OGH 9Ob63/09v

OGH9Ob63/09v30.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Glawischnig als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei S***** D*****, vertreten durch Dr. Petra Patzelt, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte und widerklagende Partei I***** T*****, vertreten durch Dr. Georg Lugert ua, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen 14.450,71 EUR sA (2 Cg 145/02p) und 33.566,68 EUR sA (2 Cg 196/02p), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Mai 2009, GZ 15 R 225/08f-115, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1) Die außerordentliche Revision gegen die Entscheidung im Verfahren 2 Cg 196/02p wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

2) Im Übrigen wird der Akt dem Erstgericht zurückgestellt. Begründung:

Rechtliche Beurteilung

I. Im Fall der Verbindung mehrerer Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung ist die Zulässigkeit der Revision gegen die gemeinsame Entscheidung für jedes der verbundenen Verfahren gesondert zu beurteilen. Die Streitwerte der verbundenen Verfahren bleiben voneinander unabhängig. Dies gilt auch im Fall der Verbindung von Klage und Widerklage (RIS-Justiz RS0036717; RS0037252; zu Klage und Widerklage zuletzt etwa 7 Ob 145/02b). Hier übersteigt zwar der Entscheidungsgegenstand im Verfahren über die Widerklage den gemäß §§ 502 Abs 3, 508 ZPO (in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem Budgetbegleitgesetz 2009) für die Rechtsmittelzulässigkeit maßgebenden Wert von 20.000 EUR, nicht aber der Entscheidungsgegenstand im Verfahren über die zu 2 Cg 145/02p erhobene Klage (14.450,71 EUR).

Soweit die „außerordentliche" Revision daher das Verfahren 2 Cg 145/02p betrifft, ist § 502 Abs 3 ZPO anzuwenden, wonach die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig ist, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 4.000 EUR, nicht aber insgesamt 20.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei jedoch nach § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungsurteils den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 erster Satz ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde. Es schadet nicht, dass der Rechtsmittelwerber in seinem Rechtsmittel keinen Antrag auf Abänderung des Ausspruchs des Gerichts zweiter Instanz gestellt hat, weil dieser Mangel gemäß § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig ist (RIS-Justiz RS0109623).

Das Erstgericht wird somit das Rechtsmittel des Klägers dem Berufungsgericht vorzulegen haben. Ob der Rechtsmittelschriftsatz - soweit er das Verfahren 2 Cg 145/02p betrifft - den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten. II. Über die gegen die Entscheidung über die Widerklage erhobene außerordentliche Revision kann schon jetzt entschieden werden. Diese Revision bekämpft das Berufungsurteil ausschließlich mit dem Einwand, es sei die Bindungswirkung der zwischen den selben Parteien ergangenen Vorentscheidung 2 Cg 127/00b missachtet worden. II.1. Gegenstand des Vorprozesses war die Forderung des damaligen Klägers (nunmehr Kläger und Widerbeklagter) auf Zahlung seines Anteils an den Reinerträgnissen einer gemeinsamen Liegenschaft aus der Zeit von April 1996 bis Ende 1999. Dieser Anteil wurde im Vorprozess durch ein Sachverständigengutachten ermittelt, wobei jene Ausgaben der damaligen Beklagten (nunmehr Beklagte und Widerklägerin) berücksichtigt wurden, die sich aus der Verwaltung der betroffenen Liegenschaft ergaben. Aufwendungen der damals Beklagten aus der Verwaltung des sonstigen Nachlassvermögens - dies sind die nunmehr von der Beklagten und Widerklägerin geltend gemachten Aufwendungen - wurden hingegen nicht berücksichtigt. Dem Klagebegehren, das sich letztlich am vom Sachverständigen ausgemittelten Betrag orientierte, wurde im Vorprozess vollinhaltlich (und unbekämpft) stattgegeben. II.2. Dass die Beklagte und Widerklägerin schon im Vorprozess - und zwar nach der Erstattung des Sachverständigengutachtens - auf die nunmehr geltend gemachten Aufwendungen hingewiesen und von einer „Gesamtabrechnung" gesprochen hat, trifft zu (ON 25 in 2 Cg 127/00p). Sie hat aber weder eine darauf gerichtete Compensandoforderung eingewendet - die eingewendete Gegenforderung betraf andere Forderungen - noch hat sie eine Aufrechnungserklärung abgegeben oder sich auf die bereits erfolgte Aufrechnung berufen. Das Gericht im Vorprozess hat daher über diese nunmehr geltend gemachten Aufwendungen nicht entschieden, sondern seiner Entscheidung den vom Sachverständigen ermittelten Betrag, der nur aus der Abrechnung der Erträgnisse und Ausgaben aus der Bewirtschaftung der gegenständlichen Liegenschaft resultierte, zugrunde gelegt. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die Bindungswirkung des Vorprozesses sei nicht verletzt worden, ist daher nicht zu beanstanden.

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