Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin erwarb am 14. 7. 2004 drei A*****-Genussscheine zu einem Gesamtkaufpreis von 6.103,35 EUR. Die Beklagte erteilte als Abschluss- und Konzernprüferin bei den Jahresabschlüssen 2000 bis 2008 der A***** AG, bei deren IAS Konzernabschlüssen 2004 bis 2008 und bei den Jahres- und Konzernabschlüssen 2001 bis 2008 der A***** Gruppe AG die Bestätigungsvermerke. Die Jahres- und Konzernabschlüsse samt Bestätigungsvermerken der Beklagten wurden jeweils im Firmenbuch veröffentlicht. Unstrittig ist, dass die Beklagte bei sämtlichen Abschlüssen bis zum Jahr 2007 einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk und bei den Jahresabschlüssen des Jahres 2008 einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilte. Im Mai 2010 wurden über die A***** AG und die A***** Gruppe AG die Konkursverfahren eröffnet.
Mit ihrer am 30. 12. 2011 eingelangten Klage begehrt die Klägerin 6.103,35 EUR sA, hilfsweise Zug um Zug gegen Übergabe der Genussscheine. Weitere Eventualbegehren sind auf Feststellung der Haftung der Beklagten für jeden Schaden gerichtet, den die Klägerin aus der Veranlagung in drei A*****-Genussscheine erleide, insbesondere dadurch, dass sie bei deren Verwertung, in eventu bei Zahlungen der Masseverwalterin weniger als den seinerzeitigen Gesamtkaufpreis zurückerhalte.
Soweit im Revisionsverfahren relevant, brachte die Klägerin vor, die Beklagte habe bei Prüfung der Jahres- und Konzernabschlüsse die - in der Klage im Einzelnen angeführten - zahlreichen Unrichtigkeiten nicht aufgedeckt und Systemmissstände über all die Jahre „völlig ignoriert“ (AS 69), sondern uneingeschränkte Bestätigungsvermerke erteilt. Auch die FMA habe in ihrer Sachverhaltsmitteilung an die Staatsanwaltschaft den Verdacht geäußert, dass Prüfungsberichte und testierte Jahresabschlüsse von der Beklagten mit der Geschäftsleitung der A***** AG derart abgestimmt und „geschönt“ worden seien, dass dem Unternehmen der Faktenlage widersprechende Umstände bescheinigt worden seien (AS 37). Gegenüber dem Wirtschaftsprüfer liefen deshalb auch strafrechtliche Ermittlungen. Die Klägerin habe bei Ankauf der Genussscheine auf die Bestätigungsvermerke vertraut. Wäre die Beklagte ihren Pflichten nachgekommen, hätte die Klägerin keine wertlos gewordenen Genussscheine gekauft oder behalten. Die Beklagte hafte auch nach § 1300 ABGB und § 255 AktG iVm § 1311 ABGB. Bei Drittschäden sei für die Frage der Verjährung § 1489 ABGB maßgeblich. Der Schaden der Klägerin sei erst mit der Konkurseröffnung, eventuell mit Veröffentlichung des eingeschränkten Bestätigungsvermerks eingetreten. Eine Kenntnis der Klägerin vom Schaden könne nicht vor Vorliegen des im Strafverfahren gegen den Vorstand der Emittentin der Genussscheine eingeholten Sachverständigengutachtens liegen. Ihre Ansprüche seien nicht verjährt.
Die Beklagte bestritt und wandte - soweit revisionsgegenständlich - Verjährung nach § 275 Abs 5 UGB ein, die spätestens fünf Jahre nach dem Kauf, sohin am 14. 7. 2009 eingetreten sei.
Das Erstgericht folgte dem Standpunkt der Beklagten und wies das Klagebegehren als verjährt ab.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. § 275 Abs 5 UGB komme auch in Fällen einer Dritthaftung und selbst bei vorsätzlichem Handeln zur Anwendung. Die Verjährungsfrist beginne mit Eintritt des Primärschadens zu laufen, ohne dass es darauf ankäme, wann die Klägerin Kenntnis vom Schaden und Schädiger erlangt habe. Der Primärschaden der Klägerin sei aber bereits mit dem Kauf der Genussscheine eingetreten. Dass die Klägerin bei pflichtgemäßer Prüfung ihre Genussscheine sofort wieder verkauft hätte, sei schon deshalb nicht schlüssig, weil bei früherer Aufdeckung der Markt für die A*****-Genussscheine früher zusammengebrochen wäre und dann keine Verkaufsmöglichkeit mehr bestanden hätte. Die ordentliche Revision sei zur Frage, ob § 275 Abs 5 UGB auch bei vorsätzlichem Handeln gelte und wann in derartigen Fällen der (Primär-)Schaden eintrete, zulässig.
In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Klägerin, das Berufungsurteil im Sinn einer Klagsstattgebung abzuändern.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision; hilfsweise, ihr keine Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig, weil zu klären ist, innerhalb welcher Frist Schadenersatzansprüche Dritter aus vorsätzlicher Pflichtverletzung eines Abschlussprüfers verjähren und wann diese Frist zu laufen beginnt. Weiters bedarf es auch für den Bereich fahrlässiger Schädigung zur Anspruchsgrundlage der Dritthaftung einer Klarstellung.
Die Revision ist im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
I. Der Oberste Gerichtshof hat in einem Parallelakt, nämlich in der ausführlich begründeten Entscheidung vom 23. 1. 2013, 3 Ob 230/12p, zu den auch hier relevanten Rechtsfragen Stellung genommen. Auf den Inhalt dieser Entscheidung, der zwischenzeitig etwa zu 10 Ob 56/12a ua gefolgt wurde, kann daher verwiesen werden. Deren wesentliche Aussagen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. An der bisherigen Rechtsprechung, nach der der Prüfungsvertrag zwischen Gesellschaft und Abschlussprüfer als ein Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter zu qualifizieren ist, wird festgehalten.
2. Auf dem Boden der Dritthaftung aufgrund der Schutzwirkungen des Prüfungsvertrags zugunsten Dritter ist die Verjährungsfrage für den Bereich bloß fahrlässiger Schadensverursachung durch den Abschlussprüfer dahin zu lösen, dass die Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 UGB sowohl bei Schäden der Gesellschaft als auch denen Dritter eine von Kenntnis des Schadens und Schädigers unabhängige objektive Frist ist, die ab Entstehen des Schadens zu laufen beginnt:
2.1. Bei der Frist des § 275 Abs 5 UGB handelt es sich um eine lex specialis zur allgemeinen Verjährungsvorschrift des § 1489 ABGB, die als objektive, von der Kenntnis des Schadens und des Schädigers unabhängige Frist nicht nur die kurze, sondern auch die lange Frist des § 1489 Satz 2 1. Variante ABGB verdrängt.
2.2. Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 UGB gilt auch für den Bereich der Dritthaftung. Sie beginnt unabhängig von Kenntnis des Schadens und Schädigers mit dem Eintritt des (primären) Schadens durch Umschichtung des Vermögens des Dritten zu laufen, wenn dieser die Vermögensumschichtung nicht vorgenommen hätte, hätte er die Unrichtigkeit des Jahresabschlusses gekannt (1 Ob 35/12x; 10 Ob 88/11f ua).
2.3. Der als Einheit konzipierte § 275 UGB ist uneingeschränkt auch auf die Dritthaftung als Abschlussprüfer anzuwenden, sodass der Dritte verjährungsrechtlich nicht anders zu behandeln ist als die geprüfte Gesellschaft selbst.
2.4. Die gegen die Haftungsbegrenzung des § 275 Abs 2 UGB und die Auslegung der Verjährungsfrist als objektive Frist im Schrifttum teilweise geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken werden nicht geteilt.
3. Für eine vorsätzliche Schadenszufügung - auch im Sinn eines „einfachen“ Vorsatzes, ohne dass die Voraussetzungen der zweiten Variante des § 1489 Satz 2 ABGB vorliegen - ist die Verjährungsfrist hingegen eine subjektive. Es wäre sachlich nicht begründbar, dass dem vorsätzlich handelnden Abschlussprüfer die zeitliche Privilegierung in Gestalt einer kurzen objektiven Verjährungsfrist zugute kommen sollte. Gerade der Vorsatztäter wird - anders als der fahrlässig Schädigende - bestrebt sein, seine Malversationen möglichst zu verschleiern, sodass die Kenntnis des Geschädigten davon hinausgezögert und wegen des davon unabhängigen Fristbeginns oft erst nach Ablauf der Verjährungsfrist zu erlangen sein wird. Damit würde ein besonders raffinierter Schädiger in den Vorteil der Fristverkürzung gelangen und könnte von der selbst verursachten Unwissenheit des Geschädigten in bedenklicher Weise profitieren. Ein solches Ergebnis der Interpretation würde den natürlichen Rechtsgrundsätzen widersprechen; soll doch niemand durch Arglist Rechtsvorteile erlangen. Bei vorsätzlicher Pflichtverletzung des Abschlussprüfers ist der Beginn der fünfjährigen Verjährungsfrist daher nicht mit Entstehung des Schadens, sondern erst mit Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger anzusetzen.
Ob die lange Frist des § 1489 Satz 2 1. Variante ABGB greift, wenn dem Geschädigten der Schaden oder der Schädiger nicht bekannt geworden ist, musste danach ebenso wenig untersucht werden wie die jeweils nur mit Vorsatz zu verwirklichenden Tatbestände des § 255 AktG als Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB und der wissentlichen falschen Aussage iSd § 1300 Satz 2 ABGB.
Im Fall 10 Ob 56/12a konnte eine Kenntnis der Kläger von der schon im Erwerbszeitpunkt (10. 8. 2006 bzw 8. 9. 2004) gegebenen Wertlosigkeit der Genussscheine und damit vom primär geltend gemachten Schaden frühestens mit der Erteilung von nur eingeschränkten Bestätigungsvermerken bei den Jahresabschlüssen für 2008, die naturgemäß erst 2009 erteilt und beim Firmenbuchgericht eingereicht wurden, angenommen werden. Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 UGB war deshalb bei Klagseinbringung (12. 1. 2012) noch nicht abgelaufen.
II. Für den vorliegenden Fall ist voranzustellen, dass das Argument der Klägerin, sie falle nicht in den Anwendungsbereich des HGB/UGB, sodass keine Anwendbarkeit des § 275 UGB gegeben sei, nicht zutrifft, weil die Verantwortlichkeit eines Abschlussprüfers nach § 275 UGB mangels einer gesetzlichen Einschränkung der Bestimmung auch gegenüber Nichtunternehmern gegeben ist. Ausgehend von den dargelegten Grundsätzen haben die Vorinstanzen daher auch im vorliegenden Fall die Verjährung insoweit zutreffend bejaht, als der Beklagten Fahrlässigkeit vorgeworfen wird.
Den vorliegenden Klagebehauptungen ist aber auch der Vorwurf vorsätzlichen Fehlverhaltens der Beklagten zu entnehmen, wird ihr doch ua auch angelastet, sie habe ab Beginn ihrer Tätigkeit im Jahr 2000 in Kenntnis der behaupteten Pflichtverletzungen die Missstände „völlig ignoriert“. Es bedarf daher der Prüfung der Berechtigung der erhobenen Vorwürfe, weshalb eine Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Rechtssache an die erste Instanz zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung unumgänglich ist.
III. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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