf eine fehlende Verbindlichkeit zur Gestattung des Gebrauchs hin. Mit diesem Vorbringen wird gerade auf die rechtlich relevante und daher schon ursprünglich vereinbarte Widerruflichkeit der Gebrauchsüberlassung Bezug genommen.

Zur Beurteilung der Widerruflichkeit der Gebrauchsüberlassung an der in Rede stehenden Wohnung reicht die vom Erstgericht ermittelte Sachverhaltsgrundlage aus. Die vom Erstgericht dazu getroffenen Feststellungen sind nicht überschießend (vgl RIS-Justiz RS0037972; RS0040318).

2. Nicht stichhaltig ist weiters der Vorwurf der Beklagten, die Frage, wann die Vereinbarung betreffend die Überlassung der Wohnung getroffen worden sei, lasse sich anhand der Feststellungen nicht konkret beantworten. Für die Beurteilung des von ihr behaupteten und nach ihrer Argumentation angeblich zulässigen In-Sich-Geschäfts ist die vom Erstgericht festgestellte zeitliche Einordnung („zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2006“) ausreichend.

Soweit die Beklagte auch in der außerordentlichen Revision davon ausgeht, die Vereinbarung über die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung sei entsprechend ihrem Vorbringen in den ersten Monaten des Jahres 2005, somit zu einem Zeitpunkt abgeschlossen worden, zu dem sie selbst noch Geschäftsführerin der Klägerin gewesen sei, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt.

3. Woraus der von der Beklagten unterstellte Gebrauchszweck, ihr während der Dauer des Scheidungsverfahrens den unentgeltlichen Gebrauch an der Wohnung zu sichern, „zwingend erschließbar“ sein soll, vermag sie in der außerordentlichen Revision nicht schlüssig darzulegen.

Ausgehend von den Feststellungen ist die Beurteilung der Vorinstanzen, die Wohnung sei der Beklagten aus Anlass (also wegen, nicht aber während) des bevorstehenden Scheidungsverfahrens zum Gebrauch überlassen worden, sodass die Eheprobleme nur Motiv für die Überlassung gewesen seien, nicht unvertretbar (vgl RIS-Justiz RS0042936). Dementsprechend ist die rechtliche Schlussfolgerung, der Gebrauchszweck sei nicht bestimmt worden, weshalb eine (für die Beurteilung als Leihe erforderliche) „bestimmte Dauer“ der - nach den Feststellungen nur „vorläufigen“ (vgl 7 Ob 251/07y) - unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung auch nicht erschließbar sei, nicht korrekturbedürftig (vgl dazu RIS-Justiz RS0019106; RS0019196). Das Gleiche gilt für die daraus resultierende Bejahung der jederzeitigen Widerruflichkeit der Wohnungsüberlassung und damit die Qualifikation als Prekarium.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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